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Heutige Sümpfe Flach im Denken

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DIEFURCHE: Ist unsere Demokratie - siehe Terroranschläge in letzter Zeit - ernstlich gefährdet?

KlRCHSCHLÄGER: Nein. Wir sollten mit Ängsten vorsichtiger umgehen. Wer die Zeit zwischen den zwei Kriegen erlebt hat, weiß, was Demokratiegefährdung heißt. Für Jubelgeschrei besteht allerdings auch kein Anlaß.

DIEFURCHE: Kann Demokratie die härtere politische Gangart in Osterreich aushalten? KlRCHSCHLÄGER: Wenn sie Demokratie ist, muß sie es. Sie hat schon in der Vergangenheit viel ausgehalten. Denken wir an den Putschversuch 1950. Eine Demokratie muß in sich die Kraft haben, so etwas durchzustehen. Ich sehe gegenwärtig nicht den Würgeengel an der Tür. Nein, ich nicht.

DIEFURCHE: Machen Sie heute irgendwelche Sümpfe in Osterreich aus, deren Trockenlegung Sie in einer dramatischen Rede in Wels 1980 gefordert haben? KlRCHSCHLÄGER: Heute handelt es sich weniger um strafrechtliche Din-Heute geist man darauf aus, rücksichtslos nach Vorteilen zu suchen. Das Materielle wird wesentlich höher als die Situation der Harmonie und des Miteinander eingeschätzt. Ich glaube, daß die Rücksichtslosigkeit zugenom-bis in die Politik men hat hinein.

Aber es gibt weniger Fälle, in denen Politiker auf ihren Eigengewinn sehen.

DIEFURCHE: Steht für Sie Jörg Haider und seine Bewegung noch im demokratischen Spektrum? Bundespräsident Klestil und Außenminister Mock werden im Ausland nicht müde, zu betonen, daß dem so sei KlRCHSCHLÄGER: Wenn es die Herren sagen, die es besser kennen, wird es schon stimmen.

DIEFURCHE: Haider hat im Zusammenhang mit dem öffentlichen Aufschrei gegen den Bombenterror von einem „Terror der Tugendhaften” gesprochen

KlRCHSCHLÄGER: Wenn es das gäbe, daß Tugendhafte Terror ausübten, wäre es an sich nicht so schlecht. Terror kann man bei Tugendhaften leichter abstellen, als bei wirklichen Terroristen.

DIEFURCHE: Brauchen wir eine neue Qualität der politischen Auseinandersetzung? KlRCHSCHLÄGER: Wenn die Menschen nicht schon zu träge sind, von der Wurzel her mitzumachen, wäre das notwendig. Ich frage mich, ob wir nicht schon zu flach im Denken geworden sind.

DIEFURCHE: Beispiele? KlRCHSCHLÄGER: Das beginnt in der Familie und geht bis in die Politik. Die politischen Parteien streiten um Dinge, bei denen man sich fragt, ob sie wirklich die Auseinandersetzung wert sind, ob es nichts Wesentlicheres gibt. Die letzten Monate haben hinreichend Beispiele dafür geboten. Man hat verlernt souverän zu entscheiden, was eine Auseinandersetzung wert ist. Da wird ein Knochen von allen abgenagt, ob das etwas bringt oder nicht. Und dann zittern die Wände vor Aufregung und man stellt die Koalition in Frage. Man führt Ersatzstreitigkeiten, weil es keine Grundsatzauseinandersetzung mehr gibt. Natürlich ist diese nicht leicht, da können tiefe Gräben gerissen werden. Dazu brauchen wir Demokratieschulung.

DIEFURCHE: Was verstehen Sie konkret darunter? KlRCHSCHLÄGER: Der Ausgangspunkt ist zu wissen, wofür man selbst steht und warum. Dann muß man den Stellenwert des anderen bestimmen. Es ist notwendig, sich unter Achtung der Person mit Argumenten auseinanderzusetzen. Das ist nicht leicht, weil ein hingeworfenes Wort alles zerstören kann -und dann ist man mit den Argumenten am Ende.

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