"Kein Regenwald in den Tank!"

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Global 2000-Energiereferentin Silva Herrmann zur schlechten Ökobilanz von Biotreibstoffen und den Interessen der Agrar- und Autofahrer-Lobbys.

Die Furche: Frau Herrmann, wird der aufkommende Konkurrenzkampf zwischen Brot und Sprit zu mehr Hunger auf der Welt führen?

Silva Herrmann: Hunger ist oft kein Mengen-, sondern ein Verteilungsproblem. Das wird sich durch den steigenden Bedarf an Biosprit verschärfen, weil ein unheimlicher Importsog für Biosprit-Ausgangsprodukte nach Europa oder Nordamerika entsteht.

Die Furche: Kann man da unterscheiden - ist Biosprit aus Getreide für die Hungerproblematik schlimmer als aus Raps oder anderen Produkten?

Herrmann: Darauf gibt es keine generelle Antwort, denn was wo verzehrt und angebaut wird, ist weltweit sehr unterschiedlich. Aus Umweltsicht ist wichtig, sich jeweils die Ökobilanz, also den Umweltnutzen der unterschiedlichen Produkte, anzusehen.

Die Furche: Und wie sieht diese Ökobilanz für Biotreibstoffe aus?

Herrmann: Für eine Reihe von Produkten in diesem Bereich ist sie sehr schlecht. Was das Klima betrifft, sind Treibstoffe aus Raps ein Nullsummenspiel: Es braucht viel Energie, um Raps zu produzieren; durch die Stickstoffdüngung entstehen zudem große Mengen an Lachgas und zur Umwandlung von Raps in Treibstoff braucht es wieder viel Energie.

Die Furche: Der Umstieg auf Biodiesel aus Raps ist daher …

Herrmann: … der Ersatz eines flüssigen Treibstoffs durch einen anderen, und keine Zukunftsstrategie. Was wir brauchen, ist eine Wende im Verkehrsbereich, die Reduktion des Verkehrsaufkommens. In Österreich ist Verkehr der Klimakiller Nr. 1 - da muss der Hebel ansetzen. Das geht aber nicht über Biotreibstoffe, denn als Treibstoff ist Biomasse nicht effizient genug eingesetzt.

Die Furche: Sondern?

Herrmann: Biomasse ist am besten geeignet für thermische Verwertung, also im Wärmebereich.

Die Furche: Das "Bio" bei Treibstoffen ist somit der falsche Begriff.

Herrmann: Absolut, wir sprechen daher von Agro-Treibstoffen, das charakterisiert sie besser als landwirtschaftliche Erzeugnisse, mit denen hohe Ertrags- und Gewinnerwartungen verknüpft sind. Das bedingt intensive Bewirtschaftungsformen, Monokulturen, hoher Düngemittel- und Pestizideinsatz. Die EU-Beschlüsse, den Anteil der Biotreibstoffe zu steigern, haben zudem einen starken Druck auf die Regenwälder in Indonesien und Malaysia ausgelöst. Deswegen unsere Forderung: Kein Regenwald in den Tank!

Die Furche: National, EU- und weltweit scheint die Politik aber in den Biotreibstoffen eine geniale Lösung für eine Reihe von Problemen - Klima, weniger abhängig von den Erdölstaaten, neue Bereiche für Landwirtschaft etc. - zu sehen.

Herrmann: Keine Regierung setzt sich der Kritik der Autofahrer und der damit zusammenhängenden Lobbys aus. Stattdessen wird gesagt: Autoindustrie bleib ruhig, wir können weiterfahren! Hinzu kommen die starken Agrar-Lobbys, die sich ebenfalls große Chancen auf diesem Markt ausrechnen - hinter dem sogenannten "Biosprit" stecken viele Interessen, die sich sehr gut treffen.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

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