Werbung
Werbung
Werbung

Fünf amerikanische Flugzeugträger werden bis Ende des Monats im Persischen Golf Stellung bezogen haben.Besuch auf einem "Kriegsdinosaurier", der leider nicht vom Aussterben bedroht ist.

Wenn es irgendwo Probleme gibt", meinte Bill Clinton einmal, "dann lautet die erste Frage im Weißen Haus: ,Wo sind die Flugzeugträger?'" Derzeit lautet die Antwort: Im Persischen Golf. Bis Ende Jänner werden es laut Guardian fünf sein. Dazu einer in der Arabischen See und einer im Mittelmeer. Sieben der insgesamt dreizehn US-Titanen befinden sich in der Region (wieviele vor Korea liegen, ist nicht bekannt).

Rund 330 Meter lang sind die Schiffe und rund 76 Meter breit. In Kriegszeiten befördern sie bis zu 100 Flugzeuge, knapp 6.300 Matrosen, Piloten und Techniker und verdrängen bei voller Ladung gut 95.000 Tonnen Wasser.

Zwischen 1941 und 1945 bauen die USA 28 Flugzeugträger, stellen sie in Dienst und entscheiden so den Seekrieg im Pazifik gegen Japan für sich. Diese Jahre haben die US-Navy geprägt. Während des Kalten Krieges bilden die Carrier einmal mehr das Herzstück der amerikanischen Strategie zur See. Mit höchster Mobilität und Kampfkraft wird die Sowjetunion auf den Weltmeeren in Schach gehalten. Die UdSSR, meinen ältere Marineoffiziere im Gespräch mit der furche denn auch ein wenig wehmütig, die war "noch ein ehrlicher Gegner, nicht einer, der sich versteckt und hinterhältige Anschläge ausheckt".

450 Hot Dogs, 2.800 Burger

Heute bleibt den Flugzeugträgern im Fall eines Terroranschlags nicht viel mehr, als dagegen zu demonstrieren. So wie es die "USS Enterprise" tat, die nach dem 11. September 2001 auf ihrer Heimfahrt eigenmächtig umdrehte und vor die Küste Pakistans fuhr. Um von dort aus als schwimmender Fliegerhorst an der "Operation Enduring Freedom" gegen Afghanistan teilzunehmen.

Sie sind mächtig. Die Träger der Nimitz-Klasse beispielsweise, die "Abraham Lincoln", die "Harry S. Truman", die "Carl Vinson" oder die "Dwight D. Eisenhower". Sie ragen fast 60 Meter über den Meerespiegel empor und werden von zwei Atomreaktoren angetrieben. "Eine kleine Stadt", sagen die Offiziere und jonglieren mit Zahlen: 18 Jahre könnte so ein Träger - theoretisch - ununterbrochen auf See bleiben. Mehr als 20.000 Mahlzeiten würden tagtäglich zubereitet, 450 Hot Dogs und 2.800 Hamburger serviert, im Schnitt 3.840 Eier und 2.500 Liter Milch konsumiert, 700 Laib Brot gebacken und 1.816.000 Liter Süßwasser gewonnen.

Das ist die zivile Seite eines Flugzeugträgers. Von der Brücke aus gewinnt man einen Eindruck über die martialische: Da ist die Fracht zu sehen. F/14-, F/A18- und EA-6B-Prowler Kampfmaschinen, E-2C-Hawkeye-Radarflugzeuge, S-3-Viking-U-Boot-Jäger und Helikopter. Dazwischen ein Gewusel an Mannschaften in leuchtend farbigen Jacken, die sich vom grauen Einerlei des Decks abheben.

Primadonnen auf Deck

Sie sind die Primadonnen auf der Bühne eines US-Flugzeugträgers, die Piloten der Marineflieger. Alle 37 Sekunden schwebt eine Maschine auf das Deck zu, hebt ihre Nase, gleicht einem riesigen Insekt. Nur das Sirren des Windes an ihren Tragflächen ist zu hören. Dann braust der Jet knappest über das Deck hinweg, so tief, dass er mit einem Haken bei einem der vier quer über das Deck gespannten Stahlseile einhakt. Rast mit 278 km/h über eine Strecke von knapp 100 Metern in Richtung Bug. Kommt mit fauchenden Triebwerken zum Stehen. Wird sofort versorgt und aus der Landezone gebracht. Routine auf einem Flugzeugträger der US Navy. Und eine Demonstration von Macht.

