"Insbesondere islamisch"

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Was ist in puncto Religion von der neuen Regierung geplant? Und wie ist es zu bewerten? Ein Gastkommentar.

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Was ist in puncto Religion von der neuen Regierung geplant? Und wie ist es zu bewerten? Ein Gastkommentar.

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Religion kommt im türkis-grünen Regierungsprogramm relativ oft vor, und zwar fast ausschließlich im Zusammenhang mit Integrations- und Sicherheitspolitik bzw. den Kompetenzen des Kultusamtes und dem Religionsunterricht. Der Fokus liegt dabei auf dem Islam. Man ist bei dieser Vernetzung an eine Bemerkung des deutschen Verfassungsrechtlers Christoph Möllers erinnert, der 2008 bei der deutschen Staatsrechtslehrertagung zu Recht feststellte, Religionsrecht sei „gegenwärtig wie kaum ein anderes juristisches Thema nicht nur historisch, sondern auch politisch besetzt, und scheint geradezu das eigentlich ,politische‘ Recht unserer Tage zu sein“. Dies ist allerdings alles andere als ein neues Phänomen, Religionspolitik und -recht waren schon immer durch andere Politikfelder überlagert worden.

Das vorliegende Regierungsprogramm zeigt nun die nicht unbedenkliche Tendenz, Religionsrecht zu einem Teilbereich von Integrations- und Sicherheitspolitik zu machen. Damit wird eine seit einigen Jahren feststellbare Vermischung von unterschiedlichen Konzepten für das Verhältnis Staat und Religion weiter gestärkt. Einerseits ist von einer notwendigen institutionellen „Trennung von Religion und Staat“ die Rede, und andererseits wird in Feldern, wo es zur Kooperation kommt, die staatliche Aufsicht verstärkt. Ein bekanntes Extrembeispiel einer solchen Politik ist die Türkei, die sich ungeachtet der immer noch geltenden laizistischen Verfassung aus 1982 seit über 90 Jahren eine einflussreiche Kultusbehörde leistet.

Laut Regierungsprogramm soll das Kultus­amt vielfach gestärkt und offenbar in Richtung eines österreichischen „Diyanets“
ausgebaut werden, das quasi kultuspolizeiliche Aufgaben übernehmen soll. Bei deren Aufzählung findet sich dann auch eine bemerkenswerte Formulierung bezüglich eines der zentralen Themen des Islamgesetzes, wenn von der „Sicherstellung einer effizienten Kontrolle des 2015 eingeführten Verbots der Auslandsfinanzierung von Religionsgesellschaften“ die Rede ist. In den Erläuterungen zum Islamgesetz wurde noch behauptet, dass dieses Verbot bereits seit dem 19. Jahrhundert, und zwar für alle Kirchen und Religionsgesellschaften, gelte. Gilt es nun für alle (und seit wann?) oder gilt es paritätswidrig seit 2015 nur für islamische Religionsgesellschaften?

Der eigentliche Adressat

Ein Musterbeispiel für die Überlagerung eines religionsrechtlichen Themas durch eines der genannten Politikfelder ist der einen breiten Raum einnehmende, integrationsfördernde Religionsunterricht, dessen bekenntnisorientierte Konzeption zwar beibehalten wird, der aber verstärkt unter staatliche Aufsicht gestellt werden soll. Mehrmals findet sich der Hinweis „insbesondere islamisch“. Damit soll offensichtlich einerseits klargemacht werden, wer der eigentliche Adressat dieser Maßnahmen ist, und andererseits darf man wohl die paritätische Behandlung der Kirchen und Religionsgesellschaften nicht aus dem Auge verlieren.

Die im Programm vorgesehene Verstärkung des Instrumentariums der Evaluierung und Qualitätssicherung von Büchern und Materialien im Religionsunterricht ist jedenfalls ein berechtigtes Anliegen und sollte wohl im Interesse aller Kirchen und Religionsgesellschaften unbestritten sein.

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