Keine Bevormundung, sondern "Controlling"
Jede Universität täte gut daran, Controlling einzurichten - aber nicht in einer Zeit des Übergangs vom alten zum neuen Universitätsorganisationsgesetz.
Jede Universität täte gut daran, Controlling einzurichten - aber nicht in einer Zeit des Übergangs vom alten zum neuen Universitätsorganisationsgesetz.
In den vergangenen zwei Wochen beherrschte ein Thema die Schlagzeilen: "Die Bespitzelung der Universitäten", der "große Lauschangriff" auf die Hohen Schulen. So stellte es zumindest "Der Standard" dar. Dementsprechend hart waren die Reaktionen der Rektoren, Professoren und der übrigen Betroffenen. Vom "Faschingsscherz" über den Hinweis auf Metternich und autoritäre Regime bis zu Rücktