Journalistenkanzler

Werbung
Werbung
Werbung

"Ganz Österreich war bei ihm angestellt" - und besonders die Journalisten, sagt Alfred Reiter, Ex-Kabinettschef von Bundeskanzler Bruno Kreisky.

Bruno Kreisky 1911-1990

Bundeskanzler

Bundeskanzleramt, Besprechung des Bundeskanzlers mit hochrangigen Persönlichkeiten, ein Journalist vom, sagen wir, Ybbstaler Boten ruft an, will den Kanzler sprechen - und wird sofort durchgestellt. "Bruno Kreisky hat darauf bestanden, dass jeder schreibende Journalist zu jeder Zeit unverzüglich mit ihm verbunden wird", erzählt Alfred Reiter, "und außer bei hohen Staatsbesuchen sind wir dieser Aufforderung nachgekommen." Reiter war von 1972 bis 1975, in der Zeit der ersten spö-Alleinregierung, Kreiskys Kabinettschef. Und er und andere Mitarbeiter haben unter dieser "Vorrang für Journalisten"-Regel ihres Chefs nicht selten gelitten. Reiter: "Auch wenn sich die Arbeit gehäuft hat - für die Beantwortung einer Journalistenfrage hatte der Kanzler immer Zeit."

Kreisky hat seine Arbeit nicht so sehr als Managementaufgabe, sondern vielmehr als "künstlerische Tätigkeit" verstanden, sagt Reiter: "Politik generell und Bundeskanzler-Sein im Speziellen war für Kreisky ein immenser Prozess der Kommunikation." Insofern war auch die Nummer des Bundeskanzlers im Telefonbuch "kein Schmäh", sondern es ist immer wieder vorgekommen, so Reiter, dass Kreisky mit dem Anliegen einer Privatperson ins Amt gekommen ist, von dem er vorher zu Hause per Telefon erfahren hat.

"Sozialdemokraten müssen erklären", zitiert Kreisky in seinen Memoiren zustimmend Willy Brandt. Kreisky hat aber auch "wie ein Schwamm Ideen aufgesaugt", fügt Alfred Reiter, der nach seiner Zeit im Kanzleramt wieder ins Bankgeschäft zurückgegangen ist, hinzu. Kreisky konnte "penetrant zuhören", sagt Reiter, besonders wenn der Bundeskanzler einfache Leute zum Visavis hatte - und was Themenfindung und Problemlösung anbelangt, ist Reiter überzeugt, war in dieser Zeit "in Wahrheit ja ganz Österreich bei ihm angestellt".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung