Kampflächeln für Europa

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Die unüberlegte Strafaktion von 14 EU-Regierungen gegen einen wehrlosen 15. Partner in der Gemeinschaft erwies sich als Hirngespinst ideologischer Abenteurer.

Projekt Europa unter Beschuss" titelte die Presse am Sonntag schon Anfang Juni -und unter solchen Vorzeichen übernimmt Österreich am 1. Juli den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Es kann haarig werden.

Verzagen braucht das Wiener Regierungsteam nicht, denn im Ernstfall kann es auf das gerade rechtzeitig erschienene Buch der Ex-Außenministerin und Ex-Präsidentschaftskandidatin Benita Ferrero-Waldner zurückgreifen, in dem die heute 69-Jährige höchst freimütig aus ihrem politischen Leben erzählt und pittoreske Erlebnisse während der sogenannten "EU-Sanktionen" gegen Österreich in den bitteren Monaten ab 31. Jänner 2000 schildert. Die Einzelheiten wurden vom ehemaligen Presse-Journalisten Ewald König redigiert und aufgezeichnet.

Als Außenministerin im neuen Kabinett Schüssel musste sich Ferrero-Waldner persönlich der Welle von Anfeindungen stellen. Bloß weil Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eine Koalition mit der FPÖ eingegangen war, wurde Österreich von den 14 übrigen Mitgliedsstaaten (mehr waren es damals noch nicht) regelrecht ausgestoßen. Die 14 Regierungen brachen alle Kontakte ab, verweigerten jede Zusammenarbeit, ja sogar den Händedruck mit offiziellen Österreichern.

Die unüberlegte Strafaktion von EU-Sanktionen durch 14 EU-Regierungen gegen einen wehrlosen 15. Partner in der Gemeinschaft erwies sich nachträglich als Hirngespinst ideologischer Abenteurer, das hierauf nicht zuletzt dank Ferrero mutig und in unendlicher Geduld zerfasert und schließlich zerrissen wurde. Sie unterlief im EU-Ministerrat alle Peinlichkeiten und ungehobelten Attacken. Am 14. Februar hätte sie im ersten Ministerrat normalerweise Gratulationen zu ihrem Außenministeramt einsammeln können, aber: "Ich wusste, dass niemand mit mir reden durfte und mir niemand die Hand reichen durfte. Bewaffnet mit der Aktentasche in der einen und ein paar Akten in der anderen Hand ging ich in den Sitzungssaal, um niemanden in Verlegenheit zu bringen. Plötzlich hatten sie offensichtlich alle Angst vor mir und wollten mich nicht mehr kennen. Keiner hat mit mir geredet."

Die feindliche Front konnte nicht juristisch, vielleicht aber doch politisch aufgeweicht werden. "Meine Strategie war, immer ruhig zu argumentieren, Geduld aufzubringen, auf keinen Fall jemanden zu beleidigen. Lächelnd, aber sehr klar brachte ich unsere Argumente vor." Das war das berühmt gewordene Kampflächeln einer überzeugten Europäerin für ein gemeinsames Europa.

"Ihr werdet das nicht durchhalten"

Zu den Abgefeimtheiten gehörte, dass die Treibjagd gegen Österreich auch von der OSZE, der von der EU völlig unabhängigen einstigen "Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa", übernommen wurde. Sie tagte in der Hofburg, und die österreichische Außenministerin führte den Vorsitz. Ferrero: "Auch in der OSZE versuchten die Franzosen und die Belgier, aber auch die Deutschen, mich fertig zu machen." Belgier und Franzosen blieben ihrer Ansprache fern. Der norwegische Außenminister hielt eine aggressive Rede gegen die ÖVP-FPÖ-Regierung, aber Ferrero-Waldner drehte den Spieß um. "Ich sah im Zusammentreffen des OSZE-Vorsitzes und der Sanktionenphase sogar eine große Chance. Wenigstens in meiner OSZE-Funktion konnte mich niemand von Besuchen ausladen oder Gespräche verweigern." Der deutsche Außenminister und Grüne Joschka Fischer kam auf sie zu und sagte: "Ihr werdet doch nicht glauben, dass ihr das durchhaltet und mit so einer Regierung vorangehen könnt."

Ein wichtiges ihrer Argumente war, dass der im Ausland zur Teufelsfigur aufgeblasene Jörg Haider gar nicht der Regierung angehörte. Allmählich schaffte sie es tatsächlich, Tauwetter herzustellen, zumal die meisten EU-Politiker merkten, dass sie sich aufs Glatteis begeben hatten. "Die Mauer des Schweigens, die man gegen uns aufgebaut hatte, hielt nicht mehr stand."

2004 wurde Ferrero-Waldner nicht zuletzt wegen ihrer in der österreichischen Bevölkerung anerkannten Leistung für Österreich von der ÖVP als Präsidentschaftskandidatin aufgestellt, allerdings viel zu spät. Dennoch hat Ferrero den Wahlsieg nur knapp hinter Heinz Fischer verfehlt. Mit Blick auf die seither eingetretenen großräumigen Veränderungen ließe sich konstatieren: Heute könnte sie sich theoretisch Chancen ausrechnen, als erste Frau in die Hofburg einzuziehen. Aber mit ihrem offenherzigen Buch scheint sie ihre politische Ära nicht nur beschrieben zu haben, sondern hinter sich zu lassen.

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