Griss und der Lackmustest

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Um die lange (fast) wahlfreie Zeit zu verkürzen, starten wir einmal in das Rennen um die Hofburg. Das allerdings verspricht diesmal durchaus spannend zu werden.

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Um die lange (fast) wahlfreie Zeit zu verkürzen, starten wir einmal in das Rennen um die Hofburg. Das allerdings verspricht diesmal durchaus spannend zu werden.

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Kaum wurde allseits versichert, dass es nun, nach den Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien, bis auf die Bundespräsidentenwahl drei Jahre lang keine Wahl gebe und mithin sachorientierter politischer Arbeit nichts im Wege stehe, befasst sich die politmediale Blase hingebungsvoll mit - erraten: der Bundespräsidentenwahl. Die steht nun tatsächlich in einem halben Jahr an - und sie könnte wirklich spannend werden. Die bisher genannten Kandidatinnen und Kandidaten sind allesamt zumindest respektabel, keinem von ihnen wird man die Eignung für das Amt von vornherein absprechen können. Besonders erfreulich ist, dass es diesmal eine ernstzunehmende Kandidatin geben dürfte, die nicht einer bestimmten Partei zugeordnet werden, der man aber dennoch Haltung zutrauen kann: die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss.

In ihren ersten Interviews wird sie wohl gemerkt haben, was es für einen Unterschied macht, ob man sich (eventuell) für ein politisches Amt bewirbt, oder "nur" als Vorsitzende der Hypo-Kommission befragt wird. Hier braucht es noch Trittsicherheit und Entschiedenheit - einfach zu antworten, was einem der Hausverstand sagt (und vermutlich viele Zuseher ebenfalls denken), reicht da nicht aus.

Klestil und der 4. Februar 2000

Wobei sie in jener Frage, der für die meisten (ORF-)Journalisten offenbar als Lackmustest der richtigen Gesinnung gilt, eine erfrischend pragmatische Unbekümmertheit gezeigt hat: wie sie es nämlich mit der FPÖ halte. Das wird ihr zwar mit Sicherheit seitens des juste milieu - wenn auch zu Unrecht - als Sympathie oder Naheverhältnis ausgelegt werden, dürfte aber in der wirklichen Zivilgesellschaft als das empfunden werden, was es ist: eine demokratiepolitische Selbstverständlichkeit. Im übrigen sollte sich jeder, der sich um den Platz an der Staatsspitze bewirbt, an Thomas Klestil und den 4. Februar 2000 (den Tag der Angelobung der Bundesregierung Schüssel I) erinnern, um zu wissen, wie man sich selbst und das Amt beschädigen kann. Zurecht wies Griss darauf hin, dass es nicht am Bundespräsidenten sei, einen Kanzler Strache zu verhindern, sondern dass ein dieser Möglichkeit zugrundeliegendes allfälliges Wahlergebnis Resultat vorhergehender politischer Prozesse und Entwicklungen sei.

Helvetische Unaufgeregtheit

Ein weiterer Zulauf zur FPÖ könnte, so ließe sich weiterführend hinzufügen, auch damit zusammenhängen, dass die ÖVP "sich einmal mehr nicht zu entscheiden (vermochte), was sie nun eigentlich ist: eine bürgerliche Partei mit christlich-konservativem Einschlag oder eine 'Sozialdemokratie light', die ihre Umverteilungspolitik als Sorge um die Familien tarnt". Das allerdings schrieb NZZ-Chefredakteur Eric Gujer über die Schweizer Christdemokraten (CVP) Seinen Kommentar zu den hierzulande aufgeregt als "Rechtsruck" rezipierten eidgenössischen Wahlen übertitelte Gujer, nebenbei bemerkt, mit "Rückkehr zur Normalität". Soviel Unaufgeregtheit muss sein.

Wer eine Regierungsbeteiligung der FPÖ um jeden Preis verhindern will, hätte jedenfalls bis vor Kurzem eine Möglichkeit gehabt, für die etwa Anton Pelinka in dieser Zeitung schon in den 1960er-Jahren eingetreten ist (siehe auch letztwöchiges "Anno dazumal"): die "Herausbildung eines parlamentarischen Zweiparteiensystems" durch Einführung eines Mehrheitswahlrechtes. Das hätte - abgesehen von der FPÖ-Frage - in der Tat einiges für sich gehabt. In der derzeitigen politischen Situation dürfte eine solche Maßnahme freilich, wenn man den Umfragen glaubt, eher nicht der ursprünglichen Intention Pelinkas dienen - weswegen man wohl auch ausschließen kann, dass es dazu kommt. Die Regierungsbildung (spätestens) 2018 könnte dennoch pikant werden - wer immer dann in der Hofburg sitzen mag.

rudolf.mitloehner@furche.at

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