Globalisierung gestalten

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Der EU-Binnenmarkt funktioniert. Warum nicht das System auf die ganze Welt ausdehnen?

Globalisierung wird heutzutage häufig als Bedrohung empfunden, die Welthandelsorganisation (WTO) als eine ungenügende Organisation, die eher der Globalisierung Vorschub leistet, als sie zu bändigen, und die Doha-Runde hält man für gescheitert, wenn nicht gar für kontraproduktiv.

Nun ist manches, was an Kritik vorgebracht wird, durchaus berechtigt, vieles aber geht an den zentralen Fragestellungen vorbei.

Wer die Globalisierung ablehnt, muss sich die Frage stellen, was soll dann die Alternative sein? Ist es der autarke Nationalstaat früherer Zeiten, der die Schotten hochzieht und seine Wirtschaft nach außen schützt? Für Europa wäre dies ein kontraproduktives Modell. Wir leben vom Export, und jedes exportierte Gut ist irgendwo in der Welt Import. Daher müssen wir ein fundamentales Interesse daran haben, dass die Handelsgrenzen offen sind.

Globalisierung bedeutet internationale Arbeitsteilung. In der EU haben wir mit der Schaffung des Binnenmarktes

eine europäische Arbeitsteilung, und durchaus positive Erfahrungen damit gemacht. Was spricht daher dagegen, dieses Modell auf die weltweite Arbeitsteilung zu übertragen? Wenn jeder das macht, was er am besten kann, steigt weltweit der Wohlstand.

Jeder macht, ...

Ist das nicht ein Schlag ins Gesicht der Armen in der Welt, und der sozial Schwachen in unserer Gesellschaft? Führt das nicht zu mehr Arbeitslosigkeit, weil Produktionen nach China oder sonst wohin verlagert werden? Werden da nicht die Naturressourcen noch mehr ausgepowert? Fragen über Fragen türmen sich auf, aber alle miteinander können nicht das Konzept als solches entkräften, sondern sind vielmehr ein Beweis für eine mangelnde Gestaltung der Globalisierung.

Nun, sozial Schwache gibt es in jeder Gesellschaft und es liegt daher in erster Linie in der Verantwortung eines jeden Staates, statt für Turbokapitalismus für einen sozialen Ausgleich zu sorgen. Bestes Beispiel dafür ist Brasilien. Es ist ein Skandal, dass in diesem Land, das zu den größten Agrarexporteuren der Welt gehört und längst den Charakter eines Schwellenlandes angenommen hat, Millionen Menschen Hunger leiden müssen. Diesem Skandal kann man nur begegnen, wenn man jene Kräfte in der brasilianischen Gesellschaft stärkt, die auf sozialen Ausgleich bedacht sind. Es stimmt aber auch, dass vielen armen Staaten in Afrika mit Handelsliberalisierung nicht geholfen ist. Der Grund dafür ist aber nicht das Handelssystem, sondern die Tatsache, dass diesen armen Menschen niemand hilft, überhaupt handelsfähige Güter herzustellen. Hier braucht es zunächst eine funktionierende Infrastruktur, Basisdienstleistungen im Bereich Bildung und Gesundheit und vieles andere mehr. Hier ist das Modell der europäischen Strukturpolitik gefragt, mit dem es gelingen sollte, solchen armen Staaten die Teilnahme an der Marktwirtschaft überhaupt zu ermöglichen.

... was er ...

Wenn es aber Staaten schaffen, die Schwelle in die Marktwirtschaft zu überschreiten, müssen sie sich auch am internationalen Handel beteiligen können. Das bedeutet natürlich auch neuen Wettbewerb und eine Verschiebung von Produktionsstandorten. Das ist unvermeidbar, weil nur so die Newcomer Chancen bekommen können. Das bedeutet dann aber auch die Frage an uns reife Volkswirtschaften: Was können wir am besten? Vorwiegend das, wobei "Know-how" die entscheidende Rolle spielt.

... am besten kann

Der Ruf nach einer stärker wissensbasierten Wirtschaft ist daher der Schlüssel für den Erhalt unseres Wohlstandes. Wir können durch effizientere Verfahren Ressourcen sparen und die Produktivität steigern, wir sind im Stande, durch Innovationen Terrain in der Industrie und im Dienstleistungssektor gut zu machen. Wir sollten die Weltmeister im Know-how-Export sein. "Und nach kurzer Zeit haben dann die Chinesen unsere Patente kopiert", wird mancher China-Handelsgeschädigte einwenden.

Einen besseren Beweis für die Wichtigkeit der WTO kann man kaum nennen. Ja, Globalisierung lässt sich nur gestalten, und der Welthandel ist nur dann von Vorteil, wenn es funktionierende Regeln und entsprechende Sanktionen gegen Regelverstöße gibt. Es ist daher gefährlich, wenn das auf Regeln basierende multilaterale System der WTO von Unilateralisten - Leuten, die glauben, es genüge die Handelsbeziehungen bilateral zu regeln - in Frage gestellt wird.

Wer mehr Handelsfreiheit will, muss auch für international geltende Handelsregeln eintreten. Dass die bestehenden Regeln stark verbesserungsbedürftig sind, ist kein Argument dagegen, sondern ein Argument, die Verhandlungen zu deren Verbesserung wieder aufzunehmen.

Dann kann geistiges Eigentum geschützt und Raubkopien können bestraft werden. So kann auch Dumping verhindert werden. Man muss aber auch bereit sein, auf besondere Sensibilitäten der Beteiligten einzugehen, etwa gerade im Bereich des Agrarhandels. Dann können bürokratische Handelsbarrieren abgebaut und Vergabepraktiken überprüft werden. Und wenn sich Einzelne Handelsvorteile aus Verstößen oder aus der Nichtteilnahme an internationalen Verträgen verschaffen, können Sanktionen verhängt werden, und vieles mehr.

Man soll jedoch die Welthandelsorganisation

nicht überstrapazieren. Sie ist keine Ersatz-Weltregierung und kann auch nicht für die Mängel in anderen internationalen Einrichtungen herhalten. Themen wie soziale und ökologische Standards, Entwicklungszusammenarbeit, Wahrung der Menschenrechte, innere und äußere Sicherheit, Forschung und Entwicklung und das Bank-und Finanzwesen sind anderswo zu regeln, und nicht in der WTO.

Der Autor ist Präsident des Ökosozialen Forums Österreichs und war von 1999 bis 2004 in der Europäischen Kommission für Landwirtschaft, ländliche Entwicklung und Fischerei zuständig.

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