Gefährliches Zündeln am Pulverfass

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Kirkuk zählt zu den reichsten Städten der Welt, schreibt Birgit Cerha in ihrem Buch „Kirkuk: Test für die Stabilität des Iraks“ (siehe Buchtipp). Mindestens elf Milliarden Barrel Erdöl sind in den Ölfeldern der Stadt nachgewiesen. Doch die nordirakische Stadt leidet unter dem Ressourcenfluch, anstatt von den Reichtümern zu profitieren. „Heute steht dieses Ölzentrum auf der unteren Stufe bitterarmer und unterentwickelter Metropolen in der Dritten Welt“, schreibt Cerha und nach einem Lokalaugenschein der FURCHE im vorigen Jahr kann diesem Befund nur zugestimmt werden. Ohne Begleitschutz ist Kirkuk für ausländische Journalisten tabu.

An dieser prekären Sicherheitssituation hat sich nichts zum Besseren verändert. Am 20. Juni kamen bei dem bis dahin schwersten Bombenanschlag im Irak seit mehr als einem Jahr in der Nähe Kirkuks über 70 Menschen ums Leben. Ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen explodierte in der Nähe einer schiitischen Moschee.

Zwischen Kurden und Arabern gibt es unter anderem Streit um den Grenzverlauf von Provinzen und um die Aufteilung der Erdöleinnahmen. Der kurdische Autonomiechef Massud Barzani hat klargestellt, dass er hinsichtlich des kurdischen Anspruchs auf das ölreiche Vielvölkergebiet von Kirkuk keine Kompromisse eingehen will. Am 24. Juni beschloss das kurdische Regionalparlament einen Verfassungsentwurf, der die Eingliederung der erdölreichen Provinz Kirkuk und anderer kurdisch bevölkerter Gebiete in die kurdische Autonomieregion vorsieht. Seither ist das Verhältnis der Kurden zu den Arabern sowie zu den Turkmenen noch mehr belastet als vorher.

Iraks Ministerpräsident Nuri al-Maliki, ein Schiit, bezeichnet die wachsenden Spannungen zwischen den arabischen und kurdischen Einwohnern als „eines der gefährlichsten Probleme, um das sich die irakische Regierung sorgt“. Mit dem gerade wiedergewählten kurdischen Präsidenten Barzani soll Maliki seit mehr als einem Jahr kein Wort mehr gesprochen haben.

Laut irakischer Verfassung hätte schon lange eine Volksabstimmung zum Status von Kirkuk durchgeführt werden müssen. Malikis Regierung schiebt diese jedoch immer wieder auf die lange Bank.

Kurdische Milizionäre, die Peschmerga, kontrollieren aber auch weitgehend die von den Kurden beanspruchten Gebiete außerhalb ihrer anerkannten Autonomieregion. In diesen Territorien leben jedoch viele Araber und Turkmenen, die sich vehement gegen diese kurdischen Annexionsbestrebungen auflehnen. In den vergangenen Monaten schickte Maliki mehrfach Regierungstruppen dorthin. Es kam zu gefährlichen Situationen, als diese den Peschmerga Auge in Auge gegenüberstanden. Ein westlicher Diplomat meint: „Es gleicht einem Spiel mit der Lunte am Pulverfass.“ (wm)

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