Kein Anschluss unter dieser Nummer

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Was läuft falsch in der österreichischen Integrationsdebatte? Was soll ein Nationaler Aktionsplan für Integration leisten? Wer ist wie gefordert? Der Türke Dogan Necmi hat sich in Eisenstadt auf Handy-Reparaturen spezialisiert und eine gute Verbindung zu seiner neuen Heimat aufgebaut.

Das „Handy Hospital“ liegt nicht weit vom Adventmarkt am Domplatz von Eisenstadt. Dogan Necmi hat seinen Laden vor acht Jahren aufgemacht. Erste Kunden sind gekommen. „Ich habe nicht verstanden, was die Leute zu mir gesagt haben“, gibt er zu, „aber das Handy habe ich verstanden.“ Handys reparieren läuft immer nach demselben Prinzip. Die deutsche Sprache brauchte er dazu nicht. In der Türkei studierte Necmi Elektrotechnik. Heute, sagt er, sind seine Deutschkenntnisse besser, er könnte in seinem erlernten Beruf arbeiten. Doch in Eisenstadt findet er keine Arbeit in seinem Fach. Dass am 18. Dezember der „Internationale Tag der Migranten“ war, hat Necmi noch nie gehört. Ist ihm auch völlig egal: „Anpassen und korrekt sein ist viel wichtiger.“

Österreich ist ein Einwanderungsland, sagen Wissenschafter. Was sagt die Politik? Vergangene Woche ist Innenministerin Maria Fekter mit der Ankündigung eines Nationalen Aktionsplans für Integration vorgeprescht. Diese Woche soll er durch den Ministerrat. Der Koalitionspartner SPÖ reagierte überrascht, im Asyl- und Integrationsbereich engagierte NGOs zeigten sich erbost. Besonders der Passus, dass künftig Zuwanderer schon bei der Einreise über Deutschkenntnisse verfügen müssen, ist umstritten.

Zwischen Hetze und Multikulti

„Was die Innenministerin an Vorschlägen vorgelegt hat, bedeutet nicht Integration, sondern Veräppelung“, kritisiert die grüne Integrationssprecherin im Nationalrat Alev Korun: „Jetzt kommt Maria Fekter mit einem neuen Papier, obwohl gerade ihr Vorgänger einen ähnlichen Diskussionsprozess durchführen und Expert/inn/envorschläge ausarbeiten ließ.“

Das letzte Integrationskonzept unter Innenminister Günther Platter umfasste 220 Seiten. Namhafte Wissenschafter haben daran mitgearbeitet. Platter wollte „die größte Integrationsdiskussion, die es je gab“. Die Ausstellung „Integration on tour“ rollte mit einem tonnenschweren Laster durchs Land, machte an 24 Stationen Halt und Werbung und Bewusstseinsförderung für das Thema Integration.

Das war’s dann. Es ist gerade mal ein Jahr her. „Keine von den Maßnahmen wurde bisher umgesetzt“, bemängelt Korun. Platter wollte Vernetzungsorte auf der Bundes-, Landes- und Gemeindeebene. Was ist daraus geworden? Heute wird der Großteil der Integrationsarbeit von Städten und Gemeinden geleistet.

Die Diskussion in Österreich würde zu sehr polarisieren, kritisiert Migrationsforscher Heinz Fassman. Zwischen der Hetze mancher Parteien und den Multikulti-Idealen anderer fehlt eine „Politik der vernünftigen Mitte“.

Sozialer und ethnischer Mix

Die Eliten seien zumeist nicht mit den problematischen Seiten von Zuwanderung konfrontiert, da sie in besseren Stadtvierteln wohnen. Aber Migration als Bereicherung zu sehen ist leicht, wenn man nicht in direkter Konkurrenz um Arbeitsplatz und Wohnung steht. Bei einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten ist das aber sehr wohl der Fall.

Ein ausgeglichener ethnischer und sozialer Mix könnte Konflikte entschärfen, meint Fassmann. Denn die Ansiedlung von einkommensschwachen Zuwanderern bei einkommensschwachen Gruppen der Mehrheitsbevölkerung führe zu konfliktreichen Situationen.

Räumliche Konzentration von Migranten gilt es auch in Schulen zu vermeiden. „In der Schule sind sie immer in ihrer Gruppe und reden in ihrer eigenen Sprache“, beschweren sich beispielsweise die österreichischen Schüler eines Polytechnikums in Wien Floridsdorf über ihre Mitschüler mit Migrationshintergrund.

„Die zweite Migrantengeneration ist eine besondere Herausforderung“, betont Fassmann. „Die erste Generation sei bereit gewesen, alles zu tun, um eine Erwerbstätigkeit zu bekommen und Wohlstand zu erreichen. Bei nachfolgenden Generationen fehlt oft dieser starke Wille zum sozialen Aufstieg.“ Man erlebe hier verstärkt mentale Rückkehrphantasien. So trifft man im Poly häufig auf Aussagen von Schülern mit Migrationshintergrund wie: „Im Ausland müssen wir zusammenhalten!“ Wie aber können Teenager, die keine Perspektiven in der „fremden“ Heimat sehen, motiviert werden?

„Unser Hauptproblem ist das schulische Desinteresse“, sagt Martin Kirchmayer, Direktor einer Wiener Hauptschule, deren Anteil an Schülern mit migrantischem Hintergrund in zehn Jahren auf über 50 Prozent angewachsen ist. Kirchmayer erlebt es öfters, dass bildungsinteressierte Zuwanderer ihre Kinder nicht in Schulen mit hohem Migrantenanteil schicken, denn, so ihr Argument: „Da lernen sie kein Deutsch.“

Null Budget, null Maßnahmen

Fassmann empfiehlt, dass die Debatte ehrlich gefühlt werde, da momentan zu viele den Eindruck hätten, ihre Ängste würden nicht ernst genommen.

Grün-Abgeordnete Korun fordert konkrete Integrationsmaßnahmen und ein Budget dafür. Im Nationalen Aktionsplan Integration findet sie „null konkrete Maßnahmen, zu denen sich das Innenministerium verpflichtet, aber umso mehr ‚Arbeitsaufträge‘ an andere Ministerien, Bundesländer und Gemeinden“. Und Korun über Fekter: „Sie ist für die Integration zuständig, dabei hat sie leider keine Ahnung von Integration.“

Von Integrationsmaßnahmen hat Necmi bis jetzt nichts mitbekommen. Für ihn selber findet die Integration in seinem Laden statt. Am Türrahmen zu seinem Geschäft steht die Segensformel: „20 K+M+B 07“. Sternsinger haben sie hingeschrieben. „Ich weiß, was das ist“, sagt der gläubige Muslim, „mich stört es nicht, warum soll ich es wegmachen?“ Eine Moschee gibt es in Eisenstadt nicht. Gebetet wird zu Hause. Necmi liebt Österreich, sagt er. Seine Kunden sind fast nur Österreicher. Er wird aber das Gefühle nicht los, dass man hierzulande gegenüber Fremden immer vorsichtig bleibt.

* Die Autorinnen arbeiten für M-Media, eine journalistische Selbstorganisation von Migranten; www.m-media.or.at

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