Idi Amins Traum erfüllte sich nicht

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Nicht nur der frühere ugandische Diktator ist kürzlich im Exil verstorben. Auch seine "Vision" von einem Uganda ohne indische Bevölkerungsschicht wird zu Grabe getragen. Die 1972 vertriebenen Inder kehrten zurück, Restitutionen schreiten zügig voran.

Jüdisches Vermögen, das während des Nationalsozialismus entzogen wurde, ist in den letzten Jahren in das Zentrum des öffentlichen Interesses gerückt. Rassisch oder ethnisch definierte Vermögensenteignung, Vertreibung und die Problematik der Restitution sind aber nicht für die europäische Geschichte einzigartig. In manchen Elementen vergleichbar ist die Geschichte der Vertreibung der Inder aus Uganda unter Idi Amin und der Restitution ihres Vermögens unter der gegenwärtigen Regierung.

Am 8. August 1972 hatte Idi Amin einen Traum. Ihm träumte, dass es für Uganda günstig wäre, die Inder auszuweisen. Lange genug hätten sie die ugandische Kuh gemolken, ohne sie ausreichend zu füttern, eröffnete er ihnen tags darauf im Fernsehen. Jetzt sei das Maß voll. "Go!" forderte er sie auf.

Damals lebten in Uganda bis zu 80.000 Inder. Gekommen waren sie unter der britischen Kolonialherrschaft als Bahnarbeiter, als Gewerbetreibende, Beamte und als Händler. Sie formten eine "zweite" Gesellschaft, einen wirtschaftstreibenden Mittelstand zwischen den weißen Herren und den Einheimischen. Die Hauptstadt Kampala war damals klar segregiert: auf den Hügeln lebten die Weißen, im alten Stadtzentrum die Inder und in den Niederungen zwischen den Hügeln die Schwarzen.

Als Amin im Fernsehen seinen Traum verkündete und mit einem breiten Lachen endete, nahm ihn zunächst niemand ernst. "Wir haben das für einen Witz gehalten", erinnert sich ein Unternehmer aus einer alteingesessenen ugandisch-indischen Familie. Doch der ehemalige Kolonialunteroffizier machte Ernst mit seinen Träumen und führte das Undenkbare durch.

Drei Monate Frist zum Gehen

Binnen der von Amin gesetzten Frist von drei Monaten hatten nahezu alle Inder panikartig das Land verlassen. Ursprünglich waren nur die nichtugandischen Staatsbürger gemeint gewesen. Doch von der folgenden Welle der Einschüchterung waren alle Inder betroffen, egal welchen Pass sie hatten. Nach anfänglichem Zögern wurden sie von einer Reihe von Staaten aufgenommen, die meisten von Großbritannien und von Kanada. Das Undenkbare ging noch weiter. Nachdem die indischen Geschäftsleute in Panik geflohen waren, begannen Amins Soldaten mit Attacken auf Weiße. Die alte Welt stand Kopf. Uganda gehöre nun den Ugandern allein, und die Zeit des Kolonialismus sei vorbei, verkündete der Diktator.

Die Kuh selber melken

Unternehmen und Güter der Inder wurden vom Staat eingezogen und in kurzer Zeit zugrunde gewirtschaftet. Amins Gefolgsleute zogen meist alles Vorhandene aus den Unternehmen heraus. Sie molken, Amins Worten über Inder folgend, die Kuh, ohne sich um Futter zu kümmern. Manchmal begnügten sich neue Geschäftsinhaber damit, die Lagerbestände zu verkaufen. Dann kam der Geschäftsgang zum Stillstand.

Das voraussehbare Resultat war der weitgehende Zusammenbruch der Wirtschaft. Es genügte sichtlich nicht, die Inder aus den Geschäften zu werfen und Afrikaner hineinzusetzen. Bald wandte sich der Terror auch gegen die schwarzen Ugander. Unter Idi Amin sind ein paar Dutzend Inder zu Tode gekommen, aber wahrscheinlich ein paar Hunderttausend schwarze Ugander.

