Hoffnung für Kurdistan

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Türkei und Kurdistan sind einander in den vergangenen Wochen näher gekommen.

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Türkei und Kurdistan sind einander in den vergangenen Wochen näher gekommen.

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Ist das allein schon Frieden, wenn ein Waffenstillstand ausgerufen wird? Und reicht ein solcher Waffenstillstand aus, um den Hass zwischen Kurden und Türken, der seit dem 11. Jahrhundert schwelt und allein in den vergangenen 30 Jahren 32.000 Opfer gefordert hatte, endgültig auszumerzen? Vermutlich nicht.

Aber ohne Zweifel sind die Regierung der Türkei und die PKK einander in den vergangenen Wochen wesentlich näher gekommen, als in all den Jahren davor. Und zweifellos ist die Waffenruhe, die die PKK-Führung der türkischen Seite in Aussicht gestellt hat, in dieser Form einer der größten historischen Fortschritte.

Doch damit gilt es nun, von türkischer, kurdischer und internationaler Seite, verantwortungsvoll umzugehen. Auf Seiten der Türkei geht es zuvorderst um die Garantie der Freiheit kurdischer Politiker und Medien. Diese ist trotz zahlreicher Gesetzesreformen de facto nicht oder nur mangelhaft gegeben. Zweitens müssten die Konfliktzonen in Kurdistan, das 25 Prozent des türkischen Staatsgebietes umfasst, beseitigt werden. Das bedeutet die systematische Auflösung von Stellungen (PKK) und Kasernen (Türkei), aber auch den Abriss jener Gefängnisse, in denen Tausende Kurden gefoltert und Hunderte ermordet wurden, wie etwa jenes in Diyarbakır.

Verantwortung der PKK

Im Gegenzug muss die PKK ihre radikalen Terrorgruppen, wie die "Freiheitsfalken Kurdistans“ auflösen und jene, die für die Bombenanschläge der vergangenen Jahre verantwortlich sind, ausliefern. Es wird auch nicht ausreichen, dass PKK-Kämpfer auf türkischem Staatsgebiet ihre Waffen abgeben, um dann seelenruhig über die kurdisch-irakische Grenze zu spazieren und sich dort Nachschub für alle Fälle zu besorgen.

Dass ein Zustand des Gleichgewichtes nach so viel Blutvergießen auch mit Friedenstruppen, die bei beiden Konfliktpartnern vertrauen genießen, am besten abgesichert wäre, ist kaum zu bestreiten. Doch da nun beide Konfliktparteien diese Option offensichtlich ablehnen, bleibt der internationalen Gemeinschaft immerhin die Möglichkeit, über Entwicklungshilfeprojekte und NGOs Einfluss auf ein geregeltes und verbessertes Zusammenleben in der Region zu nehmen.

Auflösung der Clan-Strukturen

Eine relativ einfache Methode, Interesse an einem gemeinsamen Staat zu wecken wäre es, demokratische Einrichtungen für lokale und regionale Entscheidungen zu schaffen, etwa Bürgerbefragungen. Dazu sollten massive Investitionen in das Schul- und Bildungssystem erfolgen, auch um die mittelalterlichen Clanstrukturen der kurdischen Gesellschaft zu schwächen.

Das vordringlichste Problem der westlichen Staatengemeinschaft stellt sich allerdings nicht in der Türkei, sondern in dem benachbarten kurdischen Teil des Irak. Dort nämlich werden sich jene PKK-Anhänger ansiedeln, die zu einer Abgabe der Waffen nicht bereit sind. Das Problem dabei: In irakisch Kurdistan liegt ein nicht unbeträchtlicher Teil der irakischen Ölreserven - 45 Milliarden Barrel. Das Ölfeld von Kirkuk ist eines der größten der Welt. Schon bisher hat es immer wieder rechtliche Streitereien um die Ausbeutung der Felder zwischen der Regionalregierung und der Zentralregierung in Bagdad gegeben. Ein wachsender Einfluss der PKK bei den kurdisch-irakischen Peschmerga (rund 100.000 Mann) könnte eine Radikalisierung der Beziehungen mit Bagdad nach sich ziehen.

Die wichtigste Rolle liegt dabei wieder bei der Regierung in Ankara. Die Türkei müsste ihre Rolle als wichtigster Handelspartner der irakischen Kurden weiter ausbauen. Der gemeinsame Handel überschreitet derzeit schon fünf Milliarden Dollar. Jedes zusätzliche Handelsabkommen wird die Bande zwischen Kurden und Türken stärken, bis das politische Ziel eines Friedens nach 1200 Jahren Konflikt erreicht ist: Die Unverbrüchlichkeit der Beziehungen.

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