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Haben die Bischöfe mehr Mut als 1974?

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Kommt es bald zu einem „Konzil” für Österreichs Kirche? Die Furche zitiert exklusiv aus den zwei im Auftrag der Pastoralkommission erstellten Gutachten der Kirchenrechtler Pri-metshofer und Kalb.

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Kommt es bald zu einem „Konzil” für Österreichs Kirche? Die Furche zitiert exklusiv aus den zwei im Auftrag der Pastoralkommission erstellten Gutachten der Kirchenrechtler Pri-metshofer und Kalb.

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Die Einberufung einer Kirchenversammlung für ganz Österreich fordern die Initiatoren des „Kirchenvolks-Begehrens” und der „Weizer Pfingstvision”. Die Pastoralkommission hat daher zwei, voneinander getrennte, Studien in Auftrag gegeben, wie dieser Wunsch realisiert werden kann. Das Ergebnis soll Ende September der Bischofskonferenz übergeben werden.

Der Furche liegen beide Gutachten schon jetzt exklusiv vor. Darin sprechen sich sowohl der Wiener Kirchenrechtler, Bruno Primetshofer, als auch sein Linzer Kollege, Herbert Kalb, gegen ein im Kirchenrecht vorgesehenes „Partikularkonzil” für Osterreich ab. Unterschiedlich ist ihre Meinung aber, in welcher Form der geforderte Geprächsprozeß stattfinden soll. Während Primetshofer die Wiederbelebung des Synodalen Vorgangs von 1974 vorschlägt, plädiert Kalb für einen nationalen Kirchentag.

Beide Juristen betonen, daß die katholische Kirche in Österreich nur eine sehr geringe Kompetenz besitzt, in den vom Kirchenvolks-Begehren angesprochenen Bereichen unmittelbar gesetzgeberisch tätig zu werden. Dies schließe aber keineswegs aus, daß die Bischofskonferenz nicht auf andere Weise versuchen sollte, dieVon den Initiatoren der Unterschriftenaktion formulierten Anliegen auf ihre Berechtigung zu prüfen und dementsprechen-de pastorale Strategien zu entwickeln und auch bezüglich rechtlicher Schritte initiativ zu werden.

Die Kirchenrechtler erklären, daß für die Behandlung der im Kirchenvolks-Begehren artikulierten Anliegen nur ein gesamtösterreichisches Gremium in Frage kommt. Primetshofer dazu: „Zum einen gehen die Anliegen über den Bereich der einzelnen Diözesen weit hinaus. Zum anderen würde die Abhaltung der vielen Diözesansyn-oden zu einer Zersplitterung der Kräfte führen, die ,Atomisierung' des gesamtösterreichisch formulierten Volksbegehrens in die einzelnen Teilkirchen kann sich für die Effizienz der zu treffenden Entscheidungen nur negativ auswirken.”

Ablehnend stehen die beiden Professoren auch dem von manchen als Modell für die Umsetzung des Gesprächsvorgangs geforderten Plenarkonzil, wie es das Kirchenrecht vorsieht, gegenüber.

Der Linzer Kirchenrechtler, Herbert Kalb, geht in seinem Gutachten genauer auf das Plenarkonzil ein. So weist er darauf hin, daß eine solche Versammlung nur mit Zustimmung des Heiligen Stuhls durchgeführt werden kann (can. 439 CIC). „Es obliegt der Bischofskonferenz, den Ort für die Abhaltung des Konzils festzulegen, den Vorsitzenden unter den Diözesanbischöfen zu wählen - dieser bedarf allerdings die Bestätigung des Apostolischen Stuhls den Beginn und die Dauer der Sitzungsperiode zu fixieren sowie das Konzil zu verlegen, zu verlängern und zu beenden (can. 441 CIC). Nach Beendigung der Versammlung sind alle Akten dem Apostolischen Stuhl zu übersenden.” Dekrete dürfen erst verabschiedet werden, wenn sie vom Papst für gut befunden wurden.

Bei einem Plenarkonzil, so das Gutachten von Herbert Kalb, kommt den Diözesanbischöfen, Koadjutoren und Weihbischöfen sowie Titularbischö-fen vom Gesetz her ein entscheidendes Stimmrecht zu (can. 443 1 CIC). Mit beratender Stimme nehmen die General- und Bischofsvikare aller Diözesen, Ordensobere, die Rektoren kirchlicher Universitäten sowie die Leiter der Priesterseminare teil. Laien können dazu nur als Berater eingeladen werden, müssen aber nicht. Ihre Zahl darf die Hälfte der Kleriker nicht übersteigen.

Aufgrund dieser strukturell bedingten Schwerfälligkeit eines Plen-arkonzils schlagen beide Kirchenrechtler Modelle außerhalb der universalkirchlichen Vorgaben vor. Bruno Primetshofer empfiehlt die Wiederbelebung des Österreichischen Synodalen Vorgangs von 1974. Seiner Meinung nach sollte ein solches Gremium ein reines Beratungsorgan für die Bischofskonferenz darstellen. Unerläßlich ist es aber, daß die der Bischofskonferenz angehörenden Bischöfe auch Mitglieder des Synodalen Vorgangs sind. „Unter dieser Voraussetzung scheint es zweitrangig, ob sie in den Abstimmungsvorgang selbst mit Stimmrecht eingebunden sind oder nicht”, schreibt Primetshofer.

Auf jeden Fall aber sollte, ähnlich wie im Statut des Österreichischen Synodalen Vorgangs von 1974, folgendes „Sicherheitsventil” für die Bischöfe verankert sein: „Erklärt die Österreichische Bischofskonferenz, daß sie einer Vorlage aus Gründen der verbindlichen Glaubens- und Sittenlehre der Kirche sowie der kirchlichen Disziplin nicht zustimmen kann, so ist zu dieser Vorlage eine Beschlußfassung der Vollversammlung des Österreichischen Synodalen Vorgangs nicht möglich. Eine erneute Verweisung der Sachfrage an die zuständige Sachkommission zur Erarbeitung einer neuen Vorlage ist damit nicht ausgeschlossen.”

Primetshofer unterstreicht, daß die Wiederbelebung des Synodalen Vorgangs formalrechtlich eines entsprechenden Beschlusses der Bischofskonferenz bedarf. Da es sich dabei um ein reines Beratungsgremium handelt, sei ein einfacher Mehrheitsbeschluß der Bischöfe ausreichend.

Der Linzer Jurist, Herbert Kalb, hält die Wiederbelebung des Synodalen Vorgangs nicht für zielführend. Er empfiehlt in seinem Gutachten, einen „Katholikentag” oder „Kirchentag” zu organisieren. Träger müßte unter anderem die Bischofskonferenz sein, deren Mitwirkung und Mitgestaltung unabdingbar ist. Kalb geht vom Beschluß der Katholischen Aktion eines „umfassenden Gesprächsvorgangs” aus. Bei einem Katholikentag wird einerseits die thematische Breite und Tiefe des Dialogs angesprochen, andererseits die Notwendigkeit der Öffentlichkeit und der Chancengleich-keit in der Teilnahme berücksichtigt. „Unproblematisch lassen sich die Reformforderungen in einen unabdingbaren breiteren Kontext heben und diskutieren, auch die Frage der Entscheidungskompetenz ist nicht mehr zentral”, meint er.

In seinem Gutachten heißt es weiter: „Als Ergebnis sollten nicht fehlbare Ergebnisse einer unter Entscheidungsdruck vorläufig beendeten Diskussion stehen, vielmehr liegt der Hauptschwerpunkt im gruppendynamischen Prozeß. Wesentlich ist allerdings eine sorgfältige Organisation einer derartigen - mehrtägigen - Veranstaltung.” Kalb plädiert dafür, eine kleine Arbeitsgruppe einzusetzen, die unter Berücksichtigung internationaler Erfahrungen einen Organisationsvorschlag sowie eine Geschäftsordnung erarbeiten soll. Durchaus sinnvoll scheint es, in diese Arbeitsgruppe auch Initiatoren des Kirchenvolks-Begehrens einzubinden, womit allfälliger Kritik entgegengewirkt werden kann. Der Veranstaltung sollte ein von der Basis durchgeführter Dialogprozeß vorausgehen, der mitunter auch ein oder zwei Jahre dauern kann.

Ähnlich wie in Deutschland sollten Kirchentage als Großveranstaltungen unter Mitwirkung der Medien (Fernsehübertragungen) in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden.

Die furche hat die Initiatoren des „Kirchenvolks-Begehrens und der „Weizer Pfingstvision” mit beiden Gutachten konfrontiert. Der Organisator des „Kirchenvolks-Begehrens”, Thomas Plankensteiner, ist über die darin enthaltenen Lösungsvorschläge „nicht ganz glücklich. Denn ein Synodaler Vorgang ähnlich wie 1974 würde keine Ergebnisse bringen und bei einem Kirchentag geht es bloß um Emotionen.”

Plankensteiner wünscht sich daher noch im nächsten Jahr ein „Österreichisches Kirchenforum”, dem neben den Bischöfen rund 200 Leute angehören. Der Großteil der Delegierten sollte von den Christen in den Pfarren gewählt werden. Wichtig ist für Plankensteiner eine „freiwillige Selbstverpflichtung der Bischöfe”, die vom Kirchenforum gefaßten Beschlüsse umzusetzen: „Alle gesamtkirchlichen Forderungen müßten die Bischöfe verbindlich nach Rom weiterleiten. Bei der Verwirklichung der in Österreich realisierbaren Entscheidungen sollten die Bischöfe mithelfen.” Plankensteiner wird in den nächsten Tagen mit Bischof Johann Weber darüber sprechen.

Der Initiator der „Weizer Pfingstvision”, Kaplan Fery Berger, lehnt ebenfalls die Wiederbelebung des Synodalen Vorgangs ab. Er befürwortet jedoch die Organisation eines Kirchentages. „Dieser sollte die Aufbruchsstimmung in der Kirche wiedergeben und daher von allen Pfarren mitorganisiert werden.” Ähnlich denkt auch der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner. Er hält gegenüber der furche den Kirchentag für „eine pfiffige, originelle und nicht schlechte Lösung, die die Kirche aus der derzeitigen Krise führen könnte”.

Zulehner weist darauf hin, daß beim Synodalen Vorgang von 1974 „absolut nichts” herausgekommen ist. Denn schon damals kamen alle Forderungen des heutigen „Kirchenvolks-Begehrens” zur Sprache wie Zölibat, Frauen-Priestertum, Kommunionverbot für wiederverheiratete Geschiedene und die Mitsprache bei Bischofsernennungen. So formulierten etwa die Synodalen 1974: „Die Österreichische Bischofskonferenz möge sich dafür einsetzen, daß die Frage der Weihefähigkeit und Weihemöglichkeit der Frau von den zuständigen Gremien vorurteilsfrei geprüft wird.” Die Antwort der Bischöfe war kurz: „Die Bischofskonferenz macht sich diese Empfehlung nicht zu eigen und tritt auch für diese Empfehlung nicht ein.”

Die früheren Synodalen zeigen sich daher ernüchtert über den Gesprächsprozeß vor 21 Jahren. Der frühere Linzer Pastoraltheologe und Vizepräsident des Synodalen Vorgangs (Präsident war Kardinal König), Wilhelm Zauner, resümiert gegenüber der furche bitter: „Wir haben uns 1974 gewaltig angestrengt. Doch außer einer atmosphärischen Stimmung ist schlußendlich nichts weitergegangen. Die Bischöfe, die damals noch viel liberaler gewesen sind, hatten nicht den Mut, unsere Beschlüsse nach Rom weiterzuleiten. Letztendlich ist von 1974 nichts übriggeblieben. Wir dürfen auf keinen Fall den Fehler machen, eine ähnliche schwerfällige Veranstaltung wie die damalige ,Öster-reichsynode' zu wiederholen.”

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