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Industrie: Kein Allheilmittel

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Die Jubiläurnsstimmuhg, die lim Herbst des vergangenen Jahres das Burgenland erfüllte, wurde zunächst durch die Budgetberatungen vor Weihnachten jäh unterbrochen. Nach außen waren die Budgetberatungen der Auftakt für die kommenden Wahlgänge. Neben der zu erwartenden Nationalratswahl werden im Burgenland im Herbst 1962 die Gemeinderatswahlen und im Frühjahr. 1963 die Wahlen in die Landwirtschaftskammer stattfinden.

Trügerische Festschalmeien

Die Budgetberatungen sollten daher diesmal dem Wähler zeigen, daß die Jubiläumsfeierlichkeiten die Koalitionsparteien keineswegs politisch ein-

geschläfert öder ihnen den Kampfwillen genommen, habeht Vielmehr war man bemuht, 'in der General- und Spezialdebatte attraktiv, aktiv und fortschrittlich zu erscheinen. Durch die Budgetberatüngen war man aber auch endlich dazu gekommen, eifrig die Auswertung der Volkszählung im Burgenland zu studieren und eine Zwischenbilanz über die bisher erfolgten Industrieansiedlungen zu machen. Das Ergebnis war nicht geradezu ermutigend — für beide Parteien. Die Festschalmeien und das Pathos der Jubiläumsreden waren mehr als trügerisch gewesen und verhinderten lange Zeit, offen und ungeschminkt über die schwierige Gegenwart und noch schwierigere Zukunft des Bundeslandes zu sprechen.

Nun ist es soweit, 4a.ß es keinen anderen . Ausweg mehr gibt,, als die Dinge zu sagen, wie sie liegen und nichts zu verschweigen, was unangenehm, schockierend oder gar ernüchternd wirken möchte.

Seit dem 40jährigen Bestehen des Bundeslandes Burgenland war die Landespolitik kaum vor so drängende und schwere Probleme gestellt wie im gegenwärtigen Augenblick. Die Parteipropaganda hat zwar dem Landesbürger eingeredet, daß die unmittelbare Nachkriegszeit als das „Heldenzeitalter“ unserer Demokratie und unseres Bundeslandes betrachtet werden müsse. Gewiß sollen die Leistungen, die in den vergangenen Jahren unter der Ära Karall-Wessely vollbracht wurden und diesen Spitzen-

politikern mehr oder weniger zugeschrieben wurden, nicht herabgesetzt werden, aber die wirtschaftlichen Probleme haben sich im Burgenland seit einigen Jahren derart verdichtet, daß sie die heutige neue Garnitur in der Landespolitik politisch und moralisch weit mehr beanspruchen als ihre Vorgänger.

Jenseits der Wahlparolen

Kein anderes Bundesland hat nur annähernd so schwierige Probleme zu bewältigen und um eine Lösung auf lange Sicht zu ringen, wie das Burgenland. Auch der Bund ist noch weit davon entfernt, die Situation östlich von der Leitha mit all ihren schicksalshaften Aspekten richtig einzuschätzen und die sich anbahnenden katastrophalen Auswirkungen zu unterbinden. Mit psychologisch gut motivierten Wahlprogrammen allein lassen sich die Existenzfragen des Burgenlandes nicht lösen. Diese Erkenntnis dürfte sich in letzter Zeit bei beiden Regierungsparteien immer stärker durchsetzen. Die politische Realität liegt jenseits der Wahlparolen und des taktischen Wahlmanövers.

Das große Konzept fehlt

Der Industrialisierungsgedanke des Burgenlandes ist, zweifelsohne eine alte Idee der Sozialistischen Partei.- Aber auf Grund seiner Herkunft hat er eine bestimmte “ideologische und parteipolitische Richtung und Tönung erhalten. In der Ersten Republik war der Industrialisierungsgedanke ein Instrument des Klassenkampfes und der parteipolitischen Eroberung. Man hatte es also mit einer Forderung zu tun, der eines fehlte: die Einordnung in ein gesellschaftspolitisches Konzept. Ein marxistisch orientierter Sozialismus konnte in der Ersten Republik noch nicht über eine umfassende Ordnungsvorstellung für eine harmonisch geordnete Gesellschaft verfügen, weil er damals noch überzeugt war, daß das Proletariat alle Produktionsmittel in der Hand haben und in der Folge die freie Gesellschaft liquidieren müsse.

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