Der Flugzeugträger, die größte Kampfmaschine der Welt. Doch an Deck kommen nur die wenigsten. Das Leben spielt sich im Inneren ab, in einem Gewirr aus Gängen und Treppen, die den stählernen Titanen durchziehen. Binnen kürzester Zeit verliert man als Gast die Orientierung, weiß nicht mehr wo man sich befindet. Ob oben in der Nähe der Brücke, knapp unter Deck oder tief in den Eingeweiden des Schiffs. Allenfalls Koordinaten, Ziffern und Buchstabenkombinationen verraten den Wissenden den gegenwärtigen Standpunkt und den richtigen Weg. Etwa in das Combat Direction Center (CDC), das Gehirn des Trägers, sein Nervenzentrum. Gelb, Grün und Rot leuchten die Monitore, neben dem gedämpften Licht einiger weniger Schreibtischlampen die einzigen Leuchtkörper. Eine Kakophonie aus Gesprächsfetzen und Funksprüchen dringt an das Ohr.

Eine Welt für sich. 25 Mann drängen sich auf engstem Raum, machen zwischen drei und zehn Stunden Dienst. Von hier aus werden mittels Radar, Sonar, Satelliten, Beobachtungen der Flugzeuge und der anderen Schiffe im Kampfverband, mittels Bojen und Informationen von Beobachtern die Wasseroberfläche, der Luftraum und die Umgebung unter Wasser in einem Radius von 100 Meilen erfasst, bestimmt, analysiert und in Freund oder Feind, in harmlos oder gefährlich eingeteilt. "Wir sind Spurensucher", meint der Commander der Surface Warfare, "wir gehen jedem auch noch so kleinen Hinweis nach, wir müssen wissen, was sich hinter jedem Schiff verbirgt, ob es ein Handels- oder ein getarntes Kriegsschiff ist".

Terrorangriff? Unmöglich?

Währenddessen werden an Deck die Startbahnen klar gemacht. Die Maschinen rollen zu den vier Katapulten, haken in den Schlitten ein, hinter ihnen geht ein Schutzschild in die Höhe und Gestalten in bunten Jacken tanzen ein absurd wirkendes Ballett zu beiden Seiten des Jets. Dann nur noch einer. Er verdreht und verrenkt sich, setzt genau abgezirkelte Schritte, hebt und senkt seine Arme, zeichnet Kreise in die Luft, geht in die Hocke und deutet nach vorne. Da schießt das Flugzeug voran, beschleunigt innerhalb von knapp 96 Metern auf rund 270 km/h, eine Wolke aus Dampf steigt auf, das Dröhnen der Motoren erfüllt die Luft - und "Here we go" - schwebt es zwei Sekunden später über dem Wasser und zieht empor. Binnen Minuten sind die ersten Staffeln unterwegs.

Katapultierte man einen Golfball mit dieser Stärke von Bord, er würde die Erde umrunden. Leider hat die Navy für Experimente dieser Art kein Verständnis - und keine Zeit.

Was aber, sollten Terroristen sich eines atomgetriebenen Trägers bemächtigen? Das sei unmöglich, meint der für die Sicherheit an Bord zuständige Master of Arms. Und wenn das Unmögliche wahr wird? "Dann haben wir Mittel und Wege, die Situation zu meistern", meint er. Auch für die bohrenden Fragen der Clinton Administration hatte die Navy kein Verständnis. Wo denn die Friedensdividende bleibe, wollte das Weiße Haus 1994 wissen. Und überlegte eine Kürzung des Programms. Schlägt jeder Träger doch mit 440 Millionen Dollar Betriebskosten pro Jahr zu Buche. Und der Bau eines neuen gar mit 4,5 Milliarden Dollar.

Unverzichtbar für's Prestige

Die unangenehmen Fragen gehören fürs erste der Vergangenheit an. Die "USS Ronald Reagan" wird demnächst ihren Dienst aufnehmen, an der "USS George H. W. Bush" wird eifrig gearbeitet. Auch wenn die Mannschaften wissen, dass in Zeiten des "neuen Krieges", den die ehemalige Außenministerin Madeleine Allbright schon 1998 - nach den El Kaida Anschlägen von Dar EsSalaam und Nairobi - heraufdämmern sah, ihren Schiffen immer weniger Bedeutung zukommt.

Nicht zuletzt dank der steigenden Bedeutung von Präzisionswaffen. Während des Golfkriegs 1991 betrug ihr Anteil neun Prozent, im Kosovo bereits 30 und in Afghanistan schon 60 Prozent. Was es der Air Force ermöglichte, weniger Maschinen einzusetzen - und die gesamte Flotte in der Luft zu betanken. So konnten 2001 die B-52-Bomber von Diego Garcia im Indischen Ozean aufsteigen, die Tarnkappenbomber B-2 sogar von Missouri in den USA. "Verglichen mit den neuen Systemen und ihren Möglichkeiten", sagen die Offiziere an Bord, "sind wir Dinosaurier". Für die Vorbereitung eines Angriffs und vor allem als Prestigeobjekte indes nach wie vor unverzichtbar.

Der Autor ist freier Journalist und verbrachte 24 Stunden auf dem US-Flugzeugträger "Dwight D. Eisenhower".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung