"Gott muss nicht in die Verfassung"

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Herwig Hösele, derzeit amtierender Präsident des Bundesrates, zum Start des - von ihm schon seit langem propagierten - Österreich-Konvents: Ein Gespräch über die Frage, warum es diesmal mit der seit Jahrzehnten diskutierten Bundesstaatsreform klappen soll, über das Ziel einer neuen Verfassung - und die Sinnhaftigkeit, "Gott" darin zu verankern.

Die Furche: Was für Erwartungen verbinden sich für Sie mit dem Start des Österreich-Konvents?

Herwig Hösele: Ich bin sehr glücklich und dankbar, dass diese Idee, die vor einem Jahr noch von manchen als interessant aber unrealisierbar angesehen wurde, nun in diesem Halbjahr realisiert werden konnte. Ich hatte dabei insofern Glück, als die Zeit dafür jetzt einfach reif war: weil in langen Jahren die Einsicht gewachsen ist, dass dieses große Thema der Staatsreform angegangen werden muss.

Die Furche: Nun gibt es ja nach wie vor große Skepsis. Im Konvent werden all jene vertreten sein, die sich seit Jahrzehnten gegen jede Beschneidung ihrer Kompetenzen wehren; die "Kleine Zeitung" etwa meinte, man mache den Bock zum Gärtner. Zynisch gefragt: Warum soll es diesmal mit der Bundesstaatsreform klappen?

Hösele: Der eigentliche Erfolgsfaktor des Konvents ist, dass es eben nicht eine Expertenkommission ist. So etwas haben wir dreißig Jahre lang - mit jeder Menge ganz ausgezeichneter Vorschläge - gehabt. Der Vorsitzende des Konvents, RH-Präsident Franz Fiedler, hat selbst gesagt, er ist sehr dafür, dass die wichtigsten politischen Player der Republik von Anfang an eingebunden sind. Andernfalls bekomme ich ein sehr interessantes Reformpapier mehr - aber es ändert sich wieder nichts.

Die Furche: Trotzdem bleibt die Frage: Wer soll aus welchen Gründen plötzlich zu Abstrichen bei Macht und Einfluss bereit sein? Im Vorfeld des Konvents hat man ja schon gehört, was auf keinen Fall geändert werden darf - etwa, dass die Landtage nicht abgewertet werden dürften etc. Woher nehmen Sie den Optimismus für diesen Reformschwung?

Hösele: Die Inspiration war ja der EU-Konvent. Da hat es auch geheißen: Wie sollen die mit ihren verschiedenen Interessen auf einen gemeinsamen Nenner kommen. Aber was die bisher zu Stande gebracht haben - wenn man von den jüngsten Streitereien rund um Giscard absieht -, das war sehr beachtlich. Ich setze auf die Eigendynamik des Gesprächs. Jetzt sitzt ja jeder in seiner Festung: Die politischen Eliten in Wien sagen, wir wissen genau, wo zu sparen ist - bei den Ländern und Gemeinden; die in den Ländern sagen, die in Wien wollen uns alles wegnehmen. Ich möchte eine Win-win-Situation für alle schaffen - und der Hauptgewinner muss der Bürger sein, sag' ich dazu. Die Staatsreform kann ja nicht ein intellektuelles Glasperlenspiel für einige Verfassungsrechtler sein. Am Ende soll ein schlankerer, demokratischerer, überschaubarerer Staatsaufbau stehen. Und das müsste im Interesse aller sein, auch aller Gebietskörperschaften. Die letzte Bundesstaatsreform stammt aus dem Jahr 1992. Damals hat sich noch niemand wirklich vorstellen können, was es heißt, Mitglied der EU zu sein. Inzwischen wissen wir, was das bedeutet, der Reformdruck ist seither größer geworden. Kurz: ich glaube, das Bewusstsein für die Notwendigkeit eines großen Sprungs ist wesentlich stärker ausgeprägt als früher. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich da jetzt 70 hochkarätige Konventsmitglieder zusammensetzen und nach 18 Monaten sagen, wir haben nichts zu Stande gebracht.

Die Furche: Was den Bundesrat betrifft, so zieht sich durch die Diskussionen der letzten Jahrzehnte wie ein Ostinato der Satz: "Aufwerten oder abschaffen". Für's Abschaffen werden Sie nicht sein, nehme ich an - was sind Ihre Perspektiven für dieses Gremium?

