Kein Urlaub bei Freunden erlaubt

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Einen Freund aus Mauritius zum Urlaub nach Österreich einzuladen, ist ein zeitaufwendiges, kostspieliges, zum Scheitern verurteiltes Unterfangen.

Mit dem Slogan "Mach Urlaub bei Freunden" wirbt Österreichs Fremdenverkehrswerbung schon lange. Ganz ernst zu nehmen ist diese Ansage jedoch nicht, zumindest dann nicht, wenn man 20 Jahre alt und auf Mauritius zu Hause ist. Mach Urlaub mit Freunden gilt dann bloß umgekehrt: Nur die österreichischen Freunde dürfen den mauritischen Freund auf der 2.000 Quadratkilometer großen Insel östlich von Madagaskar besuchen - wenn sie ein Rückflugticket vorweisen, das garantieren soll, dass das Paradies im Indischen Ozean nicht von Austeigern, die reif für die Insel sind, überlaufen wird. Der mauritische Freund hingegen kommt auch für drei Wochen nicht nach Österreich - selbst wenn die österreichischen Freunde für ihn eine umfassende Verpflichtungserklärung abgeben.

Doch der Reihe nach: Familie Wessely aus Strasshof, Bezirk Gänserndorf, macht Urlaub auf Mauritius. Sie lernen einen Hotelbediensteten kennen, der für seine weitere Karriere im Tourismus Deutsch lernt. Eine Freundschaft entsteht. Die so oft beim Abschied von einer Urlaubsbekanntschaft schnell hingesagte Einladung nach Österreich erweist sich in diesem Fall nicht als leeres Versprechen, das zu Hause sehr schnell wieder vergessen ist. Anfang November letzten Jahres, einige Monate nach ihrer Rückkehr von Mauritius, machen die Weselys die Einladung an ihren Freund konkret. Mitte März dieses Jahres soll er kommen. Vier Monate Vorbereitungszeit scheinen ausreichend. Doch die Weselys haben die Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall die Bürokratie der Schengen-Staaten gemacht. Dieser Tage können die Wesselys bestenfalls mit ihrem Freund telefonieren. Nach Österreich einreisen darf er nicht.

Schengen-Bürokratie

Dabei hat es nach anfänglichen kleineren Schwierigkeiten recht gut ausgesehen. Die Wesselys führten auf der für die Visumserteilung an den Mauritier notwendigen Verpflichtungserklärung den Rufnamen, statt des offiziellen Vornamens an. Konsequenz: Formular retour, viel Aufwand umsonst. "Macht nichts, zweiter Versuch!" Mit der Verpflichtungserklärung garantiert der Unterzeichnende, "für den Unterhalt und die Unterkunft der eingeladenen Personen aufzukommen". Weiters verpflichtet er oder sie sich, "der Republik Österreich, den Ländern, Gemeinden und anderen öffentlichen Rechtsträgern alle Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit der Einreise, dem Aufenthalt - auch wenn dieser aus welchen Gründen immer über den Zeitraum der Einladung hinausgeht - und der Ausreise sowie allfälliger fremdenpolizeilicher Maßnahmen entstehen, binnen 14 Tagen ab Zahlungsaufforderung bei sonstiger gerichtlicher Geltendmachung zu bezahlen."

Die Wesselys haben nicht nur diese Erklärung unterzeichnet und vorschriftsmäßig notariell beglaubigt. Sie haben auch die erforderlichen Dokumente: Kopien von Meldezettel und Reisepass (notariell beglaubigt), Gehaltsbestätigung der letzten drei Monate (im Orginal) und Grundbuchauszug (wieder notariell beglaubigt) sowie eine Krankenversicherung für ihren Freund beigelegt - und alles nach Mauritius geschickt. Das ist natürlich nicht so leicht und so schnell gegangen wie die Zusammenfassung in ein paar Zeilen vermuten lässt. Bis die Verpflichtungserklärung mit Anhang fertig war, mussten die Wesselys viele Rennereien, langes Anstellen, blöde Kommentare ("Man will ja nicht, dass jeder Insulaner bei uns studiert!") und Tausende Schilling Kosten auf sich nehmen.

Glücklich, dass sie es schlussendlich doch noch zeitgerecht geschafft haben, vielleicht auch ein wenig stolz, wie immer wenn man einen bürokratischen Hürdenlauf hinter sich gebracht hat, erwartete die Familie schließlich die Ankunft ihres Freundes. Zu früh gefreut! Aus Mauritius kommt die Nachricht, das Visumsansuchen wurde abgelehnt. Warum? Keine Angabe von Gründen, er soll es in drei Monaten wieder versuchen. Anfänglich geben die Österreicher ihre Hoffnung nicht auf, glauben laut einer Information des Außenamtes, der junge Mauritier könne es bei der Österreichischen Botschaft in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria erneut versuchen. Doch ihrem Freund fehlen die finanziellen Mittel und die Zeit für einen Flug auf den afrikanischen Kontinent.

