Ich tippe auf Österreich und Türkei!“

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1973 war er der erste Österreicher im UN-Sicherheitsrat; heute wirbt er als Sonderemissär für Österreichs Kandidatur: Außenminister a. D. Peter Jankowitsch über Österreichs Chancen und den Ruf, „zu den Guten“ zu gehören.

Die Furche: Herr Botschafter, warum bewirbt sich Österreich für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat?

Peter Jankowitsch: Der Sicherheitsrat ist das Weltorgan, wo man am ehesten als Staat sein Profil zeigen kann. Wir sind ja durch unsere beschränkten Mittel und starke Konzentration auf die EU in weiten Teilen der Welt nicht mehr präsent. Österreich hat nur wenige bis gar keine Botschaften in Afrika, in Asien, im pazifischen Raum …Deswegen ist die UNO das beste Ausdrucksmittel, um zu zeigen: Halt, wir sind noch da!

Die Furche: Wie hoch schätzen Sie unsere Chancen ein?

Jankowitsch: Ich halte sie für sehr intakt. Wir haben gute Aktionen gesetzt, um ein breites Stimmenpotenzial zu gewinnen. Und wir haben Beziehungen zu Staatengruppen wiederbelebt, mit denen wir lange wenig bis gar nichts zu tun hatten. Neben Afrika haben wir uns besonders den pazifischen und karibischen Staaten zugewandt. Wir haben Konferenzen organisiert, Zusammenarbeit und Unterstützung angeboten – zum Beispiel im Sektor Alternative Energie. Diese Offensive war auch, abgesehen von unserer Kandidatur, sehr sinnvoll, weil wir in Weltgegenden aufgetaucht sind, wo wir schon lange nicht mehr gesehen waren.

Die Furche: Solche Offensiven haben auch unsere Mitbewerber Island und die Türkei gestartet. Die Türken wollen 15 Botschaften in Afrika eröffnen, und hinter Island stehen die nordischen Staaten mit ihrer sehr profilierten Entwicklungszusammenarbeit – eine starke Konkurrenz, zu stark vielleicht?

Jankowitsch: Im Fall von Island haben wir es tatsächlich mit einer Art Kollektivkandidatur der nordischen Staaten zu tun. Aber ich tippe trotzdem, dass Österreich und die Türkei das Rennen machen. Wobei die Türken nicht ganz so populär sind, wie sie glauben. Bei den Arabern sind sie als ehemalige Kolonialmacht verschrien. Und ihre Einmärsche in den Nordirak wurden mit Argwohn beobachtet. Das hat man nicht so gern, dass ein Staat das Recht in die Hand nimmt. Das ist ein Vorteil für Österreich. Denn kleine Staaten halten sich an Prinzipien, ans Völkerrecht, bei großen Staaten ist das nie so sicher.

Die Furche: Wie sicher ist es, dass Staaten, die uns ihre Stimme zugesagt haben, sich bei der Abstimmung auch an diese Zusage halten.

Jankowitsch: Das kann man nicht überprüfen. Die Wahl ist geheim. Aber wir haben mit vielen Staaten „Gegenseitigkeitsvereinbarungen“ geschlossen. Das heißt, wir haben anderen Ländern bei ihrer Kandidatur für das Organ X unsere Stimme zugesagt, im Gegenzug unterstützt uns dieses Land in der Wahl um einen Sitz im Sicherheitsrat.

Die Furche: Letztlich bleibt also nur das Vertrauen in den anderen …

Jankowitsch: Wie vertrauenswürdig solche Zusagen sind, hängt stark vom Charakter des jeweiligen Staates und der Stärke oder Schwäche seiner Verwaltung ab. Ich habe Briefe mit wunderbaren Zusagen von Außenministern erhalten – aber was diese Unterstützungserklärungen letztlich wert sind, weiß ich nicht.

Die Furche: Ist die österreichische Neutralität im Gegensatz zur NATO-Mitgliedschaft von Island oder der Türkei ein Vorteil oder ein Nachteil für unsere Kandidatur?

Jankowitsch: Nicht in einer Militärallianz zu sein, ist ein Vorteil. Wir haben den anderen etwas voraus, weil wir nicht an Loyalitäten und Bündnisse gebunden sind. Das hat uns in weiten Teilen der Welt unser Vertrauenskapital erhalten. Immer wieder erlebe ich, dass Österreich eine Sympathiewelle entgegenschlägt in der Art: „Ihr gehört zu den Guten!“

Die Furche: Bekommt Österreich den Sitz im Sicherheitsrat zugesprochen – was wollen wir dort erreichen?

Jankowitsch: Viele mittlere und kleinere Staaten in der UNO sind beunruhigt, weil der Sicherheitsrat mehr Kompetenzen an sich zieht. Das ist neu. Der Sicherheitsrat war eine Art Krisenfeuerwehr. Jetzt gibt es aber die Tendenz – vor allem der Ständigen Mitglieder –, den Sicherheitsrat zu einem Direktionsorgan auszubauen. Das ist nicht im Interesse der Mitgliedsstaaten, die nur gelegentlich drin sitzen. Die wollen die klassischen Funktionen des Sicherheitsrats erhalten. In dieser Weise können wir uns als Sprecher der kleineren Mitglieder profilieren.

Die Furche: Die Reform des Sicherheitsrats steckt fest – was halten Sie von der Aufstockung der Anzahl der Ständigen Mitglieder?

Jankowitsch: Mit zehn statt fünf Ständigen Mitgliedern werden die Verfahren und Abstimmungen nur noch komplizierter. Außerdem muss jede Reform von allen 192 UNO-Staaten ratifiziert werden – ein Ding der Unmöglichkeit. Ich schlage deshalb vor, dass man versucht, mit der Situation zurechtzukommen, wie sie ist. Ich denke an eine Art „Nicht-Angriffspakt“ zwischen den Ständigen Mitgliedern im Sicherheitsrat und den anderen UN-Mitgliedsländern: Die einen verzichten auf den großen Umbau des Sicherheitsrats und die anderen verzichten auf den Gebrauch ihres Veto-Rechts, der ständig zur Blockade führt.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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