Karotten statt Peitsche

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Weniger Unterrichtsstunden, weniger Geld, mehr und strengere Sanktionen - das unterscheidet Österreichs so genannte Integrationsvereinbarung von den vorbildlichen Modellen in Holland und Schweden.

Hollands Integrationsmodell ist mittlerweile neben Tulpen und Käse das wichtigste Exportprodukt des Landes, meint Henk Snoeken. Er kommt sich schon vor wie ein Handelsreisender in Sachen Integration, scherzt der Beamte aus dem Innenministerium in Den Haag bei seinem Vortrag im Rahmen des letztwöchigen Symposiums "Sprache und Integration", bei dem die Integrationsverträge der Niederlande und Schwedens mit der gerade in seinen Grundzügen bekannt gewordenen österreichischen "Integrationsvereinbarung" verglichen wurden.

Schon die Gegenüberstellung der beiden Mottos, die den jeweiligen Konzepten die Richtung vorgeben sollen, zeigt die gegensätzliche Herangehensweise an das Thema Integration in Österreich und den Niederlanden: Während hier zu Lande die Parole "Integration vor Neuzuzug" gilt, spricht man in Holland von "Chancen bekommen, Chancen ergreifen". Zu diesen Chancen gehört erstens, dass jeder Zuwanderer in den Niederlanden das Recht und die Verpflichtung auf maximal 600 Stunden Sprachunterricht und beruflich-gesellschaftlicher Orientierung hat. Seit 1998 ist dieses Gesetz über die Integration von Neuzuwanderern in Holland in Kraft, vier Ministerien (Inneres, Arbeit, Unterricht und Gesundheit/Gemeinwohl) arbeiten bei der Umsetzung zusammen, rund 20.000 Personen werden pro Jahr betreut. Snoeken gibt zu, dass die Kooperation zwischen den Ministerien auch große Probleme schafft, doch man wollte die Verantwortung teilen, auf keinen Fall die Integrationspolitik in einem Ressort "entsorgen".

Am Anfang des Sprachkurses steht in jedem Fall eine Integrationsuntersuchung, die den jeweiligen Sprachstand ermitteln soll und den Ausgangspunkt zur Erstellung eines auf die Person zugeschnittenen Integrationsprogramms darstellt. Das Ausbildungsprogramm beginnt dann spätestens vier Monate nach der Untersuchung und muss innerhalb von eineinhalb Jahren abgeschlossen sein. Als Grundlage für dieses Procedere wird ein expliziter Vertrag zwischen den Niederlanden und den Zuwanderern angefertigt. Am Ende der Ausbildung steht eine Abschlussprüfung, Henk Snoeken sagt "Profiltest" dazu, wo man den Sprachstand ermittelt und damit eine Orientierungshilfe für die Phase "Weiterleitung" nach den Sprachkursen schafft.

5.000 Euro pro Person

Soweit die Neuzuwanderer, was aber tun mit den 464.328 "Alteinwanderern", fragt Snoeken und gibt sich und dem Auditorium gleich selbst die offizielle Antwort der Niederlande auf diese gewichtige Herausforderung: Auch hier wird mit auf die jeweilige Person zugeschnittene Lösungen gearbeitet. Im Unterschied zu den Neuzuwanderern besteht aber bei den eingesessenen Zuwanderern keine Verpflichtung zu den Kursen. Was nichts daran ändert, dass es bei dieser Gruppe lange Wartelisten für das Sprachlernangebot gibt, während die Behörden bei den Neuzwanderern trotz Verpflichtung einem "hohen Maß an Nichtteilnahme" - vor allem von jungen Müttern - gegenüberstehen.

Vollends aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt Henk Snoekens österreichische Zuhörerschaft als der holländische Beamte den finanziellen Rahmen des niederländischen Integrationsmodells absteckt: 165 Millionen Euro insgesamt, oder 5.000 Euro pro Neuzuwanderer sind budgetiert. Für die Sprachkurse der bereits im Land lebenden Zuwanderer stehen bisher 65 Millionen, ab kommendem Jahr 100 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld geht an die jeweiligen Gemeinden, die damit verpflichtet werden, die geeigneten Kurse anzubieten.

Österreich hat in der soeben zwischen den Koalitionspartnern ausverhandelten Integrationsvereinbarung gerade einmal 360 Euro pro Zuwanderer veranschlagt. Die Hälfte davon muss der zu den 100 Stunden Sprach- und Kulturkurs verpflichtete Immigrant anders als in den Niederlanden selbst berappen. Die Sanktionen bei Nichterfüllung der Integrationsvereinbarung sind in Österreich Geldstrafen, die Kürzung oder Streichung des Bundesbeitrags zu den Kursgebühren sowie in letzter Instanz das Auslaufen der Aufenthaltsgenehmigung und damit die Ausweisung. In den Niederlanden ist bei Nichteinhaltung des Vertrags eine Geldbuße vorgesehen, sie wird aber von den Gemeinden nur sehr selten verhängt, obwohl das Ministerium, so Henk Snoeken, mehr und mehr auch auf die Anwendung dieses Instruments drängt.

Tango: nur zu zweit!

Als Nachweis für den Sprachkurs für Zuwanderer in Österreich gilt ein bundesweit standardisierter Multiple-Choice-Test. Holland sieht in einer Art Einstufungstest das bessere Modell und auch Schweden testet die Sprachkenntnisse seiner Zuwanderer auf diese Weise: "Wir stellen mit unseren Tests fest, wie die Strecke aussieht, die noch zu gehen ist", erklärt die schwedische Integrationsexpertin Gunila Pupini. Wer scheitert wird nicht hinausgeschmissen, sondern auf einen passenden Pfad verwiesen. Wer besteht, wer vielleicht sogar sehr gut besteht, dessen oder deren Zeugnisse können den Weg bis zu den Universitäten ebnen. In Schweden werden je nach Bedarf, jedoch durchschnittlich 525 Sprachunterrichtsstunden für Zuwanderer angeboten. Verantwortlich für die Durchführung sind auch hier wie in den Niederlanden die Gemeinden. 3.300 Euro zahlt der Staat im Mittel für den Unterricht pro Person und pro Jahr. Wichtig dabei, dass das "Introduktionsgeld", der Betrag der für die Integration zur Verfügung gestellt wird, höher ist, als die Sozialhilfe. "Die Karotten müssen dich weiter treiben, nicht die Peitsche", meint Pupini. Und "It takes two to tango" ist das zweite Prinzip das die Schwedin hoch hält. Die öffentliche Ebene soll hier mit gutem Beispiel vorangehen, ist sie überzeugt: "Dann wird das ganze Volk schon mittanzen." Das tut es zwar noch nicht, gibt Gunila Pupini zu, aber ein genereller Unterschied in der Integrationspolitik zu Österreich ist trotzdem feststellbar: Hier geht die Politik mit schlechtem Beispiel voran, und man kann nur hoffen, dass nicht zu viele mittanzen.

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