Österreich Flagge - © Bild von Pete Linforth auf Pixabay

Hubert von Goisern: Österreichs Hymne ohne Gänsehautgefühl

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Im Vergleich zu martialischen Hymnen anderer Länder kommt „Land der Berge“ harmlos und bescheiden daher: Das ist gut so, meint Hubert Achleitner alias Hubert von Goisern. Und ebenso, dass auch die Töchter nicht mehr vergessen sind.

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Im Vergleich zu martialischen Hymnen anderer Länder kommt „Land der Berge“ harmlos und bescheiden daher: Das ist gut so, meint Hubert Achleitner alias Hubert von Goisern. Und ebenso, dass auch die Töchter nicht mehr vergessen sind.

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Als vor wenigen Wochen ein britischer Skirennläufer den Slalom in Kitzbühel gewann und zur Preisverleihung erstmals bei einem Skiweltcuprennen „God Save The Queen“ die Schneeflocken zum Tanzen brachte, habe ich die Insulaner schon ein wenig beneidet – nicht um den Sieg, aber um ihre Hymne und das damit verbundene Gänsehautgefühl. Eine ähnliche Wehmut überkommt mich, wenn ich die russische oder die deutsche, von Joseph Haydn (nach britischem Vorbild) komponierte Hymne höre.

Verglichen mit diesen Hits gibt unser „Land der Berge“ zugegeben nicht viel her. Trotz allem – oder vielleicht gerade deshalb – ist mir unsere harmlose und beiläufige Melodie noch tausendmal lieber als die martialischen Klänge einer französischen Marseillaise mit der unverhohlenen Aufforderung zum Gemetzel „… bis unreines Blut unsere Äcker und Furchen tränkt ...“ („Qu’un sang impur abreuve nos sillons!“). Kein Scherz! Die singen das immer noch ganz genauso.

Berge, Äcker statt Raketenfeuer

Und es ist mir auch tausendmal lieber, unsere Berge, Äcker und Dome zu besingen, als „im Schein von Raketenfeuer und Bombenexplosionen“ dem amerikanischen Sternenbanner zu huldigen oder es gar anzubeten („And the rockets’ red glare, the bombs bursting in air, gave proof through the night, that our flag was still there“). Gerne verzichte ich auch auf den zugegeben musikalisch flotten italienischen Aufruf: „Lasst uns die Reihen schließen. Wir sind bereit zum Tod …“ (Stringiàmci a coòrte. Siam pronti alla morte!“).

Goisern - © Foto:  picturedesk.com  / Robert Newald

Hubert Achleitner (Hubert von Goisern)

ist Liedermacher und Weltmusiker

ist Liedermacher und Weltmusiker

Altlasten, wohin man hört und schaut; überkommene Symbole nationaler Identitätsbeschwörungen. Auch das Vergessen (oder Ignorieren?) unserer Töchter ist kein Kavaliersdelikt und keine Bagatelle. Die Töchter und damit alle Österreicherinnen „außen vor“ zu lassen, ist – genau besehen – ein grobes Foul. Von Nobelpreisträgerinnen bis zu den Trümmerfrauen, von Weltmeisterinnen bis Olympiasiegerinnen: Es waren und sind auch die Töchter, die unser Land, die Österreich bereichert und geprägt haben. Und es tagtäglich tun. Auf viele Landsleute mag das Thema noch immer wie eine zum Elefanten aufgeblasene Mücke wirken. Ich finde das keineswegs. Hymnen sind Lobgesänge und erzählen etwas von der Geschichte, der Kultur und Wesensart eines Landes und seiner Gesellschaft. Wenn wir schon aufgefordert sind, eine Hymne mitzusingen, so muss ihre Aussage auch im Einvernehmen mit dem eigenen Staatsverständnis stehen.

Fakt

Land der Berge, Land am Strome,
Land der Äcker, Land der Dome,
Land der Hämmer, zukunftsreich!
Heimat großer Töchter und Söhne,
Volk, begnadet für das Schöne,
Vielgerühmtes Österreich.

