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Grundsteuer ruiniert die Städte

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Jedermann, der an der Erhaltung der überkommenen Städte- und Ortsbilder überhaupt und der historisch wertvollen Gebäude im besonderen interessiert ist, muß sich angesichts der derzeitigen Demolierungswelle mit bangem Herzen fragen, wieso denn immer wieder die Besitzer solcher Häuser oder Gärten ihren Besitz abverkaufen und damit fast immer der Demolierung des Altbestandes und restlosen Neu-Verbauung zuführen. Zahlreiche wertvolle Bauten, darunter folche, die unter Denkmalschutz Stan-

den, sind in den letzten zehn Jahren aus unseren Städten und Landorten verschwunden. Zurück blieb meist eine wüste Trümmerstätte, oder es stehen bereits an der Stelle der abgerissenen alten Häuser mehr oder weniger häßliche Neubauten.

Vor allem ist an dieser bedauerlichen Entwicklung der sogenannte Mieterschutz schuld, denn in diesen alten Häusern stehen meist alle Wohnräume unter Mieterschutz. Der Eigentümer hätte, wenn er nicht durch die völlige Erträgnislosigkeit seines Objektes dazu gezwungen wäre, kaum seine Hand zur Abtragung seines Hauses geboten. So aber hat er keinerlei Anreiz, das Haus zu erhalten. Dazu kommt noch, daß verfehlte und übrigens verfassungswidrige Bestimmungen des Mietengesetzes den Hausbesitzer ermächtigen, wenn er das Haus demolieren will, die darin wohnenden Hausparteien ersatzlos zu kündigen. Demoliert er aber das Haus nicht, so kann er den Mieter nur dann herauskriegen, wenn er ihm eine andere Wohnung „gleicher Lage und Beschaffenheit“ anbietet. Diese Bestimmungen des Mietengesetzes haben sich in den letzten zehn Jahren geradezu als Spekulantenförderungs-Paragraphen ausgewirkt.

Zur Demolierung gezwungen

Vor dem Krieg waren diese Verhältnisse noch nicht so überspitzt, weil die Entwertung des Schillings vor 1938 sehr gering war oder überhaupt nicht in Erscheinung trat. Nun aber, nach dem Zweiten Weltkrieg, begann — besonders seit 1948 — ein rasanter Geld-wertverfall; er war beim Hausbesitz 'nur insoferne noch erträglich, als wenigstens der Hauswert bestehen blieb. Als aber mit 1. Jänner 1956 die neuen Einheitswerte auf Grund des Bewertungsgesetzes 1955 und des darauf basierenden Grundsteuergesetzes 1955 in Kraft traten, brachten .sie eine sprunghafte Erhöhung der Grundsteuer mit sich, die sich auf das Zwei- bis Zwölffache des bisherigen Steuersatzes belief. Es ist jedermann sofort klar, daß unter diesen Umständen die Besitzer völlig erträgnisloseT Objekte durch die Grundsteuer direkt gezwun-

gen wurden, die Demolierung ihrer Häuser zu betreiben. Erhaltenswerte Häuser, ebenso wie Schlösser, Palais, Theatergebäude, leider auch die dazugehörigen Gärten und Parks, wurden dieserart auf kalte Weise „enteignet“. Dies war bekanntlich auch der Grund dafür, daß die drei schönen Privattheater in Wien (Scala, Bürgertheater und Stadttheater), obwohl sie gar nicht baufällig waren, niedergerissen wurden: sie standen leer, das heißt, sie hatten keinerlei Erträgnis; im Gegenteil, sie brauchten eine Menge Geld

für ihre Erhaltung. Aber die enormen Grundsteuern mußten ihre Besitzer zahlen. Die Folge dieser sinnlosen Besteuerungsmaßnahmen war die Demolierung dieser Theatergebäude.

Der Rechtsstaat blieb auf der Strecke

Da nun die Grundsteuer eine Gemeindesteuer ist, betrieben die Gemeinden fast allenthalben eine starke Hinaufsetzung der Grundsteuern, um ihre Finanzen aufzubessern. Die sehr anfechtbare Art und Weise der Festsetzung der „Einheits werte“ trug das

ihrige dazu bei, diese übermäßig hinaufzusetzen. Als der Nationalrat das Bewertungsgesetz 1955 beschloß, war von vornherein klar, daß dieses zum Teil verfassungswidrig war. Insbesondere war es bedenklich, daß das Gesetz dem Finanzministerium ein zu weites Pouvoir gab, mittels Verordnungen die Bestimmungen der Einheitswerte genauer festzusetzen. Die Bewertungsverordnung 1956 (Bundes-gesetzbl. 109), die auf Grund des Bewertungsgesetzes erfloß, tat ein übriges dazu, die Einheitswerte noch höher ' hinaufzutreiben. Gewiß, mehrere wichtige Partien dieser Verordnung wurden indessen vom Verfassurtgsgerichtshof als gesetzwidrig aufgehoben; doch wirkt diese Aufhebung nicht zurück, das heißt die gesetzwidrig überhöhten Grundsteuern bleiben weiter bestehen, bis nicht eine neue Einheitswertfeststellung erfolgt. Nicht nur der Rechtsstaat blieb bei solchen Methoden der Besteuerung auf der Strecke, sondern vor allem der Althausbesitz.

Wo ist der Ertrag?

Durch diese überhohe Grundbesteuerung sind vor allem schwer getroffen: die Einfamilienhausbesitzer, die Villenbesitzer, die Schloß- und Palaisbesitzer, aber nicht nur mit ihren Häusern, sondern vor allem mit ihren Gärten und Parks. Denn die Gemeinden haben es auf Grund der famosen Einheitsbewertungsvorschriften in der Hand, alle Parks, Gärten und sonstigen privaten Grundflächen so hoch zu besteuern, als ob sie schon mit hochwertigen Häusern bebaut wären. Die Einheitswertbesteuerung oder besser gesagt, die Besteuerung des Grundes und Bodens (einschließlich der darauf stehenden Häuser) nach dem Werte, wäre ohne weiteres tragbar, wenn die Bewertung nach dem Ertragswert erfolgt, so wie dies vor dem Krieee der Fall war. Damals wurden die Häuser und auch der unbebaute Grund nach dem faktischen Ertrag oder zumindest doch nach einem angenommenen Einheitsertrag (Kntastralreinertrag) oder auf andere ähnliche Weise, also immer irgendwie mit dem Ertrag zusammenhängend, besteuert. Heute aber liegen die Dinge so, daß Haus- oder Grundverkäufe fast immer aus spekulativen Erwägungen erfolgen. Diese Spekulationsverkäufe werden von den Schätzstellen und Gemeinden nun dazu benützt, die Einheitswerte der benachbarten Liegenschaften enorm hinaufzutreiben: der „ruhige“ Hausbesitz wird also dafür bestraft, weil andere Bodenspekulationen betreiben-

Zu all diesen schweren Bedrückun-

gen des Haus- und Grundbesitzes im Gefolge der neuen Einheitsbewertung kommen noch die neuen Lasten, die die Einkommensteuernovelle 1960 den Besitzern selbstbewohater Häuser — gleichgültig ob es sich um das bescheidenste Einfamilienhaus oder um ein Palais oder Schloß handelt — brachte. Während sie früher den „Mietwert“ ihres Hauses so versteuern mußten, als ob das Haus, von mietengeschützten Mietern bewohnt wäre, es handelte sich ja meist um Althäuser, die, wenn sie vermietet wären, dem Mietengesetz unterlägen — brachte diese Novelle den zu versteuernden Mietwert nunmehr mit dem Einheitswert in Verbindung. Das bedeutete wieder eine ungeheure Belastung aller jener Häuser, welche die Besitzer selbst bewohnen. Ein bekanntes Wiener Stadtpalais, das als Juwel des Barocks zu bezeichnen ist, wurde auf diese Art mit einem „Mietwert“ von 700.000 Schilling (!) eingestuft. Von diesem „Mietwert“ muß also der unglückliche Besitzer Einkommensteuer zahlen. Auch diese Regelung ist ausgesprochen verfassungswidrig, da sie eine ungleiche Behandlung der Hausbesitzer mit sich bringt. Der Verein für Denkmal- und Stadtbildpflege hat daher den Kampf gegen dieses Steuerunrecht an den Besitzern von Althäusern aufgenommen, weil es sinnlos erscheint, einen Denkmal- und Naturschutz für Häuser und Grünflächen anzustreben, wenn diese den Besitzer nur ungeheuer belasten. Solange es diese Einheitsbewertung gibt, solange werden die Besitzer von

Althäusern trachten, diese loszuwerden, das heißt fast immer, sie der Bauspekulation auszuliefern, also demolieren zu lassen. Solange es auch diese „Mietwertbesteuerung“ nach der Einkommensteuernovelle 1960 gibt, solange wird der Besitz selbstbewohnter Häuser aller Art zu einem schweren Opfer für den Eigentümer.

Das Bundesministerium für Finanzen, an das sich der Verein wandte, hatte für diese Anliegen wenig Verständnis. Es ist ganz unfaßbar, was für laienhafte Ansichten eine Behörde über die Folgen der Einheitswertfeststellung gemäß dem Bewertungsgesetz 1955 haben kann. Immer wieder versuchte man unsere Bedenken damit zu zerstreuen, daß man auf den 28 des Bewertungsgesetzes hinwies, der eine Ermäßigung für Liegenschaften vorsieht, die Bedeutung für Kunst, Wissenschaft oder Geschichte besitzen. Hierzu ist zu bemerken, daß diese Ermäßigungen einen viel zu geringen Umfang haben, als daß sie praktisch wirksam werden könnten-

Während sich die Landes- und Stadtplaner bemühen, für eine Auflockerung der Städte zu sorgen, drängt der Grundsteuergesetzgeber dahin, daß jedes Fleckchen Grünland verbaut wird — denn wer nicht verbaut, den richtet die Grundsteuer zugrunde! Wie viele Parks, Gärten und sonstige Grünflächen sind seit dem Inkrafttreten der hoh^n Grundsteuern verbaut worden! Das ist daher eine ganz unverantwortliche Sache, diese Grundsteuer.

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