"Ich zwinge niemanden zu arbeiten"

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Helen Duphorn ist seit fast zwei Jahren die Country-Managerin von Ikea in Österreich und verbindet Beruf und Privatleben sehr gut. Dass ihr nicht viele Frauen im Top-Management von Firmen nacheifern, erklärt sie mit den fehlenden sozialen Infrastrukturen in Österreich. Ansonsten vertraut sie durchwegs auf die Eigenverantwortung der Menschen.

Die Furche: Frau Duphorn, warum gibt es noch immer so wenige weibliche Top-Manager?

Helen Duphorn: Zum einen herrschen noch alte Denkmuster vor, zum anderen braucht es Unternehmen, die nicht nur sagen, "wir sind Frauen gegenüber offen", sondern die weibliche Mitarbeiter fördern und in ihrer Karriere unterstützen. Bei Ikea-Österreich sind 46 Prozent der Manager Frauen und 50 Prozent in meiner Management-Gruppe sind Frauen. Das ist das Resultat einer Langzeitstrategie.

Die Furche: Haben es Frauen in schwedischen Firmen einfacher? Auch ihre Kollegin von H&M in Österreich ist eine Frau …

Duphorn: Wie es weiblichen Angestellten von schwedischen Firmen im Ausland geht, kann ich nicht beurteilen, aber in Schweden selbst ist es sicher einfacher für Frauen, eine Karriere zu machen. Nicht nur die Einstellung der Menschen ist hilfreich - ein Beispiel ist die Hausarbeit, die sich Frauen und Männer teilen -, auch die soziale Infrastruktur ist da. In Österreich kämpfen die Frauen an zwei Fronten: Gegen die Konventionen und gegen den Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen.

Die Furche: Wir sollten demnach wieder mehr nach Schweden schauen?

Duphorn: Ich bin überzeugt, dass hauptsächlich der Mangel an Kinderbetreuung Frauen in Österreich abhält, eine Karriere zu machen. In Schweden kann jedes Kind ab einem Alter von einem Jahr bis zum Schuleintritt in den Kindergarten gehen. Auch das Karenzgeld ist höher: Man bekommt dreizehn Monate lang 80 Prozent des Bruttogehaltes (Obergrenze 43.430 Euro/Jahr). Davon kann man leben, das ist selbst mit dem neuen Kindergeld von bis zu 800 Euro nicht möglich.

Die Furche: Und wie sieht es mit der Väterkarenz bei Ikea aus?

Duphorn: Wir ermutigen "unsere" Väter in Karenz zu gehen, aber es läuft noch nicht so richtig. Viele glauben, die Karenz könnte ihrer Karriere schaden, sie könnten als "zu weich" eingeschätzt werden bzw. würden die Arbeit nicht an erster Stelle reihen. Auch der soziale Druck ist sehr hoch.

Die Furche: Noch immer?

Duphorn: Ja, vor allem was die Väter von ihren Familien zu hören bekommen, ist nicht gerade ermutigend. Und natürlich ist der Mann immer noch der Haupteinkommensträger einer Familie, und da sind wir wieder bei den bis zu 800 Euro Kindergeld/Monat, die nicht ausreichen, um den Einkommensverlust auch nur annähernd zu kompensieren.

Die Furche: Ikea gilt als ein gutes Unternehmen, wie halten Sie es demnach mit CSR (verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln; Anm.)?

Duphorn: CSR ist für uns ein Teil der Unternehmenskultur. Wir arbeiten beispielsweise mit Unicef zusammen und unterstützen in 500 indischen Dörfern Übergangs-Schulen, die Kinder besuchen, die noch nie unterrichtet wurden, um sie auf den Besuch einer regulären Schule vorzubereiten. Das geschieht im Rahmen eines Programmes gegen Kinderarbeit. Dass wir und unsere Lieferanten keine Kinder beschäftigen, steht außer Frage, aber es geht darum, die Einstellung der Menschen in der Region zu diesem Thema zu ändern.

Die Furche: Arbeitet Ikea auch umweltfreundlich?

Duphorn: Ich bezeichne Ikea als eine umweltfreundliche Firma, doch ich möchte nicht damit prahlen, was wir bereits erreicht haben, denn es gibt noch viel zu tun. Zunächst möchten wir innerhalb von fünf Jahren den Energieverbrauch aller Ikea-Niederlassungen erheblich drosseln, und wir wollen in absehbarer Zeit alle unsere Häuser mit erneuerbarer Energie versorgen. Wir waren auch die erste Firma in Österreich, die ihren Fuhrpark auf Hybrid-Autos umgestellt hat. Und die Bahn ist unser bevorzugtes Transportmittel, wenngleich es wegen der höheren Kosten und der Inflexibilität nur in eingeschränktem Maße möglich ist.