Rückreise fragwürdig

Ein zweiter Visumsantrag wäre auch sinnlos. Diese Information erhält die furche bei einer Anfrage in der Österreichischen Botschaft in Pretoria. Wurde der Visumsantrag von den französischen Behörden, die auf Mauritius als Poststelle für Österreich arbeitet, abgelehnt, dann kann es in weiterer Folge "auch Österreich nur ablehnen", heißt es aus Pretoria. "Eine Ablehnung des Schengen-Visums gilt für alle Schengen-Staaten." Im Unterschied zu Frankreich oder Deutschland muss Österreich jedoch die Gründe für eine Ablehnung angeben. Und was glaubt man in Pretoria ist der Grund für die Ablehnung? "Wenn die sekundären Voraussetzungen, sprich Verpflichtungserklärung, erfüllt sind, kann die Ablehnung des Visums nur in erster Linie mit der Person des Antragstellers zusammen hängen."

Schon einmal, anlässlich eines geplanten Besuchs bei seiner Großmutter in Frankreich, wurde dem 20-jährigen Insulaner die Einreise in Schengen-Europa verweigert, wissen die Wesselys. "Ist ihm diese Vorgangsweise geläufig?" fragt die furche daraufhin den Wiener Rechtsanwalt und Spezialist für Fremdenrecht Wilfried Embacher. Für den sind die Erlebnisse der Wesselys kein Einzelfall. Wobei sich die Situation diesbezüglich in Österreich schon wieder etwas entspannt hätte, meint Embacher. Meistens wird zur Verweigerung der Einreise der "Versagungsgrund der nicht gesicherten Rückreise" angeführt, erklärt der Rechtsanwalt. Begründet werde diese Haltung mit Erfahrungswerten: Ausländer, die nach Ablauf ihres Visums im Land bleiben, geben den Anlass, anderen, mit der Unterstellung sie würden ebenfalls nicht mehr ausreisen, ein Visum von vornherein zu verweigern. Hier das Gegenteil zu beweisen, sei schwierig, so Embacher, ein "ewiges Pingpong". Und je enger das Verhältnis zwischen Einladenden und Eingeladenen ist, desto schwerer ist es, das Vorurteil der Behörde zu widerlegen, weiß er aus seiner Arbeit.

Georg Bürstmayr, ebenfalls Rechtsanwalt und in diesem Bereich versiert, beurteilt die Situation ähnlich. Ihn stört vor allem die "unbefriedigende Rechtslage, die über Umwegen sowohl dem Eingeladenen als auch den Einladenden die lange Nase zeigt". Der Versagungsgrund der nicht gesicherten Rückreise ist für ihn ein "Gummiparagraph", den man nie beweisen, aber auch kaum widerlegen kann. Was im konkreten Fall jetzt weiter tun? Die beiden Rechtsanwälte raten im Innenministerium nachzufragen, ob eine Einschaltung aus Mauritius stattgefunden habe und zweitens zu versuchen, in der französischen Botschaft die Ablehnungsgründe zu erfahren. Beides misslingt. Im Innenministerium erhält die furche aus datenschutzrechlichen Gründen keine Auskunft, die französische Botschaft verweist auf die Möglichkeit, ein schriftliches Ansuchen zu stellen. Die letzte Chance?

Bis zum Höchstgericht

So wie Embacher und Bürstmayr empfiehlt auch der Rechtsberater für Asylwerber und Geschäftsführer von "Asyl in Not" Michael Genner einen Antrag auf die Ausstellung eines schriftlichen Bescheides zu stellen. In Österreich wäre dann nach sechs Monaten eine Säumnisbeschwerde an das Innenministerium möglich, um schließlich sein Anliegen bis zu den Höchstgerichten, Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof, durchzufechten. Wie aber der Instanzenweg in Frankreich genau ausschaut, wissen die österreichischen Experten nicht. Embacher verweist dann noch auf die generelle Schwierigkeit, mit ausländischen Botschaften über Tausende Kilometer hinweg zu kommunizieren, geschweige denn zu prozessieren: "Die können einem immer am ausgestreckten Arm baumeln lassen."

Die Recherche war für die Wesselys und ihren Freund also keine wirkliche Hilfe und in jeder Beziehung entmutigend. Dabei hat es geheißen, der Schengen-Vertrag sollte in Europa "einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts garantieren". Was dieser Raum noch wert ist, wenn man keine Freunde von außerhalb mehr zu sich einladen darf, sei dahingestellt. Recht und Sicherheit mögen dadurch wohl gewahrt bleiben. Von Freiheit kann aber bei bestem Willen nicht mehr die Rede sein.

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