Gute Absichten - aber schlechte Bilanz

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Nach der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls durch den Nationalrat ist es angebracht, eine Bilanz der Bemühungen Österreichs in Sachen Klimaschutz zu ziehen.

Derzeit erlebten wir die wärmste Periode der letzten 1.000 Jahre, stellte die Wiener Klimatologin, Univ. Prof. Helga Kromp-Kolb, vor einigen Monaten in einem Interview fest. In den letzten 150 Jahren habe die Erwärmung beispielsweise in Österreich 1,8 Grad betragen. Wir seien also schon mitten im Klimawandel. Auf die Frage, ob Bremsmanöver da überhaupt noch einen Sinn hätten, lautete ihre Antwort: Ja - aber "mit Maßnahmen, die weit über das hinausgehen, was das Kyoto-Protokoll verlangt."

Zeichnen sich solche Korrekturen derzeit auch nur annähernd ab? Nein, aber der Kyoto-Prozess selbst ist wenigstens im Gange. Allein das ist schon ein Hoffnungsschimmer. In Kyoto verpflichteten sich 1997 nämlich die 38 wichtigsten Industriestaaten, ihren Ausstoß an Klimagasen - Kohlendioxid (CO2), Methan, Lachgas und drei fluorierte Gase tragen am meisten zum Treibhaus-Effekt bei - bis 2010 um 5,2 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern.

Dieser Entscheidung war ein zähes Ringen vorausgegangen - und eine lange fruchtlose Debatte um ihre Umsetzung gefolgt. Als die Bush-Administration den Ausstieg der USA aus den Vereinbarungen erklärte, schien das Ende der global akkordierten Klimapolitik gekommen. Überraschenderweise einigte man sich Ende des Vorjahres bei dem Klimagipfel in Marrakesch dann doch auf eine Lösung ohne die USA, den mit Abstand größten Verschmutzer.

Sobald 55 Staaten - die außerdem zusammen mindestens 55 Prozent der Emissionen produzieren müssen - die Kyoto-Vereinbarungen ratifiziert haben, werden diese international verpflichtend. In Österreich fand die Ratifizierung am 21. März durch einstimmigen Beschluss des Nationalrats statt. Ähnliches geschieht derzeit auch in anderen Ländern.

Man will gut dastehen

Anlass für die plötzliche Eile in Sachen Klimaschutz ist die bevorstehende Konferenz in Johannesburg. Sie versammelt die UNO-Mitglieder zehn Jahre nach dem Umweltgipfel in Rio, um zu prüfen, wie es mit deren Umsetzung der "Agenda 21" steht. In ihr hatten sich die Länder zu einer Politik der Nachhaltigkeit verpflichtet. Und da will man jetzt nicht allzu schlecht dastehen.

Österreich wird in Johannesburg also wenigstens auf die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls hinweisen können. Was die Erfolge im Klimaschutz anbelangt, schaut die Sache allerdings weniger gut aus. Denn seit 1990 sind die CO2-Emissionen - CO2 ist das bedeutendste Treibhausgas - um fast sechs Prozent gestiegen. Nimmt man alle Treibhausgase zusammen, kommt man auf ein Plus von 2,7 Prozent. Hauptverantwortlich für diesen Zuwachs sind die vom Verkehr erzeugten Abgase. Sie steigen trotz beachtlicher technischer Fortschritte (insbesondere bei der Senkung des Treibstoffverbrauchs pro Kilometer) laufend, seit 1980 um beachtliche 54 Prozent.

Im Vergleich zu den anderen EU-Ländern weist Österreich mit diesem Anstieg eine magere Klimaschutz-Bilanz auf. Denn die Gemeinschaft als Ganzes hat bereits die Hälfte ihres Reduzierungs-Plansolls (acht Prozent im Vergleich zu 1990) erfüllt. Besonders hervorgetan haben sich dabei die Deutschen, denen allerdings die Wirtschaftspleite in den östlichen Bundesländern in dieser Hinsicht "zugute" gekommen ist.

Will Österreich also seine Zielvorgabe erreichen, stehen ihm größere Anstrengungen ins Haus, umso mehr als sich die Regierung in Kyoto zu einer Verringerung der Treibhausgase um 13 Prozent verpflichtet hat. Im Vergleich zu heute heißt das Programm bis 2010 also: minus 18 Prozent bei den Emissionen.

Was dies größenordnungsmäßig bedeutet, rechnet der "Österreichische Biomasse-Verband" vor: Wollte man das Ziel etwa nur über die Reduzierung des Heizöl-Verbrauchs erreichen, so hieße das bis 2010, gänzlich auf die derzeit verbrauchten 3,5 Millionen Tonnen zu verzichten. Wollte man hingegen die Einsparung über den Verkehr verwirklichen, so müsste man diesen auf ein Drittel reduzieren. Man sieht also: Es geht um beachtliche Anstrengungen.

Erfolgreiche Ansätze

Klarerweise müssen diese an vielen Fronten ansetzen. Da geht es zunächst um die Substitution von fossilen Energieträgern durch erneuerbare. Auf dem Wärmemarkt - immerhin gehen 80 Prozent der von den Haushalten verbrauchten Energie für die Heizung auf - heißt das im wesentlichen Biomasse anstelle von Kohle, Erdöl und Erdgas. Mit Pellets- und Hackschnitzelheizungen wurden auf diesem Sektor Technologien entwickelt, die längst ihre Bewährungsprobe abgelegt haben. Auch sind die österreichischen Hersteller entsprechender Heizsysteme internationale Spitze.

Kleinwasserkraft, Windenergie und Biomasse sind weiters zukunftsträchtige Quellen der Stromerzeugung. Das Elektrizitäts-Organisations-Gesetz (ElWOG) sieht vor, dass bis 2007 vier Prozent der Elektrizität aus diesen erneuerbaren Quellen zu stammen habe. Was den Ersatz fossiler Brennstoffe durch Biomasse in der Stromerzeugung anbelangt, gibt es bereits erfolgreiche technische Lösungen für kalorische Kraftwerke. Bewährt hat sich die Technik vor allem in kleineren und mittelgroßen Anlagen, die sowohl Strom erzeugen, als auch Fernwärmenetze versorgen (Kraft-Wärme-Kopplung). Auf diese Weise wird die eingesetzte Energie besonders effizient genutzt.

Und damit ist ein zweiter wichtiger Zugang zum Erreichen von Klimaschutz-Zielen angesprochen: die wirksamere Nutzung von Energie. Hier bieten sich vor allem Maßnahmen im Bereich der Wärmedämmung von Gebäuden an. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist da die Umschichtung der Wohnbauförderung (in Österreich 290 Millionen Euro oder vier Milliarden Schilling) weg vom Neubau hin zur Althaussanierung, bei der vorgegebene Dämmwerte eingehalten werden.

Förderungen sind ein Weg, um die Bereitschaft zu Investitionen auf dem Energiesektor zu wecken. Ein anderer Ansatz sind neue Modelle zur Finanzierung von Energiesparmaßnahmen, die ja häufig daran scheitern, dass für sie kein Geld zur Verfügung steht. Zinsen und Kapitaldienst werden dabei aus den Energie-Einsparungen im Gefolge der Investition finanziert.

Öko-Steuern

Es gibt also in vielen Bereichen neue technische und wirtschaftliche Lösungen, die sich umso eher rechnen, je stärker die immer noch viel zu billigen fossilen Energieträger verteuert werden. Klimaschutz verlangt daher nach einer ökologischen Steuerreform, vor der Österreich allerdings nach wie vor zurückschreckt, die aber überfällig ist.

Eine solche Reform wird zwar in der im April von der Bundesregierung beschlossenen "Österreichischen Strategie zur Nachhaltigen Entwicklung" gefordert - aber nicht ausreichend konkretisiert. Dieses 122 Seiten umfassende Papier ist damit eine löbliche Auflistung aller nur erdenklichen Maßnahmen, um nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen: "Das Vorsorgeprinzip umsetzen", "Vielfalt erhalten", "Klare Signal setzen", "Mobilität nachhaltig gestalten", "Verkehrssysteme optimieren" liest. Ganz offensichtlich will die Regierung mit dem Papier, in Johannesburg beweisen, wie tief der Gedanke der Nachhaltigkeit im politischen Denken Österreichs verankert ist.

Viel Gutes, wie gesagt, aber Papier ist geduldig und die Maßnahmen, die es in Aussicht stellt, sind vage gehalten. Das liest sich dann so: "Anzustreben ist ... die schrittweise Einführung einer Lkw-Maut auf hochrangigen Straßen. In Betracht kommt hierbei auch eine schrittweise Anpassung und Reform der Mineralölsteuer; dabei ist auf das benachbarte Ausland Bedacht zu nehmen. Der Einsatz alternativer Treibstofftechnologie ... sowie alternativer Antriebstechnologien ... ist unter Beachtung von Ökobilanzen zu forcieren."

Stimmt alles. Nur redet man davon schon seit Jahrzehnten. Höchste Zeit, konkrete Ziele anzupeilen. Die Deutschen gehen da anders an die Dinge heran. In der ebenfalls im April verabschiedeten Nachhaltigkeitsstrategie bekommt man nämlich auch Zahlen vorgesetzt. Etwa: Reduzierung der Energieintensität bis 2020 auf die Hälfte, Verminderung der Transportintensität bei Gütern um fünf, bei Personen um 20 Prozent, Verringerung des Landschaftsverbrauchs von derzeit 130 Hektar pro Tag, auf 30 im Jahr 2020. In der Frage der Reduzierung der Treibhausgase über das von Kyoto geforderte Maß hinaus legen sich allerdings auch die Deutschen nicht fest.

Und dabei ist beim Klimaschutz dringender Handlungsbedarf gegeben. Denn "die Vorlaufzeiten für solche Maßnahmen sind groß. Klimawandel lässt sich nicht einfach stoppen," so Univ. Prof. Stefan Schleicher, Autor einer im April vorgestellten Studie der Grazer Uni über die Kosten des Klimawandels. Diese nehmen nämlich rasch zu: So sind die von witterungsbedingten Naturkatastrophen ausgelösten Schäden in den letzten 20 Jahren durchschnittlich um zwölf Prozent pro Jahr gestiegen. 2012 werden die Kosten des Klimawandels in Österreich insgesamt sechs Milliarden Euro betragen. Zeit also zu handeln, vor allem da selbst die vollständige Umsetzung der Kyoto-Ziele erst in 50 Jahren zu greifen beginnt.

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