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Die Euro-Zone beschließt das Jahr mit Straßenschlachten in Rom und London. Die Politik übt | sich in Beschwichtigung statt in Taten. Doch damit erreicht man das Gegenteil von Ruhe.

Das Londoner Wirtschaftsmagazin "Economist", die publizistische Speerspitze der liberal-kapitalistischen Wirtschafts- und Weltordnung, ist nicht gerade bekannt für romantische Träumereien. Wir nehmen daher ernst, wenn das Blatt eine "redistribution of hope" und einen "optimism on the move" ortet. Trotzdem findet man keine rechte Begründung in der realen Welt dafür. Zyniker unter uns könnten sogar meinen: Das stimmt, allerdings unter der Voraussetzung, dass dieser "Optimismus in Bewegung" sich schnellen Schrittes von uns entfernt, anstatt uns zu beglücken.

Weniger gespreizt drücken diese Grundstimmung die Demonstranten aus, die derzeit in Athen, Rom, London, Paris und Madrid mit ihrem Zorn belegen: "Fuck Capitalism", "War not Welfare", "May You Rot and Burn in Hell" sind noch die mildesten Ausdrücke die da gegen Banker und Regierende geschleudert werden - in häufiger werdenden Fällen gesellen sich Pflastersteine und Brandsätze dazu. Polizisten werden zusammengeschlagen, in Athen muss ein Ex-Minister blutend das Feld räumen, Banken werden gebrandschatzt, Geschäfte geplündert.

Der Zorn richtet sich gegen die massiven Sparpakete, die man vor allem der Bevölkerung in Griechenland und Großbritannien auferlegt. Mit der Bildungsreform in Großbritannien steigen die Gebühren um 200 Prozent an, die Arbeitslosigkeit in Griechenland stieg auf 18 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 27 Prozent bei einem Durchschnittsgehalt von 700 Euro. In Italien protestieren die Studenten gegen ein System, das die Bildung mehr als bisher in den privatisierten Bereich einer Elite legt. Österreich nimmt sich gegen solche Maßnahmen geradezu wie ein Zwerg aus - zumindest bis zum nächsten Sparpaket, das die Steuerzahler getrost im Jahr 2014 ansiedeln können.

Die Aufschwungshoffnung

Immerhin besteht noch die reale Hoffnung, dass die Realwirtschaft auch in Europa kräftig wächst. Doch leider gilt das nicht für alle Länder des Euro-Raumes. Solides Wachstum gibt es ausschließlich in den klassischen Exportnationen (allen voran Deutschland mit 3,7 Prozent BIP-Wachstum für 2010) und nicht dort, wo es eigentlich notwendig wäre - eben in Griechenland (-4,2 BIP-Schrumpfung 2010), Irland (-0,2), Spanien (-0,2) oder Portugal (1,3). Diese Nationen werden auch weiterhin aufgrund der erhöhten Risikoaufschläge auf den Anleihenmärkten immer tiefer und tiefer in die Währungsbredouille geraten.

Der Abstand vergrößert sich also zu Ungunsten der ohnehin schon durch ihre Staatsverschuldung schwer in Mitleidenschaft gezogenen Länder.

Doppelt schwerwiegend, dass das EU-Gipfeltreffen in Brüssel nicht die notwendigen Korrekturen einleitete, sondern sich auf Geheiß einiger Nettozahler gleich ein Denkverbot verordnete, was die einzig sinnvolle Sofortmaßnahme - die Schaffung von Euro-Anleihen - betrifft.

Der Grund für diese Halsstarrigkeit liegt auf der Hand. Solidarität mit dem Ausland - und seien es europäische Brüder und Schwestern - ist beim Wähler extrem unpopulär. Deshalb dürfte sich in Anbetracht der Vielzahl deutscher Regionalwahlen 2011 an dem entschiedenen "Jetzt nicht" nichts ändern. Doch Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel muss sich klar sein, was das bedeutet: Die Finanzmärkte werden weiterhin auch 2011 ihre Sorgen zu Finanzmarkte tragen, als gäbe es keinen teuren aber letzten Endes unwirksamen Rettungsschirm.

Und eigentlich kann man ihnen die Panik oder Geschäftemacherei auf Kosten der notleidenden Staaten gar nicht verübeln. Denn nach wie vor gilt die absurde Prozyklik der Finanzmärkte, die jedes Phänomen, ob Aufschwung oder Abschwung, weiter verstärkt. Weil hier die Reformansätze stecken geblieben sind, kommt es nun zu einem verhängnisvollen Paradox: Die Misere der tief verschuldeten Staaten Europas ist einfach zu groß, als dass man sich daran nicht bereicherte, weil Gläubiger damit solide und hohe Gewinne machen können - bei immer noch relativ geringem Risiko. Dabei wirkt der Rettungsschirm und seine Versicherung - es kann ohnehin nichts passieren - vielleicht sogar als Propeller nicht als Bremser. Denn es sichert den Erfolg der Spekulation nur noch mehr ab. Die von Deutschland geforderte Beteiligung der Gläubiger am Rettungsschirm ist einem "von Fall zu Fall"-Papiertiger gewichen.

Friedmans Prognosen

Anzumerken bleibt an dieser Stelle noch eine Kurzanalyse zum Euro von Milton Friedman aus 1997: "Die Einführung des Euro wird die politischen Spannungen verschlimmern, indem sie wirtschaftliche Schocks, die Länder unterschiedlich treffen, aber durch Wechselkursveränderungen ausgeglichen werden können, in umstrittene politische Themen ummünzt. Eine Währungsunion, die unter ungünstigen Bedingungen oktroyiert wird, wird sich als Hindernis für das Erreichen der politischen Einheit erweisen."

Hatte Friedman damals recht hatte oder irrte er? Einige Spitzenpolitiker der EU arbeiten derzeit kräftig an der Realisierung seiner Vision - dem Rest bleibt ja noch die Hoffnung auf eine Richtungsänderung des "Move of Optimism".

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