Geheimdienste: Blaues UMRÜHREN?

Werbung
Werbung
Werbung

"Viele sehen Pläne, die Dienste zusammenzulegen und zu einer Art 'Supergeheimdienst' im Bundeskanzleramt zu fusionieren."

"Zahlreiche Mitarbeiter der Nachrichtendienste wurden unter roter oder schwarzer Ägide eingestellt. Etwaige blaue Umfärbe-Aktionen könnten nun einigen 'Agenten' sauer aufstoßen."

Es war der größte Aufreger im Zuge der Regierungsbildung: Innenund Verteidigungsressort werden unter Türkis-Blau von der FPÖ und damit von nur einer Partei gestellt. Ein Ausnahmefall in der Zweiten Republik: Zwar kamen auch zwischen 1966 und 1983 die beiden "Sicherheitsminister" von derselben Partei; dies aber freilich unter schwarzen und roten Alleinregierungen. In Koalitionen wurden die beiden Ressorts dagegen, mit Ausnahme einer knapp vierjährigen schwarz-blau-orange Phase unter Kanzler Wolfgang Schüssel, stets auf die zwei Regierungspartner aufgeteilt.

"Wie Hund und Katz"

Die parteipolitische Trennung der Sicherheitsministerien hat historische Gründe: Seit im österreichischen Bürgerkrieg 1934 Soldaten auf Gemeindebauten schossen, achtete vor allem die SPÖ darauf, dass nicht die gesamte bewaffnete Staatsgewalt bei einer politischen Kraft gebündelt wird. Für Beunruhigung bei Kritikern sorgt der türkis-blaue Traditionsbruch indes nicht nur, weil nun alle bewaffneten Uniformierten in Hand einer Partei sind - sondern insbesondere auch, weil dadurch alle heimischen Geheimdienste von der FPÖ kontrolliert werden. Aber wie steht es eigentlich um Österreichs Nachrichtendienste? Welche Gefahren für Missbrauch gibt es? Und welche Auswirkungen kann das auf die Republik haben?

Man könne jedenfalls von künftig stärkeren Konflikten zwischen den Diensten ausgehen, denn "Militärgeheimdienste und Polizei sind wie Hund und Katz", sagt ein Geheimdienst-Insider im Gespräch mit der FURCHE. In Österreich gibt es nämlich drei Nachrichtendienste, die nicht nur unterschiedliche Aufgaben haben, sondern auch zwei verschiedenen Ministerien unterstellt sind: Das Heeresnachrichtenamt, zuständig für die Auslandsaufklärung, ist ebenso im Verteidigungsministerium angesiedelt wie das Abwehramt -eine Art interner "Werksschutz", der Spionage, Sabotage und extremistische Tendenzen vom Bundesheer abhalten soll. Zum Innenministerium gehört dagegen das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, das als polizeiliche Staatsschutzbehörde Extremismus und Terrorismus im Inland bekämpfen soll.

Die genaue Kompetenzverteilung zwischen den drei Diensten ist allerdings nicht allzu detailliert geregelt und von Überschneidungen geprägt. Das führt regelmäßig zu Streitigkeiten, die durch ein historisch gewachsenes Konkurrenzverhältnis zwischen den Diensten noch verschärft werden. Laut Regierungsprogramm sollen künftig aber "sicherheitspolizeiliche Zusammenarbeit" und "Datenaustausch" zwischen den Diensten intensiviert werden. Auch von einer "Weiterentwicklung der Staatsschutzbehörden nach Evaluierung und internationalen Vorbildern" ist im Regierungspapier zu lesen. Viele sehen darin Pläne, die Dienste zusammenzulegenund zu einer Art "Supergeheimdienst" zu fusionieren, der dann im Bundeskanzleramt ressortieren könnte.

Der Historiker und Geheimdienst-Experte Siegfried Beer sieht Ideen zur engeren Zusammenarbeit der Dienste positiv -und hält vor allem einen gemeinsamen koordinativen Überbau für sinnvoll: "Man muss Sicherheit zur Chefsache machen. Sie gehört aus meiner Sicht ins Bundeskanzleramt", sagt der emeritierte Professor für Geschichte, der das an die Uni Graz angelehnte Forschungszentrum "Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies" gründete. Die österreichische Sicherheitsstruktur hält er in ihrer Gesamtheit für veraltet. Man dürfe Sicherheit nicht mehr "wie früher in eine zivile und eine militärische unterteilen. Man muss das ganzheitlich anpacken." Dafür schlägt Beer auch die Schaffung eines Staatssekretärs für Sicherheitskoordination vor, der zusätzlich für ein Kontrollelement der Geheimdienstarbeit sorgen könne.

Pläne zur Zusammenlegung der Dienste dürften nach Einschätzung vieler Beobachter allerdings zu verstärkten internen Konflikten führen -vor allem wenn mittels Posten-Umbesetzungen "umgerührt" werden sollte. Denn zahlreiche Mitarbeiter wurden unter roter oder schwarzer Ägide eingestellt. Etwaige blaue Umfärbe-Aktionen könnten nun einigen "Agenten" sauer aufstoßen. Erwartet wird auch, dass die beschlossene Berichtspflicht der Nachrichtendienste an Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache für internen Ärger sorgt - besonders für den Fall, dass vertrauliche Informationen der Dienste zu politischen Zwecken an die Öffentlichkeit gelangen.

Dossiers über politische Gegner

Und Fälle dieser Art gab es in der Vergangenheit immer wieder. Für besonders viel Aufsehen sorgte ab dem Jahr 2000 die vom ehemaligen Polizisten Josef Kleindienst enthüllte Spitzelaffäre. Wie Kleindienst berichtete, fragten Polizisten in etlichen Fällen geheime personenbezogene Daten aus dem polizeilichen Computersystem EKIS ab und gaben sie an FPÖ-Politiker weiter; mit dem Ziel, Informationen über politische Gegner, kritische Künstler und Journalisten zu sammeln -und sie in der Öffentlichkeit gegen sie zu verwenden. Bespitzelt wurden laut Medienberichten etwa Wiens früherer Bürgermeister Helmut Zilk, die einstigen SPÖ-Politiker Brigitte Ederer und Caspar Einem, der Künstler Andre Heller oder die Profil-beziehungsweise Standard-Journalisten Herbert Lackner und Hans Rauscher -Vorgänge, die der Verfassungsjurist Heinz Mayer auch heute noch als "beispiellosen Skandal" beschreibt (siehe Interview Seite 9). Die Staatsanwaltschaft leitete damals Vorerhebungen gegen führende FPÖ-Funktionäre wie den Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider oder Justizminister Dieter Böhmdorfer ein, die letztlich wegen Mangels an Beweisen bzw. Verjährung eingestellt wurden.

Eine zentrale Sorge vieler Kritiker ist heute auch, dass mit zwei FPÖ-Ministern als obersten Chefs der Nachrichtendienste Ermittlungen im Bereich Rechtsextremismus deutlich ausgedünnt werden könnten. "Damit ist jedenfalls zu rechnen", sagt Mayer. Im Gespräch mit der FURCHE befürchtet auch der Geheimdienst-Insider Ähnliches - und erwartet zudem längerfristige politische Implikationen: Käme eine Organisation etwa nicht mehr im jährlichen Verfassungsschutzbericht vor, würde sie in der Öffentlichkeit auch kaum als beobachtenswert wahrgenommen. Damit sei bei der betreffenden Gruppe dann "offiziell alles in Ordnung", so der Insider. Vor dem Jahr 2000 wurden etwa einige deutschnationale Burschenschaften in Österreich von den Behörden beobachtet. Im Jahreslagebericht des Innenministeriums von 1999 ist von "Agitation" einzelner Studentenverbindungen zu lesen, die den Versuch erkennen ließe, "auf Umwegen eine gewisse Akzeptanz für nationalsozialistisches Gedankengut zu schaffen." Im Bericht des Folgejahres wird angekündigt, der I d e o l o g i eve r b re i t u n g der Burschenschaften würde "im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes weiterhin besonderes Augenmerk zugewendet". Ein Jahr später -inzwischen hatte die neue Regierung mit FPÖ-Beteiligung ihr Amt angetreten -schienen die Burschenschaften nicht mehr im jährlichen Bericht des Innenministeriums auf.

