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Das Wesen der demokratischen Marktwirtschaft ist die Innovation, da sind sich alle einig. Aber diese Innovationskraft schließt eine Menge von Tricks ein, die eingesetzt werden, um aufbrechende Krisen nicht zu bewältigen, sondern zu verschieben. Die Kulturkrise der Sechzigerjahre wurde durch "Befreiung" aller Lebensbereiche bewältigt; die Energie- und Umweltkrise, die in den Siebzigerjahren offenbar wurde, durch symbolische Politik. Die Krise überschießender Erwartungen wurde zuerst durch Inflation, dann durch Staatsverschuldung, schließlich durch freizügige private Kreditvergabe befriedet. (Anders gesagt: Man hat einige Jahrzehnte über seine Verhältnisse gelebt.) Die Krise der Regierbarkeit wurde durch Ausgliederungen, Privatisierungen und Verrechtlichungen kaschiert, auf internationaler Ebene durch ein wackeliges Europa-Konzept. Das ganze System wurde komplexer, anfälliger, unsteuerbar; nur noch durch Löcher-auf-Löcher-zu-Politik und durch dekorative Inszenierungen auf Kurs gehalten.

Die Wirtschaftskrise der letzten Jahre war eine Bluff-Krise. Die Wählerschaften wurden und haben sich selbst in Illusionen gewiegt. Die Regierungen haben Märchen erzählt und sie schließlich selbst geglaubt. Den Wirtschaftsinstitutionen war alles gleichgültig, solange sie Geld verdienen konnten. Die bisherigen Methoden sind nun verbraucht, wir treten ein in die Epoche der "Gelderfindung": Die USA, jetzt auch die EZB verpflichten sich der "fiktiven Ökonomie". Man tut einfach so, als hätte man das Geld, das man nicht hat, und hofft, dass sich aufgrund dessen ein dynamisches Konsumieren und Investieren auslösen lässt, welches den großen Crash am Ende (über)kompensiert: Augen fest zudrücken und fröhlich sein. Das freut die Linken, weil sie schon immer an Gelderfindung geglaubt haben, und die Finanzmenschen, weil man richtig viel Geld nur in der Krise verdienen kann. Griechenland ist überall.

Der Autor ist Professor für Soziologie an der Universität Graz

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