Im (vor)letzten Zug nach Europa

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Rumänien und Bulgarien wurden in der EU nicht eben euphorisch begrüßt. Umso wichtiger sind Stimmen, die sich - begründet - freuen.

Warten Sie nicht bis zum 1. Jänner auf Ihren Flachbildfernseher, kaufen Sie ihn schon jetzt!" Der Radiospot hatte Florian Tuder ziemlich gewundert: Warum zum Kuckuck sollte man der Stimme Folge leisten, wo doch die Preise für Elektrogeräte mit dem Jahreswechsel purzeln würden? Mit Logik hatte der Spot also kaum etwas zu tun. Ebenso wenig wie die Hoffnungen von Tuders Kommilitonen: Nach dem 1. Jänner, so träumten sie, würde man bei einer Bus-Reise von Sibiu nach Wien wohl nicht mehr drei Stunden an der rumänisch-ungarischen Grenze schmachten müssen. Dass das neue EU-Mitglied Rumänien - wie Bulgarien - auch nach dem Jahreswechsel vorerst nicht zum Schengen-Raum gehört, hatten sie nicht bedacht.

Verbotenes Schlachten?

Doch sei's drum: Der Optimismus zählt - vor allem in Sibiu/Hermannstadt, der neuen Europäischen Kulturhauptstadt 2007 (vgl. Seite 13), wo der Grazer katholische Theologe Florian Tuder seit September des Vorjahres studiert. "Kritische Stimmen zum EU-Beitritt werden hier kaum gehört", erzählt er. Nur jüngst habe ein Professor der orthodoxen theologischen Fakultät "Andrei Saguna" beim Abendessen beklagt, dass es nun bald aus sei mit dem Schweineschlachten im Hof.

Mit seiner nüchternen Zukunftssicht liegt der Professor freilich ganz im Trend der restlichen EU: Tatsächlich hält sich der Jubel über die Ankunft der 21,7 Millionen Rumänen und 7,8 Millionen Bulgaren in Grenzen. Und das, obwohl die beiden Länder mit einem Wirtschaftswachstum von 7,2 Prozent (Rumänien) bzw. 5,7 Prozent (Bulgarien) zu den absoluten Durchstartern gehören und vor allem Österreich als größter ausländischer Investor in beiden Ländern profitiert.

Müdes Europa

"Es gibt eben eine grundsätzliche Erweiterungsmüdigkeit in Europa", betont Othmar Huber, stellvertretender Vorsitzender des in Wien ansässigen Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa. Das Scheitern des Verfassungsvertrages sei ebenso schuld daran wie das Verwirrspiel um den EU-Beitritt der Türkei. Die Leidtragenden seien vor allem die Länder des Westbalkans. "Viele sagen im Gegenzug, Rumänien und Bulgarien seien mit dem (vor)letzten Zug in die Europäische Union gekommen. Insofern haben sie Glück gehabt." Dass die "Donauerweiterung" auch für die EU ein Glücksfall ist, werde dabei allzu oft übersehen. Schließlich hätten die beiden Länder mit ihrer Lage am Schwarzen Meer größte strategische Bedeutung.

Doch sind die beiden Länder wirklich reif für die EU? "Auch Griechenland hat man nicht aufgenommen, weil es so EU-reif war, sondern weil man es politisch stabilisieren wollte", gibt Huber zu bedenken. Ähnlich sei es mit Portugal und Polen gewesen. Was indes die Probleme bei der Integration der Roma betreffe (siehe Seite 5) oder die im EU-Fortschrittsbericht kritisierten Mängel bei der Korruptions-und Kriminalitätsbekämpfung, so stehe man vor "großen Problemen". Doch vor allem Rumänien hätte mit seiner ambitionierten Justizministerin Monica Macovei große Fortschritte gemacht. "Diese Effizienz hat man in Bulgarien nicht erreicht", ergänzt Otto Oberhammer, Obmann des 1998 gegründeten Vereins "Center of Legal Competence", der die beiden Länder in ihrem Transformationsprozess begleitet.

Professionelle Hilfe

Dass sich jedenfalls die Situation seit der politischen Wende dramatisch verbessert hat, erlebt Thomas Hackl Tag für Tag. Seit elf Jahren lebt der aus Tirol stammende Leiter der Katastrophenhilfe der Caritas Rumänien in Satu Mare nahe der ungarischen Grenze. "Am Anfang ist es noch darum gegangen, das Überleben der Menschen zu sichern. Mittlerweile sind wir dabei, professionelle Sozialdienste aufzubauen", erzählt er. Auch die Korruption sei nicht ganz so schlimm: "In einer österreichischen Zeitung hat einer gemeint, dass man mit dem Auto nicht durch Rumänien fahren kann, ohne zehn Polizisten zu bestechen. Ich bin sicher schon 200.000 Kilometer gefahren und habe so manche Verkehrsstrafe bezahlt. Aber die Polizisten hatten immer Recht."

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