Gelegenheit macht Diebe

Wer auch immer künftig weniger oder mehr überwacht wird -die zur Verfügung stehenden technischen wie rechtlichen Möglichkeiten werden deutlich wachsen: Im Regierungsprogramm ist ein großflächiger Ausbau der elektronischen Überwachung angekündigt. So werden etwa Gesichtsfelderkennung und Big-Data-Analysen genannt. Noch strittig ist die Einführung eines sogenannten "Bundestrojaners", der es Behörden ermöglichen würde, über ein eingeschleustes Schadprogramm Inhalte von Smartphones oder Computern mitzulesen.

Eines halten Experten aber für eine Grundregel: Je mehr Gelegenheiten es für Missbrauch gibt, desto wahrscheinlicher ist, dass er auch passiert. Mit dieser Logik machte kürzlich auch das Bundesheer selbst Erfahrung: Im Sommer berichtete der Kurier über eine Schnüffelaffäre, wonach Heeres-Mitarbeiter über das interne Personalinformationssystem in etlichen Fällen illegal persönliche Daten über Kollegen abfragten. Dazu gehörten etwa Krankenstands-und Urlaubszeiten oder die Höhe von Überstundenpauschalen. Berechtigung für die "Nachforschungen" hatten die betreffenden Armee-Mitarbeiter zwar keine, aber - wie die Zeitung einen ausspionierten Soldaten zitiert: Leider biete das Bundesheer eben die strukturellen Möglichkeiten zu illegalen Abfragen, "und viele nutzen sie."

ÖSTERREICHS NACHRICHTENDIENSTE

Streng genommen gibt es in Österreich gar keine Geheimdienste. Denn laut Branchendefinition greifen diese lenkend in Geschicke ein, während "Nachrichtendienste" v. a. Informationen beschaffen sollen. Nachrichtendienste gibt es in Österreich demnach drei. Und sie haben unterschiedliche Aufgaben und Kompetenzen:

Heeresnachrichtenamt

Das Heeresnachrichtenamt ist der strategische Auslandsnachrichtendienst Österreichs und dem Verteidigungsministerium unterstellt. Seine Kernaufgabe ist es, sicherheitspolitisch relevante Informationen über Regionen und Akteure, die Auswirkung auf die nationale Sicherheit Österreichs haben, zu beschaffen, aufzubereiten und der obersten politischen und militärischen Führung der Republik in Form von Lageberichten und Lagevorträgen darzustellen. Mit deutschen und US-amerikanischen Geheimdiensten ist das Amt seit Jahrzehnten eng verbunden. Auch ein Vertrag mit der NSA wurde vor einigen Jahren bestätigt.

Abwehramt

Auch das Abwehramt gehört zum Verteidigungsministerium. Im Gegensatz zum Heeresnachsrichtenamt, aus dem es 1985 herausgelöst wurde, ist seine Aufgabe die nachrichtendienstliche Abwehr. Soll heißen: Das Amt fungiert als eine Art interner Werksschutz und dient der Eigenüberwachung des Bundesheeres. Es soll Spionage, Sabotage, Subversion und Extremismus von der Armee abwenden, indem es Informationen beschafft und auswertet, die - so die gesetzliche Definition -"vorsätzliche Angriffe gegen militärische Rechtsgüter zur Beeinträchtigung der militärischen Sicherheit erwarten lassen."

Verfassungsschutz

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist mit seinen neun zugehörigen Landesämtern dem Innenministerium unterstellt und fungiert als polizeiliche Staatsschutzbehörde. Es entstand 2002 aus der Staatspolizei und einigen Sondereinheiten. Zu den Kernaufgaben der Einrichtung zählen die Bekämpfung extremistischer und terroristischer Phänomene, von Spionage bis Waffenhandel, und auch der organisierten Kriminalität in diesen Bereichen. Zudem ist es für den Schutz von Personen und Objekten zuständig und erstellt den jährlichen Verfassungsschutzbericht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung