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Im Dschungel der Kompetenzen

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Brüssel liegt wie eine zweisprachige Insel im niederländischen (flämischen) Sprachgebiet. Seit 1989 ist Brüssel neben der Funktion als Hauptstadt Belgiens auch eine eigene Region geworden. In diesem Punkt kann man Brüssel durchaus mit Wien vergleichen, das ebenfalls Bundesland und Hauptstadt zugleich ist. Innerhalb dieser Region Rrüssel leben rund eine Million Einwohner.

Neben anderen Kommunen, wie etwa Koekelberg oder Schaarbeek, gibt es den Gemeindebezirk Rrüssel (zu vergleichen mit Wien - Innere Stadt). Dieser befindet sich im Zentrum der Stadt und beherbergt fast ausschließlich Rüros - nur etwa 135.000 Menschen leben hier. Ris hierher kann man als Österreicher noch einigermaßen folgen. Schwieriger wird es, will man sich im Dschungel der politischen Kompetenzen zurechtfinden.

Die Organisation der Region Rrüssel unterscheidet sich grundlegend von der der anderen zwei Regionen, Flandern und Wallonien. Zunächst ist ihr Status bilingual. Das heißt, flämisch und französisch sind rechtlich (fast) gleichgestellte Amtssprachen. Die Verwaltung der Region durch „Räte" ist kompliziert gegliedert:

Relange von allgemeiner Wichtigkeit wie Grundverwaltung, Umwelt, Benovation, Wohnungswesen, Wasser, Energie, Beschäftigungspolitik sowie öffentlicher Verkehr, Kommunikationswesen und öffentliche Bauten, internationale diplomatische sowie Handelsbeziehungen, Landwirtschaft fallen in den Zuständigkeitsbereich des Allgemeinen Begio-nalen Bates. Er besteht aus 75 Mitgliedern, von denen 64 frankophon und elf flämisch sind. Dieser Bat, der direkt vom Volk gewählt wird, bestellt seinerseits den Bürgermeister. Die frankophonen Delegierten bilden zudem die COCOF, die Kommission (=Rat) der französischsprachigen Re-völkerung.

Ihre Kompetenzen sind das Gesundheitswesen, die Sozialhilfe, das Unterrichtswesen, das Arbeitsamt sowie kulturelle Relange. Der flämisch-sprachige Rat COCON hat gegenüber seinem französischsprachigen Pendant COCOF weniger Rechte. Neben diesen zwei Räten gibt es noch einen dritten, sozusagen vermittelnden. Er setzt sich wie der Allgemeine Regionale Rat zusammen und hat dieselben Kompetenzen wie der COCON, allerdings sowohl für die flämische wie auch für die französischsprechende Bevölkerung.

In der Praxis gibt es also zum Beispiel in Brüssel drei Jugendfürsorge-stellen, von denen je eine für eine bestimmte Sprachgruppe reserviert ist und die dritte prinzipiell allen offenstehen sollte. Bei derartigem administrativen Aufwand wundert es nicht, wenn belgische Gemeinden wie auch der belgische Staat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in Europa aufweisen. Übrigens: Bisher nicht erwähnt wurde die Bundesebene, die natürlich auch in administrative Belange der Region Rrüssel hineinreden kann.

Um Kosten zu sparen und vor allem den drohenden Kulturverlust abzuwenden, haben sich die nördlich von Brüssel liegenden flämischen Gemeinden einige Regelungen ausgedacht, um von der wachsenden Zahl französisch- aber auch englischsprechender Bürger nicht zahlenmäßig erdrückt zu werden. Zum einen dürfen in den flämischen Gemeinden keine Nichtflamen als Bürgermeister gewählt werden und zum anderen müssen in einigen Gemeinden zuzugswillige eine Erkärung abgeben, in der sie ausdrücklich die Amtssprache Flämisch akzeptieren und auf Französisch verzichten.

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