Hösele: Ich gehe davon aus, dass wir ein Bundesstaat sind und das auch bleiben wollen. Zum Bundesstaat gehört einerseits, dass es autonome Bereich der Länder und Gemeinden gibt und andererseits die Mitwirkung der Länder an der Bundesgesetzgebung. Dazu müsste der Bundesrat als Instrument wirksamer gemacht werden. Das Hauptproblem des Bundesrates ist ja nicht seine vorgebliche oder tatsächliche Kompetenzarmut, sondern, dass er nicht nach Länderinteressen sondern nach parteipolitischen Interessen abstimmt. Das gehört aufgebrochen, da muss es gelingen, den Bundesrat aus dieser Klammer herauszubekommen und ihn zu einer echten Länderkammer zu machen - was er ja der Theorie nach ist. Mein Vorschlag dazu ist, in Richtung des deutschen Modells zu gehen und alle Landeshauptleute dazu zu gewinnen, in den Bundesrat zu gehen.

Die Furche: Stark unter Beschuss der Föderalismuskritiker stehen die Landtage ...

Hösele: Es muss grundsätzlich erlaubt sein, alles radikal in Frage zu stellen - auch, um sich nicht im Klein-klein zu verlieren. Vielleicht kommt man dann bei manchem zum Schluss, dass es zwar unverzichtbar aber nicht unveränderbar ist. Das ist etwa meine Meinung zu den Landtagen: Ich brauche regionale Abgeordnete, Ombudsmänner und -frauen; ich brauche jemanden, zu dem man am Sonntag nach der Kirche hingehen kann und sagen: "Es Trotteln, es, wos hobt 's 'n do scho wieder in Brüssel beschlossen" - auch wenn es gar nicht in Brüssel beschlossen worden ist. Die Länder sind historisch gewachsene Einheiten, aber nicht nur das - es gibt ja auch Überkommenes: sie sind sehr lebendig, weil die Landeszugehörigkeit einfach einen Teil der Identität der Menschen ausmacht. Darüber kann man nicht hinweggehen. Man kann aber sehr wohl darüber nachdenken, ob neun Mal die selbe Brüsseler Verordnung beschlossen werden muss.

Die Furche: Sachlich gesehen ein Nebenthema, ideologisch aber sehr aufgeladen ist die Frage, ob "Gott" in einer allfälligen Präambel einer künftigen Bundesverfassung erwähnt werden soll. Wie stehen Sie dazu?

Hösele: Jede Demokratie braucht Werte. Zudem ist Europa wesentlich vom Christentum geprägt. Persönlich hielte ich es durchaus für positiv, wenn man dem Rechnung trägt - es gibt ja hier einen entsprechenden Vorschlag. Ich würde das aber nicht zu einer Fahnenfrage machen, daran dürfte eine Neukodifizierung der Verfassung nicht scheitern. Die Grundfrage ist, ob ich eine Verfassung habe, die Werte festschreibt, oder eine, die nur die Spielregeln festlegt, wie die jetzige. Ich kann mit beidem leben - bevorzugen würde ich die Variante mit einer Präambel, wobei "Gott" darin auch nicht unbedingt vorkommen muss.

Das Gespräch führte Rudolf Mitlöhner.

Grün-weiße Ideen für Rot-weiß-rot

Dass der Start des Österreich-Konvents in seine Amtszeit als Präsident des Bundesrats fällt, ist wohl so etwas wie ein Höhepunkt in der politischen Laufbahn des 1953 geborenen Grazers Herwig Hösele. Er gehört zu den Vätern dieser Idee, wonach - in Analogie zum EU-Konvent - ein "Masterplan für Österreichs Staatsaufbau im 21. Jahrhundert" zu erarbeiten sei. Mit der Sitzung des Gründungskomitees Anfang Mai ist der Konvent nun auf Schienen gesetzt worden: Bis Ende 2004 soll - unter dem Vorsitz von RH-Präsident Franz Fiedler - die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden neu geregelt und eine entrümpelte, überschaubare, transparent-verständliche Verfassung erarbeitet werden.

Hösele gehört dem Bundesrat seit 2000 an; von 1981 bis 1995 war er Pressesprecher des damaligen steirischen Landeshauptmanns Josef Krainer, seit 1996 koordiniert er die Öffentlichkeitsarbeit für Krainers Nachfolgerin Waltraud Klasnic. Zudem ist Hösele, der als Journalist bei der "Südost-Tagespost" begonnen hatte, Herausgeber des Parteiwochenblattes "Die Steirische".

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