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„Gefahrliche Liberalisierung”

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„Kein Rauschgift auf Krankenschein” und „keine garantierte Straflosigkeit für süchtige Kriminelle” stehen Forderungen nach weitgehender Entkrimi-nalisierung des Drogenmißbrauchs und des Dealens mit geringen Mengen gegenüber.

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„Kein Rauschgift auf Krankenschein” und „keine garantierte Straflosigkeit für süchtige Kriminelle” stehen Forderungen nach weitgehender Entkrimi-nalisierung des Drogenmißbrauchs und des Dealens mit geringen Mengen gegenüber.

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Sollen illegale Drogen künftig von staatlichen Stellen, etwa bei Entzugsbehandlungen, abgegeben werden? Es ist wahrscheinlich nicht nur die konservative Christliche Wählergemeinschaft (CWG), die sich vehement gegen die Intentionen und Bestimmungen des geplanten neuen Suchtgiftgesetzes ausspricht. Auf dem Boulevard spricht sich nicht selten „das gesunde Volksempfinden” aus, das mit Strafen und Einsperren rasch zur Hand ist, vor allem, wenn man -beispielsweise in einer Großstadt wie Wien am Karlsplatz, in diversen U-Bahn-Stationen, im Volks- oder Burggarten, auf Herrentoiletten diverser Fußgängerpassagen - mit furchterregenden Gestalten aus der Hascherund Fixerszene konfrontiert wird.

Vorbeieilen, nur nicht anstreifen, wegschauen, bei, tatsächlicher oder scheinbarer Belästigung die Kieberei (Polizei) rufen - das ist alles, was ein anständiger Bürger I unternehmen kann. Kann der anständige Bürger verstehen, was der Gesetzgeber heute plant? Die Entkriminali-sierung des Suchtgiftbereichs.

Die Sektion Wien der genannten Christlichen Wählergemeinschaft unter ihrem Obmann Gerhard Lang (er ist auch ein Kämpfer für die Beibehaltung der österreichischen Neutralität) wettert in einer Presseaussendung gegen die Novellierung des Suchtgiftgesetzes von 1951 (ob ein neues Suchtmittelgesetz kommt oder nur die Novellierung der 51er Bestimmungen ist noch nicht ausgemacht): „Dem Mißbrauch (bei Abgabe illegaler Drogen durch staatliche Stellen, Anm. d. Bed.) wird Tür und Tor geöffnet; wirksame Schutzbestimmungen sind nicht in Sicht und wären auch kaum durchführbar: Daher unsere Forderung: Kein Bauschgift auf Krankenschein!” Besonders kritisiert wird die garantierte Straflosigkeit für süchtige Kriminelle.

Das geltende Gesetz sieht eine Straffreiheit für unter Einwirkung von Suchtgift begangene Straftaten bis zu einem Strafausmaß von zwei Jahren Freiheitsentzug vor, wenn sich der Süchtige unter ärztlicher Aufsicht therapieren läßt.

Im neuen Gesetz wird die Bestimmung auf Straftaten mit drei Jahren Freiheitsentzug ausgeweitet. Auch die im Gesetzesentwurf genannten, nicht näher definierten„gesundheits-bezogenen Maßnahmen”, die genügen sollen, um in den Genuß des Strafaufschubes zu kommen, sind der Christlichen Wählergemeinschaft ein Dorn im Auge: „Kein Ersatz der , ärztlichen Kontrolle durch weniger wirksame Maßnahmen” - etwa durch Sozialarbeiter oder Therapeuten.

Scharf tritt die ihren Forderungen auf ein Elaborat des Wiener Vereins zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis stützt, auch gegen eine vorgesehen Anhebung der „geringen Menge” eines Suchtgifts, deren Besitz straflos bleibt, auf.

Bisher wurde der Besitz von 1,5 Gramm nicht geahndet, nun spricht man von einer Anhebung auf etwa fünf Gramm, der Suchtgiftbeirat des ser Frage ein entscheidendes Wort mitzureden haben. Das ist auch ein Punkt, den die Parteien kritisieren (siehe die diversen Stellungnahmen dazu), denn ein liberalerer Minister könnte, so wird von den Konservativen befürchtet, die Menge hinaufsetzen, ein konservativer Minister, so fürchten die anderen, sie wieder herabsetzen.

Die CWG will, daß die Verordnungsbefugnis bei der Menge bei den Gerichten bleibt. Bei Haschisch befürchtet die CWG überhaupt die totale Freigabe, weil die bisherige Bestimmung, daß der Staatsanwalt bei Besitz einer unbedeutenden Menge Haschisch von einer Anzeige nach Beiziehung eines Amtsarztes absehen konnte, nun fallen soll: der Amtsarzt soll nicht mehr erforderlich sein.

Der Verein zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis, von manchen als „Sekte” eingestuft, sieht denn auch in der Novelle zum Suchtgiftgesetz einen „gefährlichen Schritt in Bichtung Liberalisierung”. Besonders die Sonderregelungen für Cann-abis, oft als Einstiegsdroge Nummer eins bezeichnet, sind dem Verein ein

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