In kleinen Schritten zum großen Wurf

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Dem oberösterreichischen Bundesratspräsidenten Gottfried Kneifel (ÖVP) ist ein politisches Kunststück gelungen: Er hat den Bundesrat aktiviert, | eine Anregung aus dem Österreich-Konvent aufgegriffen und eine Verfassungsmehrheit für die Kooperation von Gemeinden zustande gebracht.

Der gute Mann gilt unter Freunden als unaufgeregter Typ, aber die Freude ist ihm dieser Tage doch anzumerken: Gottfried Kneifel, Direktor des Wirtschaftsbundes in Oberösterreich und Bundesrat, hat in seiner nun endenden Periode als Präsident der zweiten Kammer des Parlaments eine bemerkenswerte Beschlusslage geschaffen: Gemeinden erhalten eine tragfähige gesetzliche Grundlage für mehr an Kooperation. Die Reform wird nächste Woche im Nationalrat beschlossen, stößt auf breite Anerkennung und könnte helfen, Millionen an Euro in öffentlichen Haushalten einzusparen.

Den Konvent wiederbelebt

Die Anregung zu mehr Kooperation der Gemeinden geht auf den Österreich-Konvent zurück. Dessen Ergebnisse wurde wegen des Streits zwischen Volkspartei und Sozialdemokraten im Jahr 2006 in Schubladen versenkt, was Fachleute heute noch schmerzt. Gemeinden konnten bisher schon kooperieren, allerdings nur im Bereich privatwirtschaftlicher Verwaltung, also etwa in der Müllentsorgung, in der Sozialfürsorge oder im Betrieb von Bauhöfen. Dafür mussten sie allerdings jeweils einen Gemeindeverband begründen. Dieser durfte sich zudem nur jeweils einem Zwecke widmen und benötigte Geschäftsführung, Kontrollinstanzen, Hauptversammlungen, Sekretariate und ähnliches mehr. Das wird jetzt anders, und zwar gründlich.

Gemeinden können künftig auch in hoheitlichen, also amtlichen, behördlichen Angelegenheiten zusammenarbeiten. Dies bedeutet, dass etwa eine Gemeinde für mehrere ein Einwohnerverzeichnis führt, eine andere hingegen die Bauverhandlungen. Zudem ist es den Gemeinden künftig möglich, über die Grenzen der Bezirke und der Länder hinweg zu kooperieren. Die Verbände, die sie betreiben, sollen zudem mehr als nur einem Geschäftsbereich dienen. Das ist ein Fortschritt.

Wenn die Gemeinden in der Privatwirtschaft und in der Hoheitsverwaltung Kräfte bündeln und Strukturen vereinfachen, dann ist das ein Schritt in Richtung Verwaltungsreform. "Diese neuen Möglichkeiten der Kooperation sind eine Innovation und eine Sensation“, sagt denn auch Gottfried Kneifel. Mit den damit erreichbaren Vereinfachungen und Einsparungen "lassen sich Millionen aus dem System holen“, die dann "für andere Zwecke“ eingesetzt werden können. Kneifel rechnet mit einem Volumen an Ersparnis "von jenseits von 100 Millionen Euro“. Denn die neue gesetzliche Regelung, die ab Oktober gelten soll, werde die Bürgermeister auch etwas unter Druck setzen: "Jeder Bürgermeister, der von seinem Land etwas will, wird künftig gefragt werden, ob er denn schon in dieser Sache mit anderen Gemeinden kooperiere“, erwartet Kneifel. Hilfe werde geboten: In Oberösterreich soll kooperationswilligen Gemeinden künftig ein Betreuer zur Seite gestellt werden, der sie auf dem Weg zu Vereinfachung und Einsparung juristisch und administrativ unterstützt.

Geht es nach dem oberösterreichischen Bundesrat, dann sollen noch weitere Reformen nach diesem Muster erfolgen: Die Idee kommt aus den umfangreichen Materialien des Österreich-Konvents - eine "Fundgrube für Reformen“ -, die Umsetzung initiiert der Bundesrat: "Der Bundesrat hat sich erstmals als Initiator eines Gesetzes bewährt“, sagt Kneifel, "jetzt müssen weitere Initiativen an der Schnittstelle von Bund und Ländern erfolgen.“ Notwendigkeit und Vorschläge lägen vor.

Konkret geht es um den Abtausch der - für die Bürokratie sehr aufwendigen - wechselseitigen Zustimmungsrechte zwischen dem Bund und den Ländern, konkret zwischen dem Ministerrat und den Landesregierungen.

Wieso, fragt Kneifel, müsse denn die Bundesregierung um Zustimmung gefragt werden, wenn eine Landesregierung in ihrem Bereich etwa eine Wasserrechts- und eine Naturschutzabteilung zusammenlege? Warum ist die Bestellung eines Landesamtsdirektors der Regierung in Wien vorzulegen? Darauf ließe sich verzichten, das "anachronistische Zustimmungsrecht des Bundes gehört abgeschafft“. Im Gegenzug verzichten die Länder auf ihre Mitwirkung in der Einrichtung von Bezirksgerichten: "Die Justiz ist und bleibt Bundessache“, meint Kneifel. Unstrittig ließen sich so Berge an Akten rasch abtragen. Wofür auch der Präsident des österreichischen Gemeindebundes, Helmut Mödlhammer, Vorschläge in die Diskussion einbrachte. "Die Kinderbetreuung etwa könnten die Gemeinden locker in alleiniger Zuständigkeit übernehmen“, sagte Mödlhammer kürzlich vor dem Gemeindetag in Kitzbühel: "Da brauchen wir keine vier Ministerien und neun Länder, die mitreden.“ Der Spitalsbereich hingegen "wäre in anderen Händen besser aufgehoben“.

Eine Absage erteilt Mödlhammer den Vorschlägen, Gemeinden zusammenzulegen. Das nehme Identität und Motivation, erbrächte keineswegs die gelegentlich angedeuteten Einsparungen von bis zu 400 Millionen Euro. Einen anderen Vorschlag für eine Zusammenlegung präsentiert diese Woche die Industriellenvereinigung: Ein Superwahlsonntag auf Landes- und Gemeindeebene könnte helfen, wahlkampfbedingte Blockaden zu vermeiden.

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