Heiß umfehdet, wild umstritten,
Liegst dem Erdteil du inmitten
Einem starken Herzen gleich.
Hast seit frühen Ahnentagen
Hoher Sendung Last getragen,
Vielgeprüftes Österreich.

Mutig in die neuen Zeiten,
Frei und gläubig sieh uns schreiten,
Arbeitsfroh und hoffnungsreich.
Einig lass in Jubelchören,
Vaterland, dir Treue schwören,
Vielgeliebtes Österreich.

Da geht es nicht nur um staatliche Feiern, um Staatsbesuche, internationale Sportereignisse und Fußballländerspiele, sondern, wie gesagt, um nationale Identität. Apropos Länderspiele: Ist der Umstand, dass unsere Fußballnationalmannschaft trotz großartiger Kicker nicht besser reüssiert, vielleicht gar dem – diesem Spiel vorangehenden – so zaghaften Gesang geschuldet? Ich meine, so etwas Erbärmliches muss ja seine Spuren hinterlassen und zutiefst verunsichern. Ich stelle mir übrigens jedes Mal die Frage: Warum muss bei den Nahaufnahmen der Fußballer eigentlich immer das Kameramikrofon so prominent aufgedreht werden? Ich hoffe, nicht aus Böswilligkeit, um den dünnen Patriotismus vollends zu enthüllen.

Tief eingeprägt hat sich auch der Auftakt zum Länderspiel Österreich gegen Kamerun. Da waren es allerdings nicht die Fußballer, die gesungen haben, sondern die mit einer großartigen Stimme gesegnete Tini Kainrath. Sie hatte sich damals herausgenommen, die Töchter mit in ihren Vortrag aufzunehmen. Das war im Jahr 2002, also zehn Jahre bevor die Töchter amtlich wurden. Dass sie dem Pfeifkonzert von Zehntausenden standhalten musste, war eigentlich schlimm genug. Doch die Nachwehen waren noch viel peinlicher. Denn die Sängerin bekam daraufhin einen Brief vom Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB), in dem Folgendes stand: „Bezugnehmend auf Ihre eigenwillige Interpretation der Österreichischen Bundeshymne im Ernst-Happel-Stadion, die ohne Wissen und Zustimmung des ÖFB erfolgte, möchten wir Ihnen mitteilen, dass der ÖFB von Ihrer Vorgangsweise irritiert ist und rechtliche Schritte gegen Sie vorbehält.“ Dem noch nicht genug, ließ der damalige Präsident des Österreichischen Fußball-Bundes, Friedrich Stickler, in einer Presseaussendung verlautbaren, man werde „… künftig darauf achten, dass der Text der Hymne genau eingehalten wird. Wir waren davon nicht in Kenntnis gesetzt, die Sache tut uns leid.“

Schade, dass es das jetzige Präsidium mit dem seit 2012 offiziellen Töchtertext nicht mehr so genau nimmt.

Töchter ins profane Gebet!

Wenn es schon Sinn und Zweck des Singens von Nationalhymnen ist, die Identifizierung und Solidarisierung mit einem nationalen Kollektiv zu beschwören, dann muss das eine runde Sache sein und keine Halbheit. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, es wird unseren Kickerinnen und Kickern erst gelingen, befreit aufzuspielen, wenn auch die Töchter in unser profanes Gebet miteingeschlossen werden. Dass dies nicht einmal gelingen will, wenn unser Damennationalteam auf dem Platz steht, zeigt, wie weit der Weg noch ist, der vor uns liegt. Die Richtung ist mit Heimat großer Töchter und Söhne vorgegeben. Also: Mutig in die neuen Zeiten!

Der Autor, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Hubert von Goisern, ist Liedermacher und Weltmusiker.

Die Bundeshymne gibt es auch in Gebärdensprache. Näheres dazu finden Sie hier.

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