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Das Recht auf Nahrung ist ein grundlegendes Menschenrecht. Doch der Landraub macht davor nicht halt. Konzerne sichern sich ihre Ressourcen - zum Nachteil von Bauern und indigenenen Völkern.

Mit der Verleihung des Right Livelihood Award, besser bekannt als Alternativer Nobelpreis, an die Organisation Grain hat das schwedische Parlament am 5. Dezember ein wichtiges Zeichen gegen Landraub gesetzt. Grain, eine international vernetzte Forschungs-, Informations- und Lobbygruppe mit Sitz in Barcelona, war eine der ersten Stimmen, die weltweit gegen das Phänomen des Land Grabbing auftrat. So war die Dankesrede von Henk Hobbelink, der die Auszeichnung namens seiner Organisation in Stockholm entgegennahm, auch ein leidenschaftlicher Appell an die Mächtigen dieser Welt, die großflächige Aneignung von fruchtbarem Ackerland durch transnationale Konzerne, staatliche Akteure und private Großinvestoren zu stoppen.

Eine Ursache des Hungers

Mehr als eine Milliarde Menschen leiden an Hunger oder chronischer Unterernährung, so die alarmierende Statistik der FAO, der Lebensmittel- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen. 80 Prozent davon leben nicht etwa in den Slums der Megastädte, sondern auf dem Land. Die meisten von ihnen produzieren sogar Lebensmittel. Das sei intolerabel, urteilte Henk Hobbelink in seiner Ansprache. Denn schuld daran "ist nicht der Mangel an Technologie. Verantwortlich sind die Regierungspolitiken, die aus freien Stücken die bäuerliche Landwirtschaft durch ein industrielles Modell ersetzen, das den Bedürfnissen der transnationalen Konzerne entspricht.“ Dieses Modell produziert Rohstoffe für den globalen Markt, "es ernährt aber keine Menschen und kann es auch nicht“.

Bemerkenswert ist, dass Gegner und Befürworter von "großflächigen Landaneignungen“, wie es in der neutralen Diplomatensprache heißt, in der Beurteilung der bisherigen Praxis weitgehend übereinstimmen. In einem lange zurückgehaltenen Bericht, der schließlich Mitte 2010 veröffentlich wurde, stellt die Weltbank fest: "Das Interesse der Investoren ist fokussiert auf Länder mit schwachen Regierungen.“ Sie muss auch zugeben, dass zwar Arbeitsplätze und Infrastruktur versprochen würden, allerdings Ausbeutung und die Aussicht auf schnelle Gewinne im Vordergrund stünden.

Spekulation mit Land

Spekulation sei ein Schlüsselmotiv für die Landkäufe. Land würde von Regierungen, die auf das schnelle Geld hofften, oft zum Nulltarif vergeben. Die Weltbank kann auch nicht umhin festzustellen, dass solche Geschäfte vor allem dort stattfinden, wo die Rechtsstaatlichkeit unterentwickelt ist. Dennoch ist sie, anders als Grain, nicht der Meinung, dass allein nachhaltige, kleinflächige Landwirtschaft, die das Überleben der Menschheit sicherstellen kann. Vielmehr setzt sie auf unverbindliche Verhaltensregeln, die die Auswüchse der Landaneignungen eindämmen sollen.

Dabei wird übersehen, dass ein Gutteil der Investitionen gar nicht der Lebensmittelproduktion gilt, sondern Agrartreibstoffen und dem Erzielen von Spekulationsgewinnen. Seit dem Platzen der dot.com Blase und dem Kollaps des Immobilienmarktes in den USA suche das Kapital neue Anlagemöglichkeiten, so analysiert Anuradha Mittal, Gründerin und Leiterin des Oakland Institute in Kalifornien. Durch die Lebensmittelkrise 2007 sei deutlich geworden, dass Nahrungsmittel, die knapp geworden sind, sich hervorragend dafür eignen. Mittal: "Aktienfonds suchen die schnelle Rendite über die knapper werdende Ressource Land und sichern sich Flächen, bevor die Preise steigen.“ Andererseits versuchten Staaten mit großer Bevölkerungsdichte, langfristig die Nahrungsmittelversorgung abzusichern. Unveröffentlichte Daten der Weltbank belegen, dass 30 Prozent der neuen Investoren Investment Fonds sind. An zweiter Stelle rangieren Transnationale Konzerne.

Pensionsfonds als Anleger

Unter den institutionellen Fonds nehmen die Pensionsfonds eine prominente Rolle ein. Derzeit sind in ihren Portefeuilles Investitionen in Land mit nur ein bis drei Prozent vertreten. Etwa das Doppelte dessen wird aber angestrebt. Wenn man weiß, dass der weltgrößte Pensionsfonds, nämlich der der japanischen Regierung, mehr als 1,3 Billionen US-Dollar veranlagt hat, kann man sich die Größenordnung vorstellen. Und dann sind da die Aktienfonds, die ihren Anlegern Renditen von 20 bis 25 Prozent in Aussicht stellen. Sie investieren nichts. Ihnen geht es darum, sich das beste Ackerland mit ausreichend Wasser und Zugang zum Markt bzw. zum nächsten Hafen zu sichern. Unter Fonds Managern, so sagen die, die Zugang zu diesen Zirkeln haben, spricht man weniger von der Sicherung von Land, sondern von Wasserressourcen, dem knappen Gut von morgen. Man hört immer wieder das Argument, in instabilen Ländern sei das Risiko hoch, das müsse man sich mit höheren Profitmargen abgelten lassen.

Da Details über diese Geschäfte meist wie Staatsgeheimnisse gehütet werden, sind konkrete Zahlen rar. Grain schätzt die Flächen, die von ausländischen Investoren in den letzten Jahren aufgekauft oder gepachtet wurden, auf 60 bis 80 Millionen Hektar. Da sich auch die Weltbank auf Datenmaterial von Grain stützt, dürften diese Zahlen nicht zu hoch gegriffen sein.

Ziel solcher Investitionen ist vor allem Afrika. So übt die dünn besiedelte Region Gambela im westlichen Äthiopien eine besondere Anziehung auf Investoren, vor allem aus Indien, aus. Zuerst kam die Karuturi Gruppe, das sind die weltgrößten Produzenten von Schnittrosen, im Jahr 2008. Dann 2010 Jahr die Ruchi Soya Gruppe und zuletzt BHO Agro Public Limited Company. Das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung hat BHO 27.000 Hektar zur Pacht versprochen. BHO will dort Plantagen für Agrosprit anlegen. Karuturi hat 300.000 Hektar (das ist mehr als die Fläche von Luxemburg) in Gambela unter Pacht. Angebaut wird dort Weizen für den Export. Die Ruchi Group will auf 250.000 Hektar auch Agrosprit produzieren.

In den Werbebotschaften der Hedge-Fonds schwärmt man von Win-Win-Situationen: die Anleger lukrieren fette Renditen, die Regierungen nehmen Steuern ein und die Dorfgemeinschaften können sich über Jobs freuen. Tatsächlich verspricht sich etwa die äthiopische Regierung von diesen Investitionen erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Der Äthiopier Nyikaw Ochalla von der Anuak Survival Organization, die sich für das Überleben des in Gambela und Südsudan lebenden Stammesvolks der Anuak einsetzt, berichtete letztes Jahr bei einem Besuch in Wien, dass lokale Bauern vor vollendete Tatsachen gestellt würden: "Investoren kaufen hinter ihrem Rücken das Land und lassen sie von privaten Sicherheitstrupps vertreiben.“ Weil die Anuak nachhaltige Rotationswirtschaft betreiben, wirke das Land teilweise ungenutzt. "Jetzt wird dort Intensivanbau mit viel Chemie gemacht.“ Die Wasserressourcen würden dem nicht lange standhalten. Die nächste Hungersnot sei bereits vorprogrammiert. Betroffen seien auch die Nachbarländer, denn der Baro und drei weitere Flüsse, die das Gebiet von Gambela bewässern, sind wichtige Zubringer des Weißen Nils.

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