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Die Beziehungen zwischen Mensch und Natur haben sich geändert - und damit die Anforderungen, die heute an die Jägerschaft gestellt werden:Die Entwicklung führt vom Nahrungsbeschaffer über den Bewacher der Ackerlandschaft bis zum "bewaffneten Naturschützer".

Der Wandel der Rolle des Jägers hat sich in allen Entwicklungsstadien des Menschen mitvollzogen. Vom Schützer seiner Sippe und Fleischbeschaffer wurde er in die Rolle eines Bewachers der Äcker und verbliebenen Waldgebiete gedrängt. Das Wildtier wurde zum Schädling für die Landwirtschaft und brutal bejagt. Durch übermäßige Bejagung verschwand manche Wildart fast vollkommen. Noch im vorigen Jahrhundert gab es eine Bestimmung, welche die Ausrottung der "Sauen zum Schutze der landwirtschaftlichen Anbauflächen" zum Ziel hatte. Überlebt hat das Schwarzwild (Wildschweine) diesen Krieg nur, indem es aus Selbstschutz zu "nachtaktivem" Wild geworden ist.

Etwa ab der Mitte des 11. Jahrhunderts hatte man die Jagd in zwei bis heute gültige Begriffe unterteilt: in die "Hohe Jagd" und in die "Niedere Jagd". Die Zugehörigkeit der einzeln Wildarten zu den beiden Gruppen schwankte immer wieder. Als grober Umriss kann jedoch gesagt werden, dass Hirsch, Reh und Wildschwein immer schon zur hohen Jagd, also zur "Groben" Jagd zählten, während Hasen, Hühner und Raubzeug der Niederjagd zugerechnet wurden. Die Hohe Jagd durfte vornehmlich von adeligen Herren und ihren Gästen durchgeführt werden. Eine wichtige Rolle spielten auch die Kirchen- und Klosterbesitztümer. Der Wert des Wildes lag damals oft höher als der des menschlichen Lebens.

Wilderer-Daumen abgehackt

Viele Bauern griffen daraufhin zur Selbsthilfe, um ihre Ernten zu retten. Die Wilderei begann zu blühen. Wurde ein Wilderer geschnappt, gab es strenge Strafen: Laut Sachsenspiegel sollte zwar "niemand wegen Jagdvergehen an Leib und Leben gestraft werden", doch das Abhauen des Daumens eines Wilddiebs war trotzdem eine übliche Strafe für Wilderei.

Heute ist Schutz und Obhut für das frei lebende Wildtier das oberste Gebot eines Jägers und die Zielsetzung der österreichischen Landesjagdverbände. Dazu gehören auch die vielen Forschungsaufträge und Neuansiedelungen bereits verschwundener Wildarten. Natürlich bedeutet Jagd aber auch Schießen. Die "Hege mit der Büchse" ist heute wichtiger denn je. Ein Beispiel: Das Rehwild lebt in einer durch den Jäger streng beobachteten Population. Eine wichtige Voraussetzung dafür sind die geltenden Abschussplanbestimmungen. Nur durch die Hege mit der Büchse - den Abschuss schwacher und kranker Tiere sowie dem Eingriff in die Jugendklasse und bei weiblichem Rehwild - konnte der heute gesunde und nicht bedrohte Rehwildbestand erreicht werden.

Die natürlichen Feinde des Rehwildes waren einst Großraubtiere wie Bär, Wolf und Luchs. Ein bestimmender korrigierender Faktor waren auch die strengen Winter mit viel Eis und hohem Schnee. Nur die stärksten und widerstandsfähigsten Gaisen und Kitze überlebten. Alles, was schwach und krank war, wurde gefressen oder verendete an Entkräftung. Heute fallen natürliche Feinde als Regulator aus. Die Winter mit großer Kälte und hohem Schnee beschränken sich auf wenigen Tage im Jahr. Das Futterangebot für das Rehwild ist somit fast immer gegeben. Dadurch überleben auch die schwächsten Tiere und beteiligen sich am Jahreszyklus dieser Wildart. Um dieser Degeneration vorzubeugen, hat der Jäger die Aufgabe, Abschüsse von krankem und schwachem Wild durchzuführen. Daneben ist das Wild in der Notzeit auf den Jäger angewiesen. An ihm liegt es, das Wild im Revier zu erhalten, Wildschäden zu mindern und wirtschaftliche Ausfälle in Folge von Wintersnot zu vermeiden. Daher hat man um das Jahr 1850 fast überall die Winterfütterung des Rotwildes eingeführt.

Wild & Äsungsangebot

Sind die ökologischen Zusammenhänge gestört - es kommt auf jeden Baum, jeden Strauch, jeden Frosch und jede Waldameise an -, so ist der Jäger als Heger und fast kann man sagen als "bewaffneter Naturschützer" davon sehr stark betroffen. Weit intensiver als bisher wird er sich daher in Zukunft mit den Lebensgesetzen seiner Landschaft vertraut machen und auf diese eingehen müssen. Denn die Jagd in der Gegenwart kann nicht mehr isoliert und auf sich allein reduziert ausgeübt werden.

Die Jägerschaft musste anerkennen, dass die Jagd der "alten Zeiten" endgültig vorbei ist. Heutige Jäger stehen mitten in einem beunruhigend anwachsenden Umwandlungsprozess, der aus der Lebensgemeinschaft von Mensch, Natur und Tier eine künstliche Zivilisationslandschaft schafft. Wunschziel ist, ein das ganze Jahr über dauerndes Gleichgewicht zwischen den Schalenwildarten und dem natürlichen Äsungsangebot zu erreichen. Noch steht das in weiter Ferne - in Europa ist es vielleicht nie herzustellen. Trotzdem darf keine Möglichkeit ungenutzt bleiben, den Wald wildfreundlicher zu gestalten sowie einen Ausgleich zwischen den ökonomischen Anforderungen und den ökologischen Bedürfnissen herzustellen.

Der Autor ist Jäger, Revierbesitzer und freier Journalist für Jagd- und Fischereimagazine.

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