"In der Wirtschaft kann man nicht allen alles sein!"

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Die Stilllegung eines Betriebes ist keine Frage der Ethik, sondern eine Frage der nüchternen Beurteilung wirtschaftlicher Tatbestände.

Wie steht nun das Shareholder-Value-Prinzip zur Ethik. Unter Ethik soll in diesem Beitrag verstanden werden: Die Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen in verschiedenen Lebenssituationen. In der Literatur sind mehrere Ethikbegriffe zu finden:

In der praktischen Unternehmensführung mündet der Shareholder-Value-Gedanke - einfach ausgedrückt - in folgender Frage: Wird ein Unternehmer bei einer zu setzenden Maßnahme (Investition, Akquisition, Personalerhöhungen, Lohnpolitik, Kreditaufnahmen et cetera) reicher oder nicht. Der Shareholder-Value- Gedanke ist an sich nichts Neues, er ist praktisch eine Ausprägung des erwerbswirtschaftlichen Prinzips (mit den gegebenen Mitteln den größtmöglichen Ertrag zu erzielen oder ein gegebenes Ziel mit den geringsten Mitteln zu erreichen). Warum ist der Shareholder-Value-Gedanke so umstritten? Grob gesprochen kann man dafür vier Gründe anführen:

* Der Shareholder-Value-Gedanke ist schuld an der Arbeitslosigkeit.

* Der Shareholder-Value-Gedanke ist schuld am "down-sizing" der Unternehmen.

* Der Shareholder-Value-Gedanke verleitet zu kurzfristigem Denken.

* Der Shareholder-Value-Gedanke berücksichtigt zu einseitig die Kapitalinteressen und nicht die Interessen der Arbeitnehmer, der Konsumenten und der Kreditgeber.

Als "Gegensatz" zum Shareholder-Value-Gedanken wird immer mehr der Stakeholder View gebracht. Unter Stakeholder View versteht man, dass die Unternehmensleitung nicht so streng auf die Eigenkapitalverzinsung fixiert ist, sondern auch die Interessen der Mitarbeiter, der Kunden, der Kreditgeber et cetera berücksichtigt. Die Idee dabei ist, dass so eine "Stakeholder Corporation" alle Interessen abwägen und auch bewerten soll, und dass dann das Management einen Ausgleich zu finden hat. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass dies nicht gelingt. Es ist einfach notwendig, dass die Unternehmensleitung ihre Handlungen an einem Ziel - im Rahmen aller gesetzlichen Bestimmungen - orientiert. Dieses Ziel kann in einer Marktwirtschaft nur sein, den Wert des Unternehmens zu steigern. Planwirtschaften hatten andere Ziele, auch die Verstaatlichte Industrie hatte ein anderes Ziel, die Beschäftigungsmaximierung; die Geschichte hat uns aber gelehrt, dass diese Modelle der Organisation wirtschaftlichen Handelns nicht überlebt haben.

Die Problematik der Führung einer "Stakeholder Corporation" kann an einem Beispiel gezeigt werden: Ist eine Investition, die Arbeitsplätze vernichtet, aber neue Produkte ermöglicht und/oder vorhandene Produkte billiger herstellt und die damit den Bestand des Unternehmens sichert oder oder auch den Wert des Unternehmens erhöht, wirtschaftlich sinnvoll oder nicht? Es würde hier, wenn das Unternehmen nicht an einem Ziel ausgerichtet ist, einen Interessenskonflikt geben. Dies heißt nicht, dass andere Gruppen unberücksichtigt bleiben, aber es kann eben nur ein Ziel geben. Man kann eben nicht allen alles sein - das geht vielleicht in der Politik, vor allem vor Wahlen, aber sicher nicht in der Wirtschaft. In der Wirtschaft braucht jeder Mitarbeiter genaue Ziele, für die er verantwortlich gemacht werden kann.

* Erfolgsethik - Frage nach der sozialen Wirkung und dem Nutzen einer Handlung für andere Menschen.

* Gesinnungsethik - Die Gesinnung entscheidet über die Gutheit einer Handlung und nicht der Erfolg.*

* Verantwortungsethik - Die Konsequenzen einer Handlung sind das Entscheidende.

Vor einigen Jahren gab es eine große Diskussion über die Ethik in der Wirtschaft, doch sind - so meine ich - keine praktischen Handlungsanweisungen oder Ziele herausgekommen. Auch wenn man die diesbezüglichen Äußerungen der katholischen Kirche betrachtet, wie zum Beispiel in "Gaudium et Spes" oder die entsprechenden Ausführungen in der Diskussionsunterlage für den "Dialog für Österreich", so ist eine für die Praxis handhabbare Zielsetzung nicht zu finden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch Oswald von Nell-Breuning erwähnen, der die Beeinflussung der päpstlichen Enzykliken zur katholischen Soziallehre durch den Zeitgeist sehr gut herausgearbeitet hat.

Aus meiner Sicht ist es schwer, eine Unternehmensethik zu formulieren. Es kann jedoch sehr wohl eine Individualethik geben, das heißt eine Ethik der handelnden Personen. Es gibt also einerseits die vom Gesetzgeber einzuhaltenden Rahmenbedingungen, die ja auch politische Werturteile sind (je nach politischer Orientierung einer Regierung) und darüber hinaus eventuell eine Individualethik. Als Beispiel einer solchen Individualethik möchte ich amerikanische Fonds anführen, die den Grundsatz haben, keine "sin shares" zu kaufen. Darunter versteht man, dass diese Fonds keine Aktien von Glückspielgesellschaften, Tabakfirmen oder von alkoholproduzierenden Unternehmen erwerben.

An einem Beispiel möchte ich das Spannungsfeld zwischen wirtschaftlicher Unternehmensführung und Ethik zeigen: Als wirtschaftliche Umstände uns zwangen, Werke und Betriebsteile in Düsseldorf (Deutschland), in Kapfenberg (Österreich) und in Hagfors (Schweden) zu schließen, wurden wir (vor allem in Düsseldorf) von den christlichen Religionsgemeinschaften und auch von den Politikern stark angegriffen, weil - so wurde uns vorgeworfen - hier Unrecht geschehe, "unethisch" gehandelt werde und die Stilllegung wirtschaftlich nicht vertretbar sei. Wir haben jedoch geantwortet, dass die Stilllegung eines Betriebes keine Frage der Ethik oder eine Frage des christlichen Verhaltens sei, sondern eine Frage der nüchternen Beurteilung wirtschaftlicher Tatbestände. Natürlich haben wir geachtet, dass für die Betroffenen gesorgt wird, wie zum Beispiel durch Sozialpläne und durch individuelle Ausbildungsmaßnahmen, doch die Schließung an sich musste durchgeführt werden.

Abschließend möchte ich auch noch festhalten, dass jede wirtschaftliche Rahmenordnung historisch bedingt ist, dem Wandel unterliegt und nicht zeitlos ist. Leider sind in der Vergangenheit oft sogenannte "ethische" Argumente gebraucht beziehungsweise missbraucht worden, um Gruppeninteressen durchzusetzen, wobei man sich dabei auf die "Solidarität" berufen hat.

Das Problem ist - so glaube ich - nicht die Frage nach einer Wirtschaftsethik oder einer "guten" Wirtschaftsordnung, sondern es geht darum, in einem entsprechend den Regeln der sozialen Marktwirtschaft gestalteten Prozess die einzelnen Gruppeninteressen zu berücksichtigen und einen Ausgleich zu finden.

Der Autor ist Generaldirektor von Böhler-Uddeholm.

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