Geschröpfte Mittelklasse

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Wer hätte das gedacht? Erstaunlich, wie ruhig in diesen Tagen die Pläne zur Budgetsanierung geschluckt werden. Keine Frage, die Slogans klangen gut: Null-Defizit und Sparen, dann läuft das Werkel wieder. Bald können wir Überschüsse abschöpfen und Steuersenkungen finanzieren. Dagegen lässt sich schwer argumentieren, auch nicht von der angeschlagenen SPÖ und den Gewerkschaften.

Die "Maßnahmen zu mehr Steuergerechtigkeit" treffen offensichtlich auch nur die, die sowieso mehr haben. Die Mittelklasse, Unternehmer, die Beamten, Stiftungen. Die anderen werden laufengelassen. Und diejenigen Arbeitnehmer, die's trifft, werden - soweit absehbar - auch nicht wahnsinnig bluten müssen.

Mag sein, dass die Sanierungsak-tion von vielen Steuerzahlern derzeit sogar weitgehend als "schmerzfrei" empfunden wird (Seite 4). Etwas anderes hingegen tut wirklich weh: * Budgetpolitik ist auch Gesellschaftspolitik. Sie hat Auswirkungen auf die Haltungen und die Moral der Menschen - motivierend oder demotivierend. Derzeit wird nicht einmal versucht, für ein Aufbruchsklima zu sorgen, das in Zeiten des Umbruchs so wichtig ist. Wir brauchen gerade jetzt das Gefühl, dass Verantwortung, Einsatzbereitschaft und berufliches Engagement gefordert und gefördert werden. Redet noch einer von "Leistung muss sich lohnen"? Die kalte, glatte Zäsur (z. B. bei der Reduzierung und Streichung von Absetzbeträgen über 30.000 öS brutto) bei den Besserverdienern (die meist auch viel arbeiten) nimmt sicherlich noch ein weiteres Stück Motivation.

* Finanzminister Grassers Pläne beinhalten nur fiskalpolitische Maßnahmen. In keinem Bereich gibt es Anläufe zu vernünftigen Strukturkonzepten. Wo sind die Signale im Sinne von "Wir sparen und kassieren. Gleichzeitig nehmen wir uns aber vor, ..."??

* In der Gesellschaft haben sich in den letzten Jahren Apathie und Resignation breit gemacht. Die Flucht in Gleichgültigkeit, die Hinwendung zu Ästhetischem und Esoterischem, zu Spaß und Freizeit nimmt zu. Bemerkt die Politik das nicht?

Hätte sie's bemerkt, wäre vielleicht mehr gekommen als eine kalte, undifferenzierte Behandlung der Mittelklasse, die jetzt ohne große Worte wieder zum Handkuss kommt.

E-Mail: thiemer@styria.com

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