Kampf gegen Sklavenmarkt

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Im Sudan werden Christen entführt, um Moslems als Sklaven zu dienen. Nun kauft sie eine Organisation wieder frei - und erntet heftige Kritik.

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Im Sudan werden Christen entführt, um Moslems als Sklaven zu dienen. Nun kauft sie eine Organisation wieder frei - und erntet heftige Kritik.

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Ich wurde im Mai aus meinem Dorf entführt. Die ersten 20 Tage verbrachte ich hinter einer Umzäunung für Vieh. Dann folgte ein zehntägiger Fußmarsch zum Dorf meines neuen Herren. Sein Name ist Mohammed. Ich mußte Feuerholz sammeln, Vieh hüten und andere Hausarbeiten verrichten. Die Arbeit war sehr schwer, und ich mußte rund um die Uhr zur Arbeit bereit sein. Das Essen war armselig, mein Schlafzimmer war der Hühnerstall. Während der Abwesenheit von Mohammed wurde ich von verschiedenen Personen geschlagen und vergewaltigt. Mohammed hatte drei Frauen, eine versteckte immer etwas Essen für mich. Als dies die anderen beiden bemerkten, verfütterten sie das Essen vor meinen Augen an die Hunde."

Abuk Deng, eine junge sudanesische Mutter, war eine von Tausenden Sklaven und hatte Glück im Elend: Sie wurde von der überkonfessionellen Organisation "Christian Solidarity International (CSI) Schweiz" freigekauft.

Viele andere Frauen, die im bürgerkriegs-geschüttelten Sudan verschleppt wurden, gehen buchstäblich vor die Hunde. Als Haussklavinnen, Mägde auf Acker und Weide sowie als Sexobjekt ihrer "Meister" leben sie unter ständiger körperlicher Mißhandlung; Ungehorsam kann ihren Tod bedeuten. Viele werden sexuell verstümmelt.

Auch Kindern bleibt Zwangsarbeit nicht erspart. Buben müssen nicht selten Soldaten abartig befriedigen. Der typische Sklavenhalter, schreibt die private Organisation "Anti-Slavery International" in ihrem Sudan-Report, ist ein Bauer mit ein wenig Land und ein paar Ziegen oder Kamelen. Immer wieder gelingt es Eltern, ihre Kinder um bis zu fünf Kühe oder ein Gewehr samt Munition freizukaufen.

Mit dem Kauf von 157 der Tausenden Sklaven hat nun CSI-Schweiz spektakulär auf das Schicksal der gefangenen Christen, die oft zu islamischen Praktiken gezwungen werden, aufmerksam gemacht. Begleitet von einem Journalistenteam der Associated Press, zahlten die Schweizer ein Bündel abgegriffene sudanesische Pfund, umgerechnet etwa 100 US-Dollar, pro Sklave an Mittelsmänner, die angeblichen Befreier. Insgesamt will die Organisation seit Oktober 1995 800 Sklaven zur Freiheit verholfen haben.

Für die Aktion hagelt es international heftige Kritik. Mike Dottridge von "Anti-Slavery International" in London: "Als Organisation machen wir keine Freikäufe, das steckt Geld in ein System, das dadurch weiterbestehen kann." Ein System, das Sklavenbedarf bei mörderischen Überfällen auf unbewaffnete Dörfer deckt. Das "Medien-Event" (Dottridge) habe nicht dazu geführt, "daß sich der Preis für einen Sklaven auch nur geringfügig erhöht hätte", hält dem Hansjürg Stückelberger, Präsident der Schweizer Organisation, entgegen. "Es gibt auch keinen Hinweis darauf, daß Sklavenraubzüge wegen unseres Einsatzes an Häufigkeit zugenommen hätten." "Das erscheint mir nicht plausibel", sagt Pater Franz Helm, Generalsekretär von missio austria, "normalerweise steigen die Preise mit der Nachfrage ...". Für Helm ist auch "nicht genau genug abgeklärt", daß die Sklaven tatsächlich in ihre Familien zurückkommen. Eine neuerliche Entführung scheint also nicht ausgeschlossen. "Die gehen zu ihren Großfamilien zurück", versichert Stückelberger, räumt aber ein, zu einer Überprüfung "nicht in der Lage" zu sein. Weitere Sklavenfreikäufe sollen dennoch folgen.

Die Skepsis hat längst das weltweite CSI-Netz erfaßt. Die britische Filiale will "flexibler und unabhängiger", agieren, auch CSI Österreich geht auf Distanz zur Aktion und stellt fortan "Christen in Not" im Namen voran.

Daß andere Maßnahmen nachhaltiger helfen können, zeigt der Forderungskatalog von "Anti-Slavery International" zur Ausrottung der Sklaverei im Sudan: * Polizeihilfe bei der Suche nach Angehörigen und Freiheit mit legalen Mitteln statt durch Freikauf; * Beobachtung durch lokale und internationale, regierungsunabhängige Menschenrechts-Experten; * Unterstützung für traditionelle Versöhnungsmethoden; * internationales Know-how für eine nationale Agentur zur Familienzusammenführung; * Stopp der Rekrutierung von Kindersoldaten durch alle Parteien.

Die meisten Forderungen richten sich an die Regierung im Norden des Landes, nicht zuletzt wegen der von ihr seit Mitte der achtziger Jahre mit automatischen Waffen und Fahrzeugen aufgerüsteten Milizen. Denn, so der Sudan-Report der Organisation, dieser Puffer gegen die Regimegegner im Süden hätte "ein soziales Chaos" geschaffen, "aus dem Sklaverei wiederentstehen konnte".

Auch "Warlords", die gegen regierungsfreundliche Milizen kämpfen, sind für übelste Menschenrechtsvergehen verantwortlich, wie der Jahresbericht von "amnesty international" zeigt: "Bewaffnete Oppositionsgruppen waren für schwere Übergriffe wie die Inhaftierung von gewaltlosen politischen Gefangenen, die Anwendung der Folter, Kindesentführungen sowie vorsätzliche und willkürliche Tötungen verantwortlich." Dottridge kritisiert daher scharf, daß die Schweizer "eindeutig auf einer Seite des Bürgerkrieges und gemeinsam mit bekannten Figuren der Opposition eingreifen und Leute über die Frontlinie schaffen". "Die Opfer", rechtfertigt sich Stückelberger, "sind zum großen Teil im Süden". Klar scheint: Wer so eine Aktion startet, muß sich mit lokalen Kriegsherren arrangieren. "Anders als für CSI", will sich Dottridge von keiner Kriegspartei vereinnahmen lassen, "ist für uns eine direkte Beteiligung der islamistischen Regierung an den Sklavenjagden nicht klar". Nachsatz: "Aber sie hat verabsäumt, das zu unterbinden."

Auch wenn der Freikauf der verworrenen Kriegssituation nicht gerecht wird, so hilft er dem einzelnen Befreiten sehr. Das anerkennen auch die Kritiker der Aktion. Aber die Skepsis überwiegt. Franz Helm doppelsinnig: "Das ist schon beeindruckend. Damit läßt sich sicher gut um Spenden werben."

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