Die antiindische Stimmung in der Bevölkerung war nicht rassistisch motiviert. Der Hass auf die Inder wurde nicht ideologisch begründet. Er war sehr praktisch, erfahrungsorientiert. In der Kolonialzeit hatten indische Geschäftsleute nicht selten ihr Gefühl der Zweitrangigkeit gegenüber den britischen Kolonialherren in einem speziellen Gefühl der Dominanz über ihre schwarzen Bediensteten und Kunden überkompensiert. Auf sozialer Ebene hatte die erdrückende Dominanz der Inder im Geschäftsleben des Landes den Aufstieg eines einheimischen Mittelstandes behindert.

Als die Truppen des Guerillaführers Yoweri Museveni 1986 siegreich aus dem Busch in Kampala einmarschierten, hat sich wohl niemand erwartet, dass gerade diese revolutionäre Regierung die asiatischen Geschäftsleute wieder in ihre Rechte einsetzen würde. Unter dem Druck internationaler Geldgeber und im Zuge eines Sanierungsprogrammes der bankrotten Wirtschaft unter der Ägide der Weltbank initiierte die neue Regierung eine Politik der Rückgabe indischen Vermögens. Museveni rief die Inder als Investoren zurück, um der Wirtschaft auf die Sprünge zu helfen.

Die Restitution wurde dem Departed Asians Property Custodian Board im Finanzministerium übertragen. Das war - allerdings unter neuer Leitung - jene Treuhandgesellschaft, die in den siebziger Jahren schon die Übertragung indischer Vermögenswerte an die neuen ugandischen Eigentümer administriert hatte. Die Restitution ging erstaunlich glatt und gründlich vor sich. Von indischer Seite wird geschätzt, dass an die 95 Prozent der eruierbaren Vermögenswerte rückerstattet worden sind. Mumtaz Kassam, eine früh zurückgekehrte Rechtsanwältin, die ein Gutteil dieser Fälle für indische Rückstellungswerber betrieben hat, ist sehr zufrieden mit diesem Ergebnis. Die Restitution war ein Erfolg. Schwierigkeiten gab es nur dort, wo wichtige Regierungsfunktionäre auf dem Vermögen saßen.

95 Prozent rückerstattet

Im wesentlichen wurden alle wertvollen Liegenschaften, Fabriken, Geschäfte, Vereinsvermögen restituiert oder entschädigt, resümiert Ruth Namirembe, eine leitende Anwältin des Custodian Board. Der verbliebene unbeanspruchte Rest wird versteigert und der Erlös bis zu einem Entscheid über seine Verwendung auf einem Bankkonto deponiert. Die Inder Ugandas haben keine Interessensverbände etabliert, die nicht beanspruchtes ("erbloses") Vermögen reklamieren könnten. Deswegen sind die Restitutionen auf individueller Basis verlaufen.

Sind einerseits mehr als 90 Prozent der Vermögenswerte restituiert worden, so sind andererseits nicht mehr als zehn Prozent der ugandischen Inder aus der Emigration zurückgekehrt. Denn die Emigration, die oft nur mit einem Koffer voll an Habe in Großbritannien, Kanada oder den USA ihren Ausgang nahm, wurde für viele zu einer wirtschaftlichen Erfolgsstory. So für jenen ehemaligen Exporteur agrarischer Rohprodukte, der zurückgekehrt ist, um seine alten Güter wieder in Stand zu setzen. Im kanadischen Exil hatte er die Idee, biologische Trockenfrüchte aus Uganda zu exportieren. Mit diesen Fertigprodukten beliefert er heute weltweit Bioläden. Obwohl das Geschäft gut geht, werden ihm seine Kinder aber sicher nicht folgen. Sie fühlen sich als Kanadier indischer Abstammung.

