"In Panik geschnürte Pakete"

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Wolfgang Petritsch ist Österreichs Botschafter bei der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der die 30 führenden Wirtschafts- und Industrienationen angehören.

Die Furche: Vergangenes Wochenende tagten die EU-Staats- und Regierungschefs zum Thema Wirtschaftskrise. Heraus kamen Absichtserklärungen. Ein wenig mager angesichts der Dringlichkeit der Lage.

Wolfgang Petritsch: Ein schlüssiges Konzept zur Bewältigung der Krise ist von einem kurzen Treffen nicht zu erwarten. Denn letztlich stellt die gegenwärtige Situation, die Banken und die Realwirtschaft gleichermaßen heimsucht, vor allem unsere verschwenderische Lebensweise - den capitalist Lifestyle - gründlich in Frage. Darauf können weder Politik noch Ökonomen allein eine Antwort finden.

Die Furche: Der IMF warnt aber, alle Konjunkturpakete könnten umsonst sein, wenn nicht rasch an Reformen gearbeitet wird.

Petritsch: Sicher ist, dass aufgrund der Vehemenz der Krise die Koordination nicht greift. Die Krisenpakete wurden sehr rasch und manchmal in Panik geschnürt. Man weiß ja eigentlich heute noch nicht, wann wir den Tiefpunkt der Krise erreicht haben werden. Insofern ist jedes Paket eine Investition in die Hoffnung.

Die Furche: Bei den vielen Milliarden eine sehr teure Hoffnung.

Petritsch: Es kann einem schon Kopfzerbrechen bereiten, wenn man sieht, dass man bisher eigentlich nur auf jene Fehler geschielt hat, die die Staaten 1929 gemacht haben, und nun meint, ausschließlich mit dem Gegenteil das Richtige zu bewirken.

Die Furche: Gerade Österreich stellt den Banken sehr großzügig Steuergeld zur Verfügung.

Petritsch: Das sind Nachwirkungen eines neoliberalen Gestus, der das Bankensystem als etwas Besonderes behandelt. Er hat dazu beigetragen, dass man ohne gesellschaftliche Gegenleistung Steuergeld zur Verfügung stellt. Ich meine, dass öffentliche Gelder auch einer politischen Gegenverpflichtung bedürfen. Aber vielleicht hat bei dieser Entscheidung die Lage der österreichischen Banken in Osteuropa eine Rolle gespielt.

Die Furche: Die Regierung bemüht sich mit wenig Erfolg um ein Osthilfe-Paket, das in Wirklichkeit Österreichs Banken dort stützen soll.

Petritsch: Schon der Begriff Osthilfepaket ist unglücklich gewählt. Da schwingt etwas Gönnerhaftes mit, wir müssten den "Ostlern" helfen. Es war nicht gut zu sagen, dass das Geld gar nicht für uns, sondern für jemand anderen sei. So ist eben die erhoffte Reaktion ausgeblieben. Dabei wäre Solidarität unter den EU-Mitgliedern sehr wichtig.

Die Furche: Heißt Solidarität dabei, österreichische Banken in Ungarn und der Ukraine zu schützen oder eine gesamteuropäische Anleihe zu schaffen, die jenen Ländern zugute kommt, die von der Krise besonders hart betroffen sind?

Petritsch: Ich spreche mich sehr für eine solche gesamteuropäische Anleihe aus. Ich glaube, dass die Menschen in der Krise einen weiteren solchen Integrationsschub akzeptieren würden.

Die Furche: Die OECD versteht sich als Thinktank für die globalisierte Welt. Welche Vorschläge werden sie auf dem Weltkrisengipfel im April in London vorlegen?

Petritsch: Die OECD hat umgehend reagiert und einen umfassenden Katalog an Maßnahmen vorgelegt. Die strategische Antwort - so die Überschrift - legt ihr Augenmerk auf eine Reform der sog. Governance, das heißt ein der Globalisierung angemessener neuer Steuerungsmechanismus für das außer Rand und Band geratene Wirtschaftssystem. Dabei soll ein wenig Selbstkritik nicht schaden. Die OECD war in der Vergangenheit wohl zu sehr auf dem neoliberalen Geleise.

Die Furche: Sehen Sie Chancen, dass es bald zur Trockenlegung von Steueroasen kommt?

Petritsch: Dazu existieren schon sehr viele Vorarbeiten. Ich gehe davon aus, dass der G 20 Gipfel in London die dazu notwendigen Beschlüsse fassen wird.

Wolfgang Petritsch war für die UNO als Hoher Repräsentant in Bosnien tätig. Heute ist er Botschafter bei der OECD.

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