"Kein Friede mehr in Serbien - niemals!"

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Aufatmen in Belgrad und in Brüssel - mit dem seiner Absetzung zuvorkommenden Rücktritt hat der serbische Parlamentspräsident und amtierende Chef der Serbischen Radikalen Partei (SRS), Tomislav Nikoli´c, seinen Gegnern hier wie dort einen großen Gefallen gemacht. Aber auch zu seinem eigenen Schaden wird der Rückzieher nicht sein, ist Nikoli´c wohl mit gutem Grund überzeugt: In der Märtyrerrolle hat sich der Ultranationalist auch bisher schon gefallen und es gibt jeden Grund anzunehmen, dass sich sein "Opfer" beim nächsten (wahrscheinlich baldigen) Urnengang in Wählerstimmen ummünzen lässt.

Nikolic steht für den "typischen Serben", wie er trotz Peter Handkes jahrelanger Gegenrede nach wie vor in den meisten Köpfen außerhalb Serbiens fest verankert ist: aggressiv, provokativ, unversöhnlich … Dazu passt, dass Nikolic keineswegs ein opportunistischer Nationalist ist, sondern ein Überzeugungstäter durch und durch: 1991, als in Kroatien der Krieg um die Unabhängigkeit des Landes begann, war er der berüchtigte Anführer einer serbischen Kampftruppe in Ostslawonien. So wie Vojislav Šešelj, mit dessen SRS Nikolic auch ein Jahr später als Parlamentarier ins jugoslawische Bundesparlament einzog. Als sich Šešelj Anfang 2003 freiwillig dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag stellte, wurde Nikolic neue (geschäftsführende) Nummer eins der mittlerweile stärksten Partei im serbischen Parlament.

So wie sein in Den Haag einsitzender Parteichef träumt Nikolic von einem Großserbien - auch über derzeitige Grenzen hinweg: "Die Grenze zu Kroatien ist nicht wichtig", sagte Nikolic unlängst in einem Interview, "die Serben werden auf ihren Besitztümern leben, sie werden für eine Art Autonomie-Status kämpfen, den sie sicherlich bekommen, zumindest regional, und die Serben werden intensiv mit Zagreb, aber auch mit dem Mutterland Serbien zusammenarbeiten." Ähnlich sollte sich die Situation nach seiner Vorstellung auch in Bosnien-Herzegowina entwickeln.

Jene, die sich ob solcher Ansagen vor einem neuerlichen Balkan-Krieg fürchten, beruhigt er: "Ich habe weder Kinder für einen Krieg, noch würde ich Kinder von irgendjemandem anderen in den Krieg schicken oder gegen fremde Kinder Krieg führen." Kroatien ist für ihn ein international anerkannter Staat, aber er hat eben "einen Traum".

Einem EU-Beitritt seines Landes widersetzt sich Nikolic vor allem wegen des Kosovos: "Ich kann der EU alles verzeihen, aber das Wegnehmen von Territorium werde ich niemals verzeihen. Auch Kroatien würde es nie akzeptieren in die EU zu kommen, wenn diese sagen würde, dass die Republika Srpska Krajina ein unabhängiger Staat werden müsste."

Sollte es dennoch zur Unabhängigkeit des Kosovos kommen, dann wird "dies die Quelle für Unsicherheit und Auseinandersetzungen werden", ist Nikolic überzeugt. "Serbien steht eine schwere Probe bevor. Die EU will uns das Kosovo wegnehmen, Russland verteidigt uns", skizziert Nikolic seine Sicht der Dinge. Er selbst will bei Verlust des Kosovo seine Partei im Kampf gegen die Regierung anführen: "Dann wird es in Serbien nie mehr Frieden geben und von Serbien wird nichts übrig bleiben." Angesichts solcher Ansagen ist wohl doch kein Aufatmen gerechtfertigt, sondern tiefes Durchatmen gescheiter - in Belgrad und in Brüssel. WM

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