Kapital in ugandischer Hand

Das Interesse, nach Uganda zurückzukehren, ist gering. Dies gilt insbesondere für die zweite Generation, die in den Emigrationsländern assimiliert ist und für die Afrika nun eine ferne Familienvergangenheit darstellt. Im Regelfall hat der ursprüngliche indische Eigentümer sein entzogenes Vermögen restituiert bekommen und es gleich anschließend an "neue", meist aus Indien zugezogene Inder oder aber an schwarze Ugander verkauft. Oder er hat sich mit dem ugandischen Nacheigentümer auf Basis einer Entschädigungszahlung verglichen.

Die "Afrikanisierung" der Wirtschaft, die Amin mit Gewaltmaßnahmen hatte anstoßen wollen, hat auf dem Wege der sozialen Entwicklung Fortschritte gemacht. Was als sprunghafte Entscheidung und als Willkürakt eines Diktators erschien, enthielt, wie sich nachträglich zeigt, auch Elemente politischer und wirtschaftlicher Rationalität. Nicht alle Ugander, die indische Geschäfte, Fabriken oder landwirtschaftliche Güter übernommen haben, richteten diese zugrunde. Einige haben die ehemaligen indischen Eigentümer entschädigt und sind Geschäftsleute geblieben. Es hat sich eine indigene Bourgeoisie, ein kleiner ugandischer Mittelstand gebildet, dessen Geschäftsgewohnheiten zwar nicht weniger "indisch" sind als jene der Inder, der aber Kapital in ugandischen Händen konzentriert und damit eine einheimische wirtschaftliche Entwicklung antreiben könnte. Damit wurde die auf lange Sicht unhaltbare Situation beseitigt, dass nahezu alle wirtschaftlichen Machtpositionen von Vertretern einer als fremd wahrgenommenen Minderheit besetzt wurden. Die Inder sind alles andere als beliebt, aber sie werden in ihrer Rolle als Geschäftsleute toleriert. Auf der anderen Seite haben die Afrikaner gelernt, dass man nicht Inder sein muss, um Geschäftsmann zu sein.

Auch zurückgekehrte Inder schätzen diese Entwicklung differenziert ein. Bei aller Tragik habe Amins Inderpolitik das längerfristige Ergebnis einer größeren Durchlässigkeit der Gesellschaft gehabt, sagt Mumtaz Kassam, die nun seit 17 Jahren wieder in Kampala lebt. "Wir haben durch die schmerzhafte Erfahrung der Vertreibung auch gelernt, dass wir nicht nur unter uns, sondern in einer afrikanischen Gesellschaft leben." Die rückgekehrten Inder geben sich low profile und betont ugandisch. "I have always seen myself as an African", betont der indische Vorsitzende des Blumenzüchterverbandes.

"Afrikanische Inder"

Das alte Gefühl der Überlegenheit, der Dominanz und der Unentbehrlichkeit in der Wirtschaft ist bei den Indern Ugandas nicht mehr ungebrochen vorhanden. Die alten Zeiten kehren nicht wieder, sagt der der graumelierte Herr in der Indian Association in Kampala, Unternehmer in Holz und Textil. Das Geschäft geht nicht mehr so gut wie vor 1972. Der Schwerpunkt der Familie hat sich nach England verlagert, wo die Kinder Karriere gemacht haben. Die "neuen" Inder, die keine Ahnung von den ugandischen Sitten haben, diskreditieren durch ihr Verhalten die rückgekehrten alteingesessenen Inder, befürchtet er. Die Einheimischen unterscheiden dann nicht zwischen den "Indern" und das schlechte Image fällt auf alle. Aber das Leben ist doch schöner hier als in einem grauen Backsteinviertel Mittelenglands, meint Mr. Patel an einem milden Abend auf den Hügeln Kampalas.

Der Autor ist Historiker und war zuletzt wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsprojekt über Unternehmens-"Arisierungen" und -Restitutionen der Historikerkommission.

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