Geheimdienst bestimmte die Todeskandidaten

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Eine Geheimabteilung des Geheimdienstes war die Zentrale der Verfolgung der politischen und zivilgesellschaftlichen Opposition. Der direkt dem kolumbianischen Präsidenten unterstellte Geheimdienst DAS (Departamento Administrativo de Seguridad) ist sehr stark in die Verfolgung und Ermordung von Menschenrechtsaktivisten, Gewerkschaftern, Linkspolitikern usw. involviert. Das hat ein Untersuchungsbericht der Generalstaatsanwaltschaft ergeben, der in der zweiten Juliwoche an die Öffentlichkeit gekommen ist.

Nach dem Auffliegen des Abhör- und Bespitzelungsskandals durch den DAS im vergangenen Februar leitete die Generalstaatsanwaltschaft Untersuchungen über die Vorgänge in diesem zentralen Geheimdienst der Republik Kolumbien ein. Und stieß dabei auf schaurige Erkenntnisse, die sogar die jahrelangen Anklagen von Nichtregierungs- und Menschenrechtsorganisationen wegen der staatlichen Beteiligung an der Verfolgung ihrer Aktivisten in den Schatten stellten. Der „schmutzige Krieg“ gegen vermeintliche und wirkliche Regimekritiker und -gegner, zu denen in Kolumbien auch Gewerkschafter, Studenten- und Bauernführer, Mitarbeiterinnen von sozialen Bewegungen usw. gehören, hat in dem südamerikanischen Staat Tradition. In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre wurden Tausende Mitglieder der eben erst entstandenen Linkspartei „Patriotische Union“ systematisch liquidiert, darunter zahlreiche Gemeinderäte, Bürgermeister bis hin zum Präsidentschaftskandidaten. Präsident Virgilio Barco (1986 – 1990) schrieb die Verantwortung dafür sogenannten „dunklen Kräften“ zu, die nicht näher identifiziert werden konnten. Im Jahrzehnt darauf setzte sich die Vernichtungsmaschinerie gegen die „Feinde“ des Regimes fort.

Mit dem Amtsantritt von Präsident Álvaro Uribe Vélez im August 2002 sollte ein neues Kolumbien entstehen, das die Guerilla militärisch besiegt und die mörderischen Gruppen der rechtsextremen Paramilitärs in einem Friedensprozess in das zivile Leben zurückführen sollte. Die Nichtregierungsorganisationen haben dem Präsidenten seine hehren Absichten allerdings nie so richtig geglaubt und im September 2003 in dem Schwarzbuch „Eine autoritäre Verzauberung“ eine harsche Kritik an der Regierungspolitik veröffentlicht. Was den Staatschef zu wütenden Angriffen auf diese angeblich verkappten Guerilleros verleitete.

Paramilitärs erledigten die Schmutzarbeit

Anfang 2004 gründeten DAS-Direktor Jorge Noguera und sein Berater und Stellvertreter José Miguel Narváez, der in einem besonderen Naheverhältnis zu den Paramilitärs steht, die Sondereinheit G-3, die zwar organisatorisch nirgendwo verankert war, doch über ein eigenes Budget verfügte und allen Geheimdienst-Instanzen Aufträge erteilen konnte. Erst die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft in den letzten Monaten brachten die Existenz dieser Schattenstruktur ans Tageslicht. Deren primäre Aufgabe bestand in der lückenlosen Bespitzelung von angeblichen Regimegegnern und deren Familienangehörigen. Durch Aussagen von paramilitärischen Führern wurde bekannt, dass die Paramilitärs vom DAS Listen mit Namen der angeblichen „Feinde“ erhielten und dann die entsprechende Schmutzarbeit verrichteten – diese Personen liquidierten.

Nachdem Noguera und Narváez wegen ihrer Verbindungen zu den Paramilitärs im Oktober 2005 den DAS verlassen mussten, hat sich die Sondereinheit G-3 angeblich aufgelöst – das wird von Menschenrechtsverteidigern allerdings stark bezweifelt. Ihr Vorwurf: Die Bespitzelung der Kritiker der Politik des kolumbianischen Präsidenten, zu denen selbst Mitglieder des Obersten Gerichtshofes gehören, wurde auf jeden Fall fortgesetzt. (Werner Hörtner)

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