Pillendose - © Rainer Messerklinger

Im Rückschritt marsch!

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Der Umbau des Sozialversicherungssystems ist beschlossene Sache. Bis Dezember 2019 soll er beendet sein. Doch nicht nur hinter den Kulissen regt sich Kritik, die nicht verstummen will.

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Der Umbau des Sozialversicherungssystems ist beschlossene Sache. Bis Dezember 2019 soll er beendet sein. Doch nicht nur hinter den Kulissen regt sich Kritik, die nicht verstummen will.

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Eine Zahnarztordination im zweiten Bezirk in Wien. Leise Musik tönt aus dem Hintergrund. Im Warteraum sitzen einige Patienten. Unsicherheit spiegelt sich in ihren Augen. Aus einem Behandlungsraum schrillt das Geräusch eines Bohrers. Ein Patient verschwindet in einen Raum, aus dem anderen kommt ein weiterer Patient heraus. Alltag. Die Reform der Sozialversicherung sorge zwar für Diskussionen; werde hier aber wenig ändern, ist der Zahnarzt überzeugt.

Am 13. Dezember 2018 beschloss der Nationalrat mit den Stimmen der Regierungsparteien den Umbau des österreichischen Sozialversicherungssystems. Von den 21 Sozialversicherungsträgern sollen nach dem Sozialversicherungs-Organisationsgesetz (SV-OG) nur noch fünf unter einem Dachverband übrig bleiben. Neun Gebietskrankenkassen werden zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) verschmolzen. Die Sozialversicherung der Gewerblichen Wirtschaft (SVA) wird mit der Sozialversicherung der Bauern (SVB) zur Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen (SVS); die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau mit der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter zur Versicherungsanstalt öffentlich Bediens­teter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) verschmolzen. Die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariates wird eine eigenständige berufsständische Versorgungseinrichtung. Gesetz wird die neue Struktur am 1. Jänner 2020. Bereits seit Juli amtiert mit Martin Brunninger und Alexander Burz das neue Führungsduo im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, der bald Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger heißen wird. Sie sollen politisch den ehemaligen Regierungsparteien nahestehen. Neuer Obmann der ÖGK ist Matthias Krenn, Vizepräsident der Wirtschaftskammer Österreich und Bundesobmann der Freiheitlichen Wirtschaft.

Ein Spiel mit Zahlen

Die durch die Zusammenlegung der Träger erzielten Einsparungen sollen den Patienten zugute kommen, versicherte die frühere Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein nach der Verabschiedung des Gesetzes. „Wir schreiben Geschichte“, würdigte sie den Beschluss. Eine Mrd. Euro sollen durch Verwaltungs- und Sachaufwand bis 2023 eingespart werden. Scheinbar kehrte Ruhe in den vergangenen Monaten ein. Von der Reform kam nur wenig ans Licht der Öffentlichkeit. Bis vor wenigen Wochen, als eine Studie für Aufsehen sorgte, deren Auftraggeberin die ehemalige FPÖ-Sozialministerin war und die die Anlaufkos­ten erstmals in Zahlen gießt: Verschlingen soll die Reform demnach mehrere Hundert Mio. Euro in den nächsten Jahren

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