Immer weniger fruchtbare Böden

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Die landwirtschaftliche Überproduktion in Europa verdeckt den vielfach anzutreffenden Mangel an Nahrungsmitteln.Perspektiven der Welternährung zu Beginn des Jahres 2003.

Getreide, Erdöl und Wasser sind die entscheidenden Lebensquellen für die Zukunft der Menschen. Am Beginn des Jahres 2003 drohen kriegerische Auseinandersetzungen um die Erdölquellen im Irak, während die Kluft zwischen Arm und Reich weltweit immer größer wird.

Der Kampf der FAO, also jener Organisation der Vereinten Nationen, die sich zum Ziel setzt, die Welternährungssituation zu verbessern, zeitigte in den vergangenen Jahrzehnten nur bescheidene Erfolge. Fast täglich liefert das Fernsehen dramatische Bilder von verhungernden Menschen (beispielsweise in Afrika, China oder Lateinamerika). Vor allem Kinder sind betroffen.

Im "Situationsbericht 2003" des Deutschen Bauernverbandes werden die unzumutbaren Lebensverhältnisse mit Zahlen untermauert, die für Verantwortungsträger in Politik, Wirtschaft und in den Kirchen Alarmsignale auslösen sollten. Mit rhetorischen Solidaritätserklärungen und Resolutionen sind Hunger und Armut nicht wirksam zu bekämpfen. Angesichts dieser Zahlen sind Taten gefragt:

Von den sechs Milliarden Menschen, die derzeit auf der Welt leben, haben

* 800 Millionen chronisch Hunger,

* eine Milliarde keine Unterkunft,

* 2,7 Milliarden keine sanitären Einrichtungen,

* 1,3 Milliarden kein sauberes Wasser,

* 80 Millionen keine ärztliche Versorgung,

* 850 Millionen keine Schreib- und Lesekenntnisse,

* zwei Milliarden keinen Stromanschluss und

* 1,3 Milliarden weniger als einen Dollar Tageseinkommen.

7,8 Milliarden bis 2025

Die Weltbevölkerung liegt derzeit bei etwa 6,2 Milliarden Menschen. Damit hat sich ihre Zahl im Vergleich zu 1960 mehr als verdoppelt. Nach aktueller Einschätzung der Vereinten Nationen steigt die Weltbevölkerung zwar weniger stark als bislang angenommen, wird aber bis zum Jahr 2025 auf 7,8 Milliarden anwachsen. Das bedeutet, dass die Zahl der Erdenbewohner im Jahr um etwa 79 Millionen zunimmt, was fast der Einwohnerzahl Deutschlands entspricht.

Die Nahrungsmittelerzeugung hat sich zwar in den vergangenen 40 Jahren mehr als verdoppelt. Sie wuchs damit schneller als die Weltbevölkerung. Dennoch hat sich die Zahl der chronisch unterernährten Menschen auf der Erde nicht verringert. Nach Angabe der Welternährungsorganisation müssen heute - kaum weniger als in den Jahren davor - 777 Millionen (das sind 13 Prozent der Weltbevölkerung) Hunger leiden, darunter 180 Millionen Kinder. Jeden Tag sterben 24.000 Menschen an den Folgen von Hunger, 75 Prozent davon sind Kinder unter fünf Jahren. Mehr als zwei Milliarden Menschen fehlen essenzielle Nährstoffe, was gravierende Auswirkungen auf deren Gesundheit und geistige Entwicklung hat.

Das künftige Bevölkerungswachstum wird sich nach Einschätzung der Vereinten Nationen zu 96 Prozent in den Entwicklungsländern abspielen. Im Jahr 2025 dürfte der Anteil der Weltbevölkerung, die in den heutigen Ländern der Dritten Welt lebt, von derzeit 80 auf dann 85 Prozent angestiegen sein.

Zu Jahresbeginn 2003 schlug die Welternährungs-, und -landwirtschaftsorganisation neuerlich Alarm und warnte vor einer humanitären Krise in Afrika. Denn südlich der Sahara sind rund 40 Millionen Menschen von einer schweren Ernährungskrise betroffen. Wie die FAO in ihrem neuesten Afrikabericht mitteilte, herrscht in 25 Staaten wegen anhaltender Trockenheit, wirtschaftlicher Probleme und einer wachsenden Zahl von Flüchtlingen ein außergewöhnlicher Mangel an Nahrungsmitteln.

Betroffen sind eigentlich fast alle schwarzafrikanischen Länder: Angola, Burundi, Kapverde, die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, die Republik Kongo, die Elfenbeinküste, Eritrea, Äthiopien, Guinea, Kenia, Lesotho, Liberia, Madagaskar, Malawi, Mosambik, Sierra Leone. Aber auch der Sudan, Swasiland, Tansanie, Uganda und Sambia. Verschärft werde die Situation durch die sich ausbreitende Aids-Epidemie.

Hilfe dringend notwendig

Um überhaupt bis zur nächsten Ernte im April 2003 überleben zu können, benötigten rund 16,7 Millionen Menschen im südlichen Afrika dringend Lebensmittelhilfe, so die FAO. Um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, seien Nahrungsmittelhilfen und kommerzielle Einfuhren dringend nötig. Das Defizit an Lebensmitteln im südlichen Afrika schätzt die FAO auf 1,6 Millionen Tonnen. Das Welternährungsprogramm habe zu Nahrungsmittelhilfen im Umfang von 993.000 Tonnen aufgerufen. Davon seien inzwischen 663.000 Tonnen zugesagt worden.

Der Kampf gegen den Welthunger wird nicht leichter, obwohl derzeit weltweit etwa 1,5 Milliarden Hektar ackerbaulich und weitere 3,4 Milliarden als Grün- und Weideland genutzt werden. Nur ist die Intensivierung der landwirtschaftlichen Erzeugung schwierig, weil die natürlichen Ressourcen Boden und Wasser immer knapper werden. Denn jährlich gehen weltweit etwa 7,1 Millionen Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche und 9,4 Millionen Hektar Waldfläche durch Überbauung, Erosion beziehungsweise Fremd- und Fehlnutzung verloren. Zum Vergleich: In Deutschland werden 17,3 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzt.

Bei wachsender Weltbevölkerung geht also die verfügbare Fläche je Einwohner rasant zurück. 1950 standen standen im Schnitt weltweit noch 0,51 Hektar Ackerland pro Kopf zur Verfügung. Im Jahr 2000 waren es lediglich 0,27. Und im Jahr 2020 werden es voraussichtlich nur noch 0,18 Hektar sein.

Steigende Getreidepreise

Neben dem Verlust von landwirtschaftlich nutzbarem Boden wird die Verfügbarkeit von Wasser, diesem wesentlichen Element des Lebens, zur dringenden Frage. Die Wasservorräte der Erde betragen zwar rund 1,1Milliarden Kubikkilometer, davon sind jedoch nur 2,5 Prozent Süßwasser. Und davon sind wiederum nur etwa zwei Drittel nutzbar.

In den kommenden Jahren rechnet die OECD bei normalen Witterungsverhältnissen noch mit einem Anstieg der Weltgetreide-Erzeugung (um etwa 1,3 Prozent). Eine regere Nachfrage nach Nahrungs- und insbesondere Futtergetreide und kleiner werdende Lagerbestände lassen allerdings steigende Getreidepreise an der internationalen Märkten erwarten.

Der Autor ist Gruppenleiter im Landwirtschaftsministerium.

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