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Ein Mangel an Arbeitskräften, vor allem an guten Fachkräften, Spezialisten und langjährig ausgebildeten Experten macht sich in der freien Wirtschaft, in zunehmendem Maße aber auch bei den Einrichtungen der öffentlichen Hand und der Verwaltung bemerkbar. Außer in den langjährigen „Notstandsgebieten“, wie sie etwa beim Krankenpflegepersonal der Krankenanstalten zu sehen sind, fehlen bereits Kräfte bei jenen Institutionen, die seit Jahren entweder überhaupt keine oder nur sehr sparsam neue Kräfte aufnahmen, bei Post, Bahn und in der Verwaltung.

Diese Situation, nämlich die Ausschöpfung aller vorhandenen Arbeitskräfte, muß uneingeschränkt als erfreulich bezeichnet werden; die damit gewiß auch verbundenen Schattenseiten sollen dabei keineswegs übersehen werden. Die praktisch völlige Inanspruchnahme aller Arbeitskraftreserven könnte — wenn man die heute gegebene Chance zu nutzen weiß — gleichzeitig eine Initialzündung für eine Verwaltungsreform und Verwaltungsvereinfachung darstellen, die wohl vom Staat ausgehen müßte, keineswegs aber nur den Bereich der öffentlichen Hand BötÜtk-i sichtigen dürfte. . . ■ :

Überdenken wir die Ursachen unserer teilweise viel zu aufgeblähten öffentlichen Verwaltung, so sehen wir drei Hauptursachen:

• Die hypertrophe, die allzu üppige, umfangreiche und komplizierte Gesetzgebung. Es 'ist doch klar: Wenige, einfache und gute Gesetze kommen mit einem kleinen Verwaltungsapparat aus; viele, komplizierte und schlechte Gesetze, die Mentalität, alles und jedes gesetzlich zu regeln, benötigt einen gewaltigen und immer größer werdenden Verwaltungs- und Überwachungsapparat I

• Jeder Verwaltungsapparat, jede nur lässig ge-zügelte Bürokratie hat es von Natur aus in sich, sich zu vermehren. Jeder Beamte will Untergebene und neue und mehr Untergebene, weil damit die Chance steigt, daß er mehr Macht bekommt und seine Dienststellung und sein Dienstgrad einer Erhöhung bedarf Das „Parkinsonsche Gesetz“, von dem bekannten britischen Autor humorvoll dargestellt und leicht übertrieben, ist tagtäglich zu beobachten.

• Die Trägheit breiter Massen, überall und bei jeder Gelegenheit nach dem Staat, nach einem Gesetz, einem Verbot, nach staatlichen Organen zu rufen, unterstützt die ersten beiden Tendenzen, gibt ihnen die scheinbare moralische Autorität, verhindert zumindest weithin jede echte und notwendige Kritik.

Hinzu kommt eine Fülle weiterer kleinerer Ursachen: Der durch Krieg, Kriegsbewirtschaftung und Nachkriegsbewirtschaftung ganz außerordentlich aufgeblähte Beamtenapparat konnte aus vielerlei verständlichen menschlichen Gründen keineswegs auf das seinerzeitige Maß zurückgeschraubt werden. Andere Stellen, deren Arbeitsgebiet logischerweise rückläufig ist (wie etwa die Invalidenämter) oder deren Arbeitsgebiet unterschiedlich, überwiegend ebenfalls rückläufig ist (wie das der Arbeitsämter), führen ihren Be-schäfrigtenstand keineswegs auf das notwendige Mindestmaß zurück.

Der wichtigste Ansatzpunkt liegt aber zweifellos nicht beim Beamten, sondern beim Gesetzgeber. Eine Modernisierung und Kodifikation unserer Gesetzgebung, ihre Vereinfachung und volkstümliche Gestaltung, wird wichtige Voraussetzungen schaffen. Eine vernünftige Dezentralisation mit einer weitgehenden Verlagerung der Verantwortungsbereiche nach unten, wo noch überschaubare Bereiche vorhanden sind, wird weitere Möglichkeiten schaffen. Vor allem muß aber eine weitere Vereinfachung bei jedem neuen Gesetz oder jeder gesetzlichen Regelung angestrebt werden, wie dies etwa beispielhaft im letzten Finanzausgleich erzielt wurde.

Eine Verwaltungsvereinfachung ist schließlich nicht ohne aktive Mitarbeit der Beamten selbst möglich. Als seinerzeit Bundeskanzler Raab auf den Zusammenhang zwischen Gehaltserhöhung und Verwaltungsreform hinwies, fand er kein freundliches Echo, und man ging über diese Forderung ganz einfach hinweg. Dabei findet es jeder Arbeiter und Angestellte eines Privatbetriebes für selbstverständlich, daß ein zweckmäßig arbeitender und sparsamer Betrieb Voraussetzung für seine materielle Besserstellung ist. Nicht anders ist es beim Staat: Auf die Dauer wird eine gute Bezahlung der Beamten nur durch eine rationell und sparsam arbeitende Verwaltung sichergestellt werden können. Je intensiver die Beamten und übrigen Bediensteten des öffentlichen Dienstes an einer solchen Verwaltungsvereinfachung teilnehmen (wozu sie übrigens angeeifert, zumindest nicht abgeschreckt werden dürfen!) um so mehr wird dieser so wichtige Stand an Ansehen gewinnen, was eine ebenfalls recht bedeutsame und notwendige Nebenwirkung darstellen würde. Inwieweit die bei uns reichlich starke Vertretung von Männern aus dem öffentlichen Dienst in unserer gesetzgebenden Körperschaft - ein Ding, das in den westlichen Demokratien, vor allem Amerika und England, völlig ausgeschlossen ist! — hier bremsend, fördernd oder überhaupt nicht in Aktion trat, wäre einer eigenen Untersuchung wert.

Man wird aber die Grenzen einer Verwaltungsreform nicht zu eng und keineswegs nur auf den staatlichen Bereich beschränken dürfen. Eine Reform der Lohnsteuer, die zum Beispiel die Handelskammer seit zehn Jahren und seit kurzem auch die Arbeiterkammer fordert, würde schlagartig die ebenfalls unerfreulich aufgeblähten Buchhaltungen der Privatbetriebe entlasten, was wieder Einfluß auf die Preisgestaltung haben müßte. Daneben würden solche Maßnahmen, die es auch dem einfachen Staatsbürger wieder erlauben würden, Gesetze zu lesen und zu verstehen, das Vertrauen des Bürgers in seinen Staat, in den Gesetzgeber und in die Verwaltung stärken oder überhaupt neu schaffen.

Schließlich müssen auch die Grenzen einer Verwaltungsreform gesehen werden: Eine Kürzung etwa des Instanzenweges, der Berufungsmöglichkeiten usw. wäre nur scheinbar eine Reform und würde nur die nicht allzu starken Sicherungen unseres Rechtsstaates weiter abbauen.

Kürzung der Partrouillengänge der Sicherheitsorgane, radikale Kürzungen der Öffnungszeiten bei Postämtern usw. sind simple Er-sparungsmaßnahmen, die vielleicht nötig sind, aber mit einer Verwaltungsreform auch schon gar nichts zu tun haben.

Zahlreiche Beispiele aber aus dem privaten, halbstaatlichen und staatlichen Sektor, etwa die einmalige Zählerablese jährlich beim Strom und monatliche Verrechnung nach der vorjährigen Summe, die zweimonatliche Verrechnung der Telephongebühren, die Handhabung der Auto-steuer und verschiedenes anderes mehr zeigen auf, daß es nicht an Einzelinitiative fehlt, daß aber noch eine Fülle von Möglichkeiten vorhanden ist, die zu nützen gerade jetzt Chancen wie nie zuvor hätte!

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