Genügend Geld, aber falsch verteilt

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dieFurche: Die Grünen werfen der Wohnbauförderung vor, "Umverteilung von unten nach oben" zu betreiben. Was meinen Sie damit?

Maria Vassilakou: Die SPÖ betreut die falsche Zielgruppe. Sie betreibt Mittelstandsförderung, anstatt das untere Drittel der Gesellschaft abzusichern. Für die, die wirklich bedürftig sind, steht nur wenig Wohnraum zur Verfügung. Wenn Sanierungen abgeschlossen sind, werden Gemeindewohnungen ziemlich teuer und erreichen bald Marktpreise. Großteils sind das keine Sozialmieten mehr. Ich kann ein Beispiel nennen: Eine mir bekannte Familie zog um 4.000 Schilling in eine 70 m2-Gemeindewohnung aus den 50er Jahren. Das Haus stand kurz vor der Sanierung, das wurde ihnen nicht gesagt, und auf einmal mußten sie 7.000 Schilling zahlen. Als der Mann dann noch arbeitslos wurde, konnte er weder Miete zahlen, noch Wohnbeihilfe beziehen, weil diese Gruppe von Bauten nicht aus Fördermitteln gebaut worden war. Jetzt hat er wieder Arbeit, aber er zahlt seine Mietrückstände ab. Die Mieten sind also nicht so sozial. Außerdem ist die Stadt stolz auf Neubauprojekte am Stadtrand, die sind vielleicht Sieger von Architektenwettbewerben, aber ich weiß nicht, ob die Leute darin wirklich wohnen wollen. Momentan sind drei Gasometer projektiert, es würde mich nicht wundern, wenn einer davon leer stehen bleibt. Bei falschem Wind kriegt der nämlich den Gestank von der ÖMV Raffinerie.

dieFurche: Was sind Ihre Hauptkritikpunkte am derzeitigen Wohnbaufördersystem?

Vassilakou: Die SPÖ erfindet momentan ständig neue Förderungen, wie die "Super"-Förderung, um leerstehende Wohnungen loszuwerden, die aufgrund schlechter Standorte und Qualität leerstehen. Dadurch wird künstlich ein falsches Wohnbaumodell am Leben gehalten. Viele ärmere Familien und sozial Schwache werden so an den Stadtrand verbannt, was eine normalerweise spannungsreiche Konzentration erzeugt.

Man müßte das System ändern, den künstlichen Bauboom stoppen und 80 bis 90 m2 so viel kosten lassen, daß sich eine Familie das leisten kann. Wir Grünen schlagen vor, Mieten im Gemeindebau einkommensbezogen festzusetzen, damit echte soziale Gerechtigkeit herrscht, die Besserverdiener durch höhere Mieten die ärmeren mittragen. Wenn heute in einem Gemeindebau eine eingesessene Familie, die mehr verdient, durch einen alten Vertrag 3.000 Schilling zahlt, während später zugezogene Jüngere, die weniger Geld haben, für diesselbe Wohnung im Stock darunter 5.000 Schilling zahlen müssen, versteht das niemand mehr.

dieFurche: Ausländer haben nach wie vor keinen Zugang zu Gemeindewohnungen und werden oft zu Opfern von Spekulanten. Wie schaut ihre Situation momentan aus?

Vassilakou: Das jetzige Mietrecht öffnet der Spekulation Tür und Tor. Es dient nur noch den Immobilienmaklern. Weder die Mieter, noch die Vermieter sind zufrieden. Hätten die Mieter mehr Rechte, und gäbe es nicht so viele befristete Verträge, wäre die Spekulation auch leichter in den Griff zu kriegen. Nach wie vor ist die Lage der Ausländer schlimm. Sie sind vertraglich nicht abgesichert und zahlen immens hohe Mieten. Der Gemeindebau ist ihnen versperrt, der Genossenschaftsbau nicht leistbar. Außerdem wissen viele in diesem Bevölkerungssegment nicht, daß sie diese Möglichkeit hätten, weil dort Information über andere Kanäle fließt.

dieFurche: Planungsstadtrat Görg hat vorgeschlagen, Gemeindewohnungen zu verkaufen, um mehr Geld im Budget zu haben. Was sagen Sie dazu?

Vassilakou: Ich bin absolut dagegen. Es gibt gar nicht so wenig Geld in der Wohnbauförderung, es wird nur vollkommen falsch eingesetzt. Wer Gemeindebauten verkaufen will, ermöglicht die Spekulation im Gemeindebau. Es würde dann noch weniger Wohnungen für sozial Bedürftige geben.

Interview: Isabella Marboe

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