Goldene Nase für Verlierer

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Hans Herbert von Arnim schrieb ein weiteres Buch über die Demontage der Demokratie.

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Hans Herbert von Arnim schrieb ein weiteres Buch über die Demontage der Demokratie.

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Eine grausame Bestandsaufnahme der deutschen realen Demokratie bringt Hans Herbert von Arnim auch in seinem jüngsten Buch "Vom schönen Schein der Demokratie - Politik ohne Verantwortung, am Volk vorbei". Arnim ist Professor an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer. Es gibt genug Menschen, die mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden sind und meist polemisch das gegenwärtige System und seine Auswüchse kritisieren. In Deutschland ist es noch nicht ganz so weit, aber Österreich bietet wohl das unerfreulichste Anschauungsmaterial dafür, wohin ein Land geraten kann, wenn die etablierten Parteien nicht bereit sind, die Kritik an den Verirrungen der Demokratie rechtzeitig ernst zu nehmen und wenn das Parteienspektrum dann nur noch Koalitionsmöglichkeiten bietet, die den demokratischen Konsens bis zum Zerreißen beanspruchen. Das Faszinierende an Arnims Buch liegt vor allem in seiner Trockenheit. Zwar merkt man den Zorn in seiner Brust, doch der Autor ist Fachmann. Hier gibt es keine Polemik, sondern harte Tatsachen, und die wirken im Endeffekt weit stärker.

Das deutsche Grundgesetz, stellt der Autor fest, sei von Anfang an so ausgearbeitet worden, dass der Bürger möglichst wenig direkten Einfluss hatte. Das hänge mit geschichtlichen Entwicklungen zusammen. Zum Einen seien die Wurzeln "im Scheitern der Revolution von 1848 und in der Revolution von oben durch Bismarck" zu suchen. Zum Anderen in der Distanz großer Teile der geistigen Elite zu Wirtschaft und Finanzen. Denn wir wissen, schreibt er, "gerade aus der Wirtschaft, in welchem Maße der Output eines Systems von Systemdeterminanten abhängt". Das konnten die Deutschen sehr gut an den Ostdeutschen sehen, dem selben Volk mit einem anderen System und daher völlig anderen Ergebnissen.

Grundanliegen Arnims ist die Frage nach dem Stand der Demokratie in Deutschland. Punkt für Punkt geht er die einschlägigen Gesetze durch, von der Bundes- zur Landes- und Kommunalebene. Er zeigt die Unterschiede zu vorbildlichen Schweizer und amerikanischen Gesetzen. Er zeigt, wie von Anbeginn alles getan wurde, um den Bürger vom Entscheidungsprozess fernzuhalten. Schlimmer noch, über die Jahre hinweg wurde langsam, aber sicher der demokratische Gehalt dieser Gesetze ausgehöhlt. So etwa auf Landesebene, wo die Kompetenzen der Landtage entweder durch Zusätze zu Landesgesetzen oder durch die neue Auslegung bestehender Gesetze zum Vorteil der "Landesfürsten" beschnitten wurden. Doch die Landesparlamente sind "Verlierer mit goldener Nase". Immer weniger Kompetenzen, immer weniger zu tun, immer höhere Bezüge.

Insgesamt habe sich eine "unheilige Allianz einer gewissen Richtung der Staatsrechtslehre, von Grundgesetzverteidigern und politischer Klasse" gebildet. So kam es dazu, dass die "sachliche Erörterung von Fragen der direkten Demokratie auch bei Politikern regelmäßig auf massive Widerstände stößt - nach dem Motto: right or wrong, my interest."

Vom schönen Schein der Demokratie Politik ohne Verantwortung am Volk vorbei. Von Hans Herbert von Arnim. Droemer Verlag, München 2000, 294 Seiten, geb., öS 326,-/e 23,69

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