Kampf dem ungenierten Bund
Mit dem Bundesrat würden die Länder ihrer mühsam erkämpften Eigenständigkeit beraubt.
Mit dem Bundesrat würden die Länder ihrer mühsam erkämpften Eigenständigkeit beraubt.
In Vorwahlzeiten geraten ernste und wichtige Themen auf ein Diskussionsniveau, das sachliche Auseinandersetzung erschwert. So hat das Liberale Forum anstelle anspruchsvoller Diskussion über Reformen vorgeschlagen, den Bundesrat abzuschaffen. Erheblich überschätzte Summen würden eingespart. Auf solche Art könnte man hinsichtlich verwandter Vorschläge bei den Landtagen rasch bei der Frage landen, ob nicht eine Demokratie auch kaputtgespart werden kann. Außerdem, wie ist im Verhältnis zum Bundesrat eigentlich das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Kleinpartei mit staatlicher Förderung von über 40 Millionen Schilling pro Jahr zu sehen. Der Hinweis zeigt, daß solche Überlegungen nicht der richtige Ansatz für Reformen sein dürfen.
Vergessen scheint, daß der Bund 1993 mit den Ländern vereinbarte, über die Neuordnung des Bundesstaates auch eine grundsätzliche Reform des Bundesrates "im Sinne der Stärkung seiner Stellung als Länderkammer" zu betreiben. Das fand im Nationalrat ebensowenig Umsetzung wie die Bundesstaatsreform. Daß nun von Nationalratsabgeordneten das Ausbleiben von Reformen beklagt wird, rundet das Bild ab, kann nicht dem Bundesrat zugerechnet werden.
Länder ausgebootet Zurechnen lassen muß er sich, daß seine Mitglieder die Interessen der Nationalratsfraktionen vielfach mit größerer Hingabe als jene der Landtage vertreten. Die Länder sind dafür mitverantwortlich, weil sie dieser Ausbootung wenig entgegensetzen. Das ist weniger eine Frage von Verfassungsreformen, sondern des Durchsetzungswillens der Länder und der Bereitschaft von Bundesratsmitgliedern, bei der Entscheidungsfindung die Anliegen des Landes über Fraktionsinteressen zu stellen.
Der in der Entstehungsgeschichte des Bundesrates liegende Reformstau führt zum Vorschlag, Reform durch Abschaffung zu ersetzen. Zumal ohnedies die Landeshauptleutekonferenz und der bei Gesetzgebungsvorhaben anzuwendende Konsultationsmechanismus den Bundesrat funktionslos mache. Wichtig ist, daß der - verfassungsrechtlich nicht abgesicherte und vom Bund jederzeit kündbare - Konsultationsmechanismus die Länder vor Überlastung ihrer Budgets schützt, nicht aber vor Eingriffen in ihre Gesetzgebungs- oder Vollziehungszuständigkeiten.
Kritiker verschweigen, daß hier die wesentliche Aufgabe des Bundesrates liegt. 1984 wurde in der Bundesverfassung verankert, daß der Bundesrat bei solchen Gesetzen nicht nur aufschiebendes Veto hat, sondern - mit Zweidrittelmehrheit - zustimmen muß. Die früher ungenierten Regelungen des Bundes im Zuständigkeitsbereich der Länder sind seither zurückgegangen und die Verhandlungsposition der Länder wurde mit dieser Einflußmöglichkeit im Rücken gestärkt. Daß keine Zustimmungen versagt wurden, ist kein Zeichen von Schwäche in Konflikten, sondern Hinweis, daß sich die Länder in der Konfliktbereinigung vorher durchsetzten. Das gilt umso mehr in einer Zeit, in der die Regierungsparteien sowohl im Nationalrat als auch im Bundesrat über die Mehrheit verfügen und vor diesem Hintergrund Einflußnahme im Vorfeld gemeinsamer Entscheidungen wirkungsvoller ist als nachträgliche Ablehnung.
Mit dem Bundesrat würde nicht nur ein gewaltenteilendes Organ der Bundesgesetzgebung abgeschafft, sondern die Länder eines mühsam erkämpften verfassungsrechtlichen Schutzes ihrer Eigenständigkeit beraubt. In keiner einzigen Wortmeldung wurde deutlich, wer konkret an die Stelle des Bundesrates treten sollte - die Landeshauptleutekonferenz, die Mehrheit der Landtage, Volksabstimmungen in den Ländern, ein Generallandtag oder etwa niemand?
Wenn man die Diskussion vor dem Hintergrund sieht, wie sehr die Landtage in Frage gestellt werden und wie sehr eine Monopolisierung innerstaatlichen Gesetzgebung durch den Nationalrat betrieben wird, ergeben die verstreut geworfenen Steinchen ein Mosaik. Die Abschaffung der Länder zu fordern, ist nicht populär - die Abschaffung des Bundesrates ist politisch risikoloser und tut auf lange Sicht letztlich den selben Dienst.
Der Autor ist seit 1. Juli Präsident des Bundesrates.
Zum Thema Bundesrat ade?
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