"Kein weißer Fleck in der Terrorbekämpfung"

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Verfassungsschutz-Chef Gert Polli zum neuen Verfassungsschutzbericht 2004, über Terrorgefahr in Österreich, die Arbeit von Geheimdiensten und den Sinn und Unsinn "militärischer Terrorbekämpfung".

Die Furche: Der deutsche Terror-Experte Udo Ulfkotte sagte gegenüber der APA, es sei für Österreich naiv zu glauben, dass es keine extremistischen Gruppen gäbe, denen Anschläge zuzutrauen wären. Übertreibt Ulfkotte oder deckt sich seine Einschätzung mit den Ergebnissen des aktuellen Verfassungsschutzberichtes 2004?

Gert Polli: Ich möchte Folgendes klar stellen: Extremistische Tendenzen und auch Gruppierungen stehen fast in jedem europäischen Staat unter Beobachtung, so auch in Österreich. Jeder ist naiv, nach Madrid anzunehmen, dass Terrorismus nicht ein gesamteuropäisches Problem ist und es versteht sich von selbst, dass kein europäischer Staat ein weißer Fleck in der Terrorismusbekämpfung bleiben kann. Ich gehe sogar so weit, und stelle fest, dass Terrorismusbekämpfung, hiezu zähle ich auch die Prävention, zu der zentralen Sicherheitsaufgabe der nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte werden wird.

Die Furche: Welche Formen des Extremismus und Terrorismus bedrohen Österreich?

Polli: Von einer unmittelbaren Bedrohung Österreichs durch Terrorismus und Extremismus kann nicht ausgegangen werden. Trotzdem befindet sich Österreich in einem gesamteuropäischen Verbund im Bereich der Terrorismusbekämpfung. Eine Bedrohung eines europäischen Staates durch einen terroristischen Akt ist somit auch eine Bedrohung für die innere Sicherheit Österreichs.

Die Furche: Das Versagen des CIA im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg und schon im Vorfeld des 11. September hat kein gutes Licht auf die Arbeit von Geheimdiensten geworfen. Wo kommen Geheimdienste an ihre Grenzen?

Polli: Wo liegen die Grenzen von Geheimdiensten? Diese Frage ist deshalb nicht sehr leicht zu beantworten, da jedes Land ein eigenes oft über Jahrzehnte gewachsenes System der Nachrichtendienste hat. Weltweit gibt es eine Vielzahl von Behörden und anderen staatlichen Organisationen, die sich mit Terrorismusbekämpfung auseinandersetzen. Hier wären insbesondere die Nachrichtendienste und die Polizei zu nennen. Zwei völlig unterschiedliche Welten mit ganz unterschiedlichen Methoden und Ansätzen stoßen hier aufeinander und sind schwer zu koordinieren beziehungsweise zu harmonisieren. In Österreich sind wir einen anderen Weg gegangen, der zivile Nachrichtendienst, das BVT, ist nicht nur Nachrichtendienst sondern auch Sicherheitsbehörde und Polizei. Reibungsverluste werden hierdurch minimiert.

Die Furche: Welche Rolle spielt in dieser Frage die Politik?

Polli: Die Grenzen der Nachrichtendienste haben auch realpolitischen Gründe. Man darf nicht vergessen, dass Nachrichtendienste über 50 Jahre und länger die Speerspitzen des Kalten Krieges waren. Der Schritt vom Kalten Krieg zur Terrorbekämpfung wurde langsam und schleppend vollzogen. Das gilt insbesondere für die Dienste der Träger des Kalten Krieges.

Die Furche: In den USA wurde der Begriff der "militärischen Terrorismusbekämpfung" geprägt. Lassen sich daraus Ableitungen für Österreich herstellen, wenn beispielsweise Verteidigungsminister Platter beim Forum Alpbach sagte, das Bundesheer "müsse auch in der Lage sein, im Falle eines Terroranschlages in Österreich angemessen reagieren zu können"?

Polli: Militärische Terrorismusbekämpfung in diesem Sinne gibt es nicht. Ganz generell ist aber festzustellen, dass weltweit die Aufgabe Terrorismusbekämpfung zusehends Eingang in die militärischen Doktrinen findet. Die Nato hat diese Richtung bereits Mitte der 90er Jahre mit der Neudefinierung ihres strategischen Konzeptes eingeschlagen. Trotzdem sind hier viele Fragen offen: So z.B., ob die Streitkräfte als Assistenz der zivilen Gewalt auch präventiv zur Terrorismusbekämpfung innerhalb der EU eingesetzt werden könnten? Diese Diskussion muss in Österreich erst geführt werden (siehe Beitrag unten, Anm.). Unbestritten jedoch gilt die absolute Notwendigkeit, die Streitkräfte mit der Fähigkeit auszustatten und materiell auszurüsten mit Katastrophenszenarien fertig zu werden. Zu diesen Szenarien zählen insbesondere Maßnahmen im Bereich des Personen- und Objektschutzes oder auch - wovon ich nach derzeitigen Erkenntnissen in Österreich nicht ausgehe - die Bewältigung terroristischer Großlagen. Ich möchte aber noch einmal unterstreichen, dass diese Aufgabe der Streitkräfte nur unter ganz bestimmten Bedingungen erfüllbar ist. Zu diesen Bedingungen zählen Verfügbarkeit, Professionalität und Einsatz solcher Kapazitäten als Assistenz der zivilen Gewalt. Unbestritten ist die nicht unwesentliche Rolle des Militärs bei der externen Terrorismusbekämpfung zum Schutz der eingesetzten Truppen in außereuropäischen Krisenszenarien.

Die Furche: Wie steht es um die Zusammenarbeit mit den Nachrichtendiensten des Bundesheers?

Polli: Diese Frage möchte ich öffentlich nicht kommentieren.

Die Furche: Ist die Geheimdienstarbeit in den letzten Jahren schwieriger geworden?

Polli: Ja.

Die Fragen

stellte Wolfgang Machreich.

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