Indianer zum Angreifen

19451960198020002020

In Schönau (NÖ) schlagen Indianerstämme ihre Tipis auf.

19451960198020002020

In Schönau (NÖ) schlagen Indianerstämme ihre Tipis auf.

Werbung
Werbung
Werbung

Ein Hauch Indianerreservat weht durch Niederösterreich. Im "Indian Village" in Schönau schlagen Indianerstämme ihre Tipis auf.

"Vor hundert Jahren war das ein verwilderter Schloßpark", erklärt Parkmanager Ralph Kamensky. Später trainierte hier die Cobra, heute ist der Park endlich öffentlich zugänglich. "Wir haben Grasland, Wald und einen Fluß auf zehn Hektar Naturschutzgebiet, etwas Besseres kann man für so ein Event nicht finden," schwärmt er.

Alle zwei Wochen wird ein Indianerstamm eingeladen, die Landnahme erfolgt durch das Errichten einer traditionellen Behausung. "Wir wollen den Leuten hier unsere Kultur zeigen," sagt Jennifer Camille, eine junge Frau aus dem Stamm der Kamloops. Sie sitzt vor vielen, bunten Perlen und zeigt mit unendlicher Geduld, wie man Freundschaftsbänder knüpft oder farbenfrohe Muster auf Gewand und Mokassins näht. Doreen Kenoras neben ihr widmet sich dem Flechten kleiner Körbe aus Pinienrinde. "Meine Mutter hat mir gezeigt, wie das geht. Ich bin eine der letzten Bewahrerinnen dieser traditionellen Handarbeit," erklärt sie. Den jungen Secwepemc-Indianern bringt sie es jetzt wieder bei.Die zwei Frauen gehören zur Nation der Shuswap. Heute leben 6.000 in einem Reservat in British-Columbia, Canada. 17 Stämme zählen dazu, einige haben noch 1.000 Mitglieder, andere sind mit 150 Angehörigen vom Aussterben bedroht.

Reuben Silberbird stammt von einem berühmten Stamm. Er ist Apache, und immer im Dorf, um das ganze Jahr über zwischen Österreichern und Indianern zu vermitteln. "Er ist ein wahnsinnig lieber, guter Geschichtenerzähler," meint Ralph Kamensky. Silberbird räumt mit Vorurteilen aller Art auf: "Nicht alle Indianer wohnen in Tipis, die meisten leben in Städten und haben e-Mail- Anschluß," erklärt er. Nur noch 30 Prozent siedeln in den Reservaten, auch dort ist das moderne Zeitalter schon eingezogen.

Gelassene Lebensart Nur noch die Alten sprechen in den traditionellen Dialekten, die meisten Jungen können sie nicht mehr. "Vor 35 Jahren habe ich die Regierung um Hilfe gebeten, damit wir gegen die Armut und für die Bewahrung unserer Traditionen etwas unternehmen können," zeigte Silberbird soziales Engagement. 27 Colleges gibt es inzwischen, die sich für das Bewußtsein alter Werte unter den Jugendlichen einsetzen und ihnen das Rüstzeug mitgeben, in der modernen westlichen Welt zurechtzukommen.

Auf der Bühne des "Indian village" wird getanzt: mit schwarzen Federn geschmückt, führt ein Junge den "Adlertanz" vor. Die Musik kommt vom keyboard, eine Trommel schlägt den Rhythmus, country music schwingt melancholisch mit. "Unsere Musik hat alle Stile," lacht Silberbird. "Der Bub, der tanzt, ist ein elektronisches Genie." Vergangenheit und Zukunft liegen nahe beisammen.

"Ich hab den Indianern hier erklärt, wie man traditionell Bogen und Pfeile baut," meint Traugott Engelschön stolz. Der Mann mit dem wettergegerbten Gesicht kommt aus der Steiermark. Seit 26 Jahren schießt er mit dem Bogen, durch viel Lektüre hat er sich das Wissen angeeignet, das man braucht, um echtes Jagdwerkzeug nach indianischer Art anzufertigen. Das ist gar nicht so einfach: "Man muß das Holz richtig lagern und trocknen, damit es sich auch spalten läßt." Engelschön war auch schon in Kanada: "Dort kann man 2.000 Kilometer nach Norden gehen, ohne eine Stadt oder ein Dorf zu finden. Einmal waren mein Bruder und ich 29 Tage mit dem Kanu unterwegs, bis wir zum ersten Mal einen Trapper getroffen haben. Der hat uns mit Salz ausgeholfen, wir haben nur von Fischen gelebt." Bei den kanadischen Stämmen ist er als "steirischer Indianer" bekannt. Immer wieder fasziniert ihn die ruhige, gelassene Lebensweise seiner großen Vorbilder.

Beinahe ausgerottet "Ich bin der große Bär," meint der kleine Philipp. Er ist mit seiner Mama Ingrid Pinter aus Neudörfl gekommen: "Wir waren bei den Tipis, haben den Tänzern zugeschaut und sind Kanu gefahren." Sie findet das Dorf sehr gelungen, gerade basteln sie an einem Pfeil. "Soll ich Ihnen zeigen, wie man das richtig wickelt?" Engelschön hilft ihnen.

Ein paar Schritte weiter sitzt Terry Deneault und schnitzt eine Steinskulptur. Er ist Ratsmitglied im Stamm der Skeetchest, dem 552 Menschen angehören. Auch sie zählen zur Shuswap-Nation. Sehr engagiert vertritt er die Anliegen seines Volkes. Jedem, der will, erzählt er davon. Ein bißchen Englisch sollte man aber schon können. Dolmetscher für den Notfall finden sich immer.

"Bis Mitte der sechziger Jahre war sogar unsere eigene Sprache noch in den öffentlichen Schulen verboten. Wenn Eltern ihre Kinder dort nicht hinschicken wollten wurden sie verhaftet," erinnert sich der 45jährige. Durch dieses Verbot wurde die Muttersprache der indianischen Urbevölkerung beinahe ausgerottet. "Seit zehn Jahren haben wir eigene Schulen und sogar eine Universität. Es war sehr schwer Lehrer zu finden, die unser uraltes Wissen noch weitergeben konnten," erklärt Deneault. Er kämpft für die Erhaltung der indianischen Identität innerhalb einer freien Nation. Das bedeutet: Recht auf eigene Sprache, eigene Gesetze und eigenes Land. "Mein zwölfjähriger Sohn wird diesen Kampf einmal fortsetzen. Unsere Zukunft liegt in der Bewahrung unserer Kultur, Spiritualität und Tradition. Verlieren wir das alles, verlieren wir auch unsere Seele."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung