6751254-1967_29_04.jpg
Digital In Arbeit

Geistiger und struktureller Wandel der SPÖ

Werbung
Werbung
Werbung

Seit einem Jahr geben in den obersten Gremien der SPÖ, in der sozialistischen Fraktion des Landtages und der Regierung, die Intellektuellen den Ton an. Von den psychologischen und ideologischen Problemen, die sich in diesem Zusammenhang der Parteiführung und dem Funktionärskader stellen, wird der Außenstehende kaum etwas erfahren. Die SPÖ des Burgenlandes ist in einem tiefgreifenden geistigen und strukturellen Wandel begriffen, in dem viel für die Partei auf dem Spiele steht. Dieser Umbruch ist eigentlich erst seit der Nominierung von Landesrat Kery zum Landeshauptmann in vollem Gange. Die Umbruchsprobleme werden innerhalb der Partei immer stärker offenbar. Die Dynamik des neuen Regierungsteams der SPÖ hat viele Mitglieder und Funktionäre gleichsam „überrundet“ und verhindert, daß die schwerwiegenden Umbruchsprobleme bewußt wurden. Außerdem hat die Pittermann-Misere die burgenländische SPÖ außerordentlich stärk mit den Wiener Problemen konfrontiert und beschäftigt, so daß nicht viel Zeit vorhanden war, über die Umbruchsproblematik in der Landespartei nachzudenken. Zudem herrschte zwischen der obersten Parteiführung in Eisenstadt und dem letzten Mitglied der SPÖ Übereinstimmung darüber, daß nur ein neuer Mann als Bundesvorsitzender das Image der Partei verbessern und aufwerten könne.

Von mutigen Vorstößen beim Sturz Pittermanns...

Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß die burgenländische SPÖ zum personellen Revirement in der Bundes-SPÖ einen entscheidenden Beitrag geleistet hat und in vorderster Reihe der Bundesländersozialisten stand. Die Parteigeschichte wird die mutigen Vorstöße des Landesparteiobmannes der burgenländischen SPÖ, Hans Bögl, bis zum Sturze Pittermanns zweifelsohne vermerken. Der alte Mann der Partei hätte allerdings diese entschiedene Haltung nicht bezogen, wenn nicht hinter ihm Kery und Sinowatz gestanden wären.

So trug die ganze bundespolitische Situation der SPÖ zur Zurückstellung spezifisch burgenländischer Umbruchsprobleme im sozialistischen Parteileben bei. Sicherlich hat die Parteiführung durch die intensive Beschäftigung mit den Bundesproblemen Zeit gewonnen für die psychologische Lösung mancher innerparteilicher Probleme im Gefolge des Umbruches. Aber es wäre verfehlt, der Parteiführung in Eisenstadt ein Ablenkungsmanöver vorzuwerfen. Fixierung der burgenländischen Parteiführung auf die Wiener Zentrale war aus parteipolitischen Gründen geradezu unvermeidlich. Ohne Deckung durch ein neues Image der Bundes-SPÖ wären die Chancen der burgenländischen SPÖ bei den nächsten Landtagswahlen stark herabgemindert worden. Daher mußte man sich, ob man es wollte oder nicht, für einen Wechsel im Amt des Bundesvorsitzenden einsetzen. Damit wurde ein entscheidendes Hindernis für die Weiterführung der Parteireform beseitigt. Der Rücken wurde für die burgenländische SPÖ freigekämpft. Sie hat damit auch freie Hand für die Weiterverfolgung der innerparteilichen Reform im Burgenland erhalten.

.... zur Reform im Burgenland

Die SPÖ des Burgenlandes steht ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen vor schwierigen Aufgaben. Ihr Regierungsteam im Landhaus soll den Sieg aus dem Jahre 1964 festigen und der Partei die Mehrheit im Lande erhalten. Sie muß den Beweis erbringen und die Wähler davon überzeugen, daß bei dem von ihr gestellten Landeshauptmann das Schicksal des Burgenlandes in besten Händen ist. Dazu wird das SPÖ-Regierungsteam bis zum Herbst Vorschläge für eine Sanierung der Landesflnanzen ausarbeiten und der Regierung unterbreiten müssen.

Die ÖVP will nämlich die finanzielle Situation des Landes im Wahlkampf aufgreifen und gegen die Schuldenpolitik der SPÖ massiv zu Felde ziehen. Außerdem drängen verschiedene offene Probleme, die mit der Bundespolitik zusammenhängen, auf eine Lösung. Man braucht dabei nur an die Frage der Führung der Autobahn durch das Burgenland, die Rundfunkfrage, die Esterhäzy-Frage, die Erdölfrage, die Frage der Wohnbauförderung und die Frage einer Sonderhilfe des Bundes für das Burgenland auf

Dr. Portisch: Nicht zur Gänze. Das „Paket“ ist jetzt von der Südfäroler Volksgruppe von allen vernünftigen Leuten längst akzeptiert. Und da müssen wir in solchen Momenten den Mut haben, mitzuhelfen, auch wenn es eine virulente Opposition gibt.

Dr. Schulmeister: Das hat die österreichische Bundesregierung getan und ist dafür von Innsbruck aus beschuldigt worden...

Dr. Portisch: Über Innsbruck müssen wir uns auch hinwegsetzen.

Dr. Schulmeister: Und über Österreich müssen wir uns auch hinwegsetzen?

Schramm-Schiessl: Soviel ich weiß, besteht ein grundsätzliches Einvernehmen zwischen Südtirol und der Wiener Bundesregierung, daß es nur einvernehmliche Lösungen geben kann. Sonst werden Lösungen beschlossen, und unten geht die „Bumserei“ weiter. Das hätte ja keinen Sinn; man muß auch die Gegner überzeugen. Es wird Sache der italienischen Regierung sein, auch die Gegner einer Regelung zu überzeugen.

Grund der wirtschaftlichen Benachteiligung des östlichen Grenzlandes denken.

Landeshauptmann und erste Regierungspartei haben bei diesen Problemen Anwalt des Landes zu sein und Alternativlösungen anzubieten, die für den Bund akzeptabel sind, und die auch die ÖVP im Lande unterstützt. Noch nie seit 1945 waren so viele landespolitische Probleme und ihre Lösung mit dem Bund verknüpft. In dieser Situation hat Staatssekretär Soronics eine wichtige Mittlerrolle zwischen dem Burgenland und der Bundesregierung zu erfüllen, die bei den verschiedenen Mehrheitsverhältnissen im Bund und im Land nicht sehr leicht wahrzunehmen ist. Von sozialistischer Seite wird die Mittlerrolle des Staatssekretärs einerseits begrüßt, anderseits weiß man auch, daß dadurch das Prestige der ÖVP im Burgenland gehoben wird. Jedenfalls wird durch die Vermittlung des Staatssekretärs dem Burgenland ein Dienst erwiesen.

Auf dem „Sprung nach vorne“

All diese Aufgaben würden das dreiköpfige Regierungsteam der SPÖ voll beanspruchen und ein zusätzliches Engagement kaum zulassen. Aber das „Wunderteam“ der burgenländischen SPÖ — den Namen hat die ÖVP der sozialistischen Regierungsfraktion gegeben — muß neben der Landespolitik auch Parteiaufgaben wahrnehmen. Die wichtigste Arbeit für die Zukunft der Partei im Burgenland ist die Parteireform. Sie soll mithelfen, die Partei links von der Mitte anzusiedeln und ihr ein ideologisches Unbedenklichkeitszeugnis vor den Wählern ausstellen, die bisher aus weltanschaulichen Überlegungen nicht sozialistisch wählten.

Das Experiment ist kühn und erinnert an den „Sprung nach vorne“, den die westdeutschen Sozialdemokraten wagten. Das erfordert eine ideologische Öffnung der Partei, die sich bis in die letzte Lokalorganisation hinein auswirkt, selbst wenn sie auf der altmarxistischen Tradition steht. Zugleich muß eine psychologische Neuorientierung stattfinden, die der Romantik abschwört und rationalen Überlegungen im Parteileben Raum gibt. Dies ist gerade für alte und bewährte Parteifunktionäre keine leichte Angelegenheit. Das Management in der Politik kommt ihnen wie ein Verrat am Sozialismus vor. Die jungen Funktionäre haben diese Schwierigkeiten nicht. Sie denken und leben mit der neuen Parteiführung.

Es geht um 20.000 Stimmen

Die burgenländische SPÖ muß bei der nächsten Landtagswahl 20.000 Stimmen neu gewinnen, weil sie ihre Mehrheit im Lande weiterhin sicherstellen. Rein rechnerisch handelt es sich dabei um ein Unternehmen, das von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Bekanntlich erzielt die ÖVP im Burgenland bei den letzten Nationalratswahlen einen Stimmenvorsprung von 19.000 Stimmen. Wäre die Wahl eine Landtagswahl gewesen, so hätte die ÖVP damals die absolute Mehrheit im Lande errungen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung