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Hat Malthus recht?

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Malthus (1766 bis 1834) hat bekanntlich eine Katastrophe für die Menschheit befürchtet, weil sie sich rascher als die für sie erforderlichen Lebensmittel vermehre.

Uns erscheint diese Sorge nicht begründet. Denn obwohl die Zahl der Menschen von vermutlich 300 Millionen zur Zeit der Geburt Christi auf schätzungsweise 2655 Millionen im Jahre 1956 angestiegen ist, ist es dem Menschen doch immer wieder gelungen, dem Boden mit immer neuen Mitteln das Nötige abzuringen. Die letzten Bedenken dürfte die Feststellung zerstreuen, daß allein 1958/59 gegenüber dem vergangenen Jahr die landwirtschaftliche Produktion um 4%, die für den Verbrauch bestimmten, lagernden Vorräte um 10%, die Weltbevölkerung aber nur um 1,6% angestiegen ist und die Vorschau der FAO mit einem Anhalten dieser Entwicklung rechnet. Der Umstand, daß rund zwei Drittel aller Menschen hungern, ist auf den Rückstand der Landwirtschaft in den „unterentwickelten“ Ländern zurückzuführen. Hier wäre vor allem mit allen Mitteln moderner Wissenschaft und Organisation anzusetzen.

Auf weite Sicht muß aber doch mit der Möglichkeit einer gewissen Verknappung der Nahrungsmittel gerechnet werden, da die für die Versorgung der Pflanzen unbedingt notwendigen und die Höhe der Ernten in erster Linie bestimmenden Wassermengen nicht mehr überall in einer solchen Menge zur Verfügung stehen, daß eine unbegrenzte Ausdehnung der pflanzlichen und — wegen des Fehlens von Futtermitteln — auch der tierischen Produktion möglich wäre. Vergessen wir nicht: der Wasserverbrauch der Bevölkerung und noch mehr der Industrie steigt sprunghaft. In Deutschland wurden täglich vor drei Jahren 6,8 bzw. 17,8 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht, heute sicherlich um 10% mehrl Zugleich gehen — durch eine falsche Forstwirtschaftspolitik — die verwertbaren Niederschläge ständig zurück, so daß es immer schwierger wird, den Wasserbedarf zu decken. Dieser Abgang wird durch den zunehmenden Anfall von arg verschmutzten und daher auch nicht mehr zu reinigenden und selbst für Bewässerungszwecke nicht mehr verwendbaren Abwässern nicht ausgeglichen.

Wenn Malthus schließlich nicht doch rechtbehalten sollte, ist es — vorbeugend — nötig:

• die Niederschlags- und Abflußverhältnisse durch eine weitschauende Forstwirtschaft zu verbessern, zumindest eine weitergehende Verschlechterung hintanzuhalten;

• den Wasserverbrauch, insbesondere durch Umstellungen in der industriellen Fertigung, zu drosseln;

• der Reinigung des Abwassers und der Reinhaltung aller Gewässer — ungeachtet der Kosten und Schwierigkeiten — größtes Augenmerk zu schenken und Verfahren ausfindig zu machen, welche die Verschmutzung mit Phenolen und ähnlichen Stoffen, die aus dem Abwasser nicht entfernt werden können, hintanzuhalten;

• die Züchtung von Kulturpflanzen voranzutreiben, die mit geringeren Wassermengen das Auslangen finden (der in den östlichen Trockengebieten Österreichs wegen seiner bescheidenen Ansprüche an Wasser geschätzte Tyrnauer Roggen läßt die Möglichkeit der erfolgreichen Züchtung wassersparender Pflanzen erkennen; Beachtung verdienen die Bemühungen des Wüstenforschungsinstituts in Beershelva im israelischen Negev, Pflanzen mit einem besonders niederen Wasserverbrauch ausfindig zu machen und weiterzu-züchten);

• die Bemühungen fortzusetzen, um mit einem tragbaren Kostenaufwand Süßwasser aus Meerwasser durch Entsalzen zu gewinnen (ein vierstufiger Entspannungsverdampfer in Kuweit liefert bereits täglich 4000 Kubikmeter Süßwasser; in den USA wurden bisher mit einem Aufwand von zehn Millionen Dollar 30 Verfahren entwickelt, ohne daß es gelungen wäre, die Herstellungskosten unter 12 S je Kubikmeter zu senken; als Ziel wurden Kosten von 2 S je Kubikmeter Trink- und 0.80 S je Kubikmeter Nutzwasser gesetzt, das hinlänglich salzfrei ist, um auch für Bewässerungszwecke verwendet werden zu können). Die Frage, ob Malthus rechtbehalten könnte, ist also immer da. Ebenso aber, wie es durch die Spaltung der Atome gelungen ist, die drohende Erschöpfung der Kohlen- und Erdölvorräte zu überwinden, muß es auch dem schöpferischen Menschengeist gelingen, die Frage der Versorgung mit Wasser und ähnlichem glücklich zu lösen, ehe sie sich verhängnisvoll auswirkt.

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