Die Furche: Ikea ist sich also seiner Rolle in der Gesellschaft bewusst und handelt umweltfreundlich, dennoch sind die Preise der Produkte sehr niedrig. Woher kommt's, wenn nicht durch die Ausübung von Druck auf Mitarbeiter und Lieferanten?

Duphorn: Wir haben eine vollkommen integrierte Lieferkette. Bereits der Designer - es wird alles von unserer eigenen Entwicklungsfirma gestaltet - muss den Kostenfaktor im Auge haben und ein Produkt gestalten, das am Ende den festgelegten Endkundenpreis hat. Auch der gesamte Einkauf wird im Haus erledigt, wir kaufen nicht über Agenten oder Mittelmänner, und das spart viel Geld. Und um ehrlich zu sein, es gibt eine starke Verbindung zwischen sanfter und sauberer Produktion und Effizienz und Kosteneinsparung. Und natürlich wirken sich die hohen Stückzahlen, die wir produzieren, preissenkend aus. Und diesen Vorteil geben wir mit jährlich sinkenden Preisen an die Kunden weiter.

Die Furche: Alles eitel Wonne, bis auf die Ladenöffnungszeiten …

Duphorn: Unserer Meinung nach sollen die Konsumenten entscheiden, wann sie einkaufen wollen. Wir drängen niemand am Samstag-Abend und am Sonntag einzukaufen, aber wir wissen, dass diese Zeiten die höchsten Potenziale bieten. Die Menschen sind erwachsen und reif genug, um selbst zu entscheiden, wann sie einkaufen wollen. Wir brauchen keine Politiker, die uns sagen, wann wir Dinge machen sollen und wann nicht.

Die Furche: Als Gegenargument werden die Frauen hervorgeholt, die der erweiterte Ladenschluss am härtesten treffen würde …

Duphorn: Frauen wie auch Männer sollen selbst entscheiden dürfen, wann sie arbeiten wollen. Politiker sollen nicht Frauen vorschieben, um Entschuldigungen für dieses oder jenes zu finden. Bei Ikea würden wir niemanden zwingen am Sonntag zu arbeiten, in jedem Fall halten wir uns an das Arbeitszeitgesetz und an die Kollektivverträge. Wir haben flexible Arbeitszeitmodelle, d. h. wer am Sonntag nicht arbeiten will, muss das nicht tun. Sonntags zu arbeiten könnte ja auch bedeuten, dass eine Mutter dafür drei Mal unter der Woche zu Hause sein kann, wenn die Kinder von der Schule kommen. Es soll sich niemand einbilden zu wissen, was für eine Familie gut oder schlecht ist - die können das sehr gut für sich selbst entscheiden.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

Arbeitest du noch, oder lebst du schon?

Man merkt Helen Duphorn gleich an, dass sie gerne über die Gleichstellung von Mann und Frau oder von Menschen im Allgemeinen spricht. Bereits als Studentenvertreterin in Stockholm beschäftigte sie sich mit Gleichberechtigungsfragen, nachdem sie zu der Erkenntnis kam, dass der Wunsch, den sie, seit sie fünf Jahre alt war, hatte - Jus zu studieren -, sich in der Vorstellung besser anfühlte als in der Realität. Will man klischeehaft sein, dann passt das Thema auch zu einer Schwedin, die in einem Land groß geworden ist, in dem es selbstverständlich ist, dass Männer im Haushalt helfen, der Vater auch in Karenz geht und das Sozialsystem noch immer eines der großen Vorbilder der europäischen Sozialdemokratie ist. Die 45-jährige Schwedin begann ihre Karriere nicht beim blauen Möbel-Giganten, sondern startete beim zweitgrößten schwedischen Textilhändler Schwedens,

KappAhl. Bereits für KappAhl ging sie zwei Jahre nach Indien, dies tat sie später für Ikea als Verantwortliche für fünf Einkaufbüros auch, nachdem sie für den Ikea-Einkauf in Schweden und dem Baltikum zuständig war. Danach wurde sie zur stellvertretenden Landeschefin in Frankreich bestellt, bevor sie Urs Meier im August 2005 als Landeschefin in Österreich nachfolgte. Der Ehefrau und Mutter eines 12-jährigen Sohnes gefällt es in Österreich, und sie kann sich gut vorstellen, länger als geplant zu bleiben. Auch, wenn sie hierzulande ihren Kunden sagen muss, sie müssten am Sonntag nach Pressburg zum Einkaufen fahren.

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