Grundwasserspiegel der Solidarität erhöhen

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Ein konkreter Vorschlag, um dem Finanzminister die Angst vor dem Verlust der (Be-)Steuerbarkeit zu nehmen.

Es gibt wenige Länder in Europa - von den USA ganz zu schweigen - wo das Spenden weniger gefördert wird als in Österreich. Und dennoch gibt es ein enorm hohes Maß an Solidarität mit den Schwächeren in Österreich und in der ganzen Welt, dass sich jährlich auch im hohen Spendenaufkommen niederschlägt.

Eine Spende ist mehr als eine bloße Überweisung von Geld. Spenden ist ein bewusster Akt der Solidarität. Eine Spende entsteht aus Betroffenheit, Mitgefühl und dem Wunsch etwas zu tun. In diesem Sinne ist jede Spende eine persönliche Bereicherung des eigenen Lebens und eine Anreicherung der Gesellschaft um Solidarität.

Die soziale Verantwortung von Unternehmen ist ein Thema, dass in Zeiten der Globalisierung durchaus immer wieder vorwurfsvoll in die Diskussion eingebracht wird. Das "social sponsoring" kein Mega-Trend in der Wirtschaft ist, hat aber auch damit zu tun, dass entsprechende Anreize fehlen. Viele Unternehmen haben großes Interesse an einer Kooperation mit Hilfsorganisationen. Wenn aber damit kein entsprechender Werbewert verbunden ist, bleiben Kooperationen im Ansatz stecken. Gerade wo Kooperationen über Jahre gepflegt werden, erhöht es die Motivation der Mitarbeiter und deren Sensibilität für die sozialen Nöte dieser Welt.

Weder die "persönliche Bereicherung" von privaten Spendern, noch die soziale Verantwortung von Unternehmen werden in Österreich entsprechend unterstützt. Im Gegenteil, Spenden wird von der öffentlichen Hand eher behindert als gefördert. Dabei stehen wir als Hilfsorganisationen vor der Situation, immer mehr Aufgaben übernehmen zu müssen, die der Staat nicht mehr bewältigen kann oder will: Die Betreuung behinderter Menschen, die Pflege sterbenskranker Menschen, die Unterbringung von Flüchtlingen, die nicht in Bundesbetreuung aufgenommen werden.

All das sind Aufgaben, zu denen sich die öffentliche Hand immer wieder bekennt. Die Finanzierung ist aber keineswegs gesichert. In vielen Bereichen tragen die öffentlichen Kostenersätze nicht einmal den laufenden Betrieb. Investitionen und Mehrleistungen im Sinne einer höheren Betreuungsqualität sind nur möglich durch die Solidarität von vielen Menschen in unserer Gesellschaft, die sich in Geld- und Zeitspenden ausdrückt. Davon profitieren aber nicht nur jene Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind. Es profitiert auch der Staat. Gäbe es diese Einrichtungen nicht, müsste die öffentliche Hand die Leistungen selbst erbringen und finanzieren.

Wer sich die Bürgergesellschaft auf die politischen Fahnen heftet, muss auch über die Rahmenbedingungen nachdenken. Dazu ein konkreter Vorschlag um dem Finanzminister die Angst vor dem Verlust der (Be-)Steuerbarkeit zu nehmen. Wagen wir doch bei der nächsten Steuerreform ein Experiment:

* Nehmen wir bestimmte Felder als steuerpolitisches "Experimentierfeld": die Unterstützung der Flüchtlings- oder Obdachlosenarbeit und der Entwicklungshilfe, wo einerseits eine staatliche Verpflichtung für eine Grundversorgung oder eine internationale Verpflichtung besteht, die derzeit nur mangelhaft erfüllt wird.

* Grenzen wir das Experiment auf eine Legislaturperiode ein, um abschätzen zu können, welche Größenordnungen sich entwickeln.

* Adäquate Obergrenzen für private Haushalte und Unternehmen können helfen, die Dynamik in Grenzen zu halten,

* Und wagen wir den Schritt, Erfahrung zu sammeln und international ein wenig aufzuholen.

Wenn dadurch der Grundwasserspiegel der Solidarität in der Gesellschaft um einige Zentimeter steigt und damit Menschen in Österreich und an einigen Orten der Welt ein menschenwürdigeres Leben führen, wird sich das Experiment lohnen. (Fortsetzung nicht ausgeschlossen.)

Der Autor ist Generalsekretär der Caritas Österreich.

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