Helfen, selbst wenn einem Steine um die Ohren fliegen

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Dem Tsunami folgte eine Medien-und schließlich eine Spendenflut - doch bis heute wurden viele versprochenen Gelder nicht ausbezahlt. Und anstatt Frieden zu fördern, hat die internationale Hilfe den Konflikt in Sri Lanka angeheizt.

Am vergangenen Sonntag war es wieder so weit: Ein starkes Erdbeben 185 Kilometer vor der indonesischen Küste löste in der Provinzhauptstadt Manado im Norden der Insel Sulawesi Panik aus. Die Menschen rannten aus ihren Häusern an der Küste in höher gelegene Gegenden. Nach zwei Stunden gab es Entwarnung: Die Tsunamigefahr sei vorüber, die Menschen sollen Ruhe bewahren. Leichter gesagt als geglaubt: Erst im Juli letzten Jahres hat ein starkes Beben im Westen von Java eine vier Meter hohe Flutwelle ausgelöst, die rund 600 Menschen in den Tod riss.

Die Tsunami-Gefahr ist in Südostasien nach wie vor ständig präsent, genauso wie die Folgen der Tsunami-Katastrophe vom zweiten Weihnachtstag 2004 auch nach zwei Jahren noch nicht überwunden sind. Eine Podiumsdiskussion, veranstaltet vom Institut für Umwelt - Friede - Entwicklung (IUFE), zog dieser Tage eine kritische Zwischenbilanz, wie effizient dabei vor allem Österreich geholfen hat und wie gut diese Hilfe vor allem in Sri Lanka angekommen ist. Warum Sri Lanka? Weil der Inselstaat zu den Schwerpunktländern der österreichischen Tsunami-Hilfe zählt und weil der neuerlich entflammte Bürgerkrieg den Wiederaufbau sehr stark beeinträchtigt.

Neue Dörfer, alter Konflikt

Die unzähligen Helfer, die nach dem folgenschweren Tsunami 2004 nach Sri Lanka gekommen sind, waren auf die komplexe und konfliktbeladene Situation nicht oder zu wenig vorbereitet, bemängelt die Konfliktforscherin Gudrun Kramer vom "Institute for Integrative Conflict Transformation and Peacebuilding" bei der Diskussion. Kramer ist seit einigen Jahren in einem Friedensprojekt in Sri Lanka engagiert, kennt die Probleme zwischen der singhalesischen Mehrheitsbevölkerung und den tamilischen und muslimischen Minderheiten aus eigener Anschauung.

Diese Konflikte reichen in die Kolonialzeit zurück und haben in den vergangenen 20 Jahren Zigtausende Todesopfer gefordert. Die Hilfsorganisationen, kritisiert Kramer, waren sich dieser Spannungen nicht bewusst. Mit dem Neubau von Dörfern und dem Überschreiten von zum Teil jahrhundertealten Dorfgrenzen ist es zu demografischen Verschiebungen gekommen, Mehrheitsbevölkerungen wurden plötzlich zu Minderheiten.

Friedenschance verpasst

Rasche Hilfe leisten, dabei aber konflikt-sensitiv vorzugehen - das wäre laut Kramer die große Herausforderung auf Sri Lanka gewesen: "Doch diese Chance haben die internationalen Helfer - anders als in Indonesien - verpasst, der Konflikt zwischen Tamilen und Singhalesen ist wieder eskaliert." Die nationalistischen Kräfte haben auch Zuwachs bekommen, weil das Hereinströmen internationaler Hilfe von der nationalistischen Volksbefreiungsfront (JVP) als imperialistische Einmischung empfunden wurde.

Der Filmemacher Helmut Voitl, der den Tsunami als Augenzeige erlebt hat und auf Sri Lanka geblieben ist - "Da musste man einfach helfen!" - ist mit seinem Engagement ebenfalls in ethnische Konflikte geraten. Voitls spontan gegründete Hilfsorganisation "Give Hope", die in Kooperation mit "Nachbar in Not" gearbeitet hat, wollte sowohl einem singhalesischen als auch einem benachbarten muslimischen Dorf beim Wiederaufbau helfen. Buddhisten und staatliche Stellen hinderten Voitl jedoch daran, für Muslime Häuser zu bauen. Als "Muslimfreund" verschrien wurde Voitl mit Steinen angegriffen: "Wissen Sie, was das für ein Gefühl ist, wenn einem Steine um die Ohren fliegen, nur weil man helfen will?" Nach vielem Hin und Her ist es "Give Hope" jedoch gelungen, das singhalesische Dorf wiederaufzubauen; und auch das muslimische Dorf konnte - an einem anderen Ort als vorgesehen - errichtet werden. Dafür musste Voitl aber erst privat Land kaufen. "Die Selbsthilfekapazität dieser Menschen", resümiert Voitl, "ist gewaltig groß, aber sie wird durch bürokratische, politische und ethnische Hürden sehr eingeschränkt: Sie rennen sich den Kopf blutig an den Widerständen." Und schärfer formuliert: "Sri Lanka ist für Helfer nicht partnerfähig!"

"Man muss sich die Handschlagqualität täglich erarbeiten", gibt Hilfsmanager Max Santner der Kritik von Voitl eingeschränkt Recht. Santner war bis vor kurzem Projektleiter von "Kurier Aid Austria" in Sri Lanka. Gelitten hat er bei seiner Arbeit vor allem an der zentralistischen Struktur des Landes: "Colombo ist ein Wasserkopf - den Bürokraten in der Hauptstadt ist ziemlich egal, was draußen passiert." Dazu ist man als Hilfsorganisation vor dem Hintergrund der ethnischen Konflikte ständig politischen Interventionen ausgesetzt. Latente Gewaltbereitschaft, Nachbarschaftsneid und ein niedriger Solidaritätslevel - "in anderen Ländern Südostasiens habe ich das nie so erlebt" - behindern darüber hinaus effiziente Hilfestellung.

Effektive Österreich-Hilfe

Angesichts der genannten Schwierigkeiten ist das Resümee, das Santner zieht, dann doch ein wenig überraschend: "Insgesamt geht der Wiederaufbau voran, und unterm Strich ist das Ergebnis zufriedenstellend." Ein Befund, den bei der IUFE-Diskussion auch die Botschafterin von Sri Lanka in Österreich, Aruni Wijewardane, und auch der frühere Innenminister und Koordinator für die österreichische Katastrophenhilfe in Südostasien, Ernst Strasser, bestätigen. Sowohl der österreichische Rechnungshof als auch die internationale Organisation der obersten Rechnungshöfe habe sich anerkennend gegenüber Österreich geäußert und die österreichische Tsunami-Hilfe "im großen und ganzen als sehr gut bewertet".

Laut einem BBC-Bericht haben jedoch zahlreiche Regierungen erst einen geringen Teil der zugesagten Summen (3,4 Milliarden von 6,7 Milliarden Dollar) überwiesen. Auch Österreich hat von den versprochenen 50 Millionen Euro bislang erst die Hälfte ausbezahlt. Strasser: "Die Tsunami-Hilfe ist auf drei bis fünf Jahre angelegt - ich gehe selbstverständlich davon aus, dass in dieser Zeit die versprochenen Gelder und Programme umgesetzt werden."

Weitere Infos unter www.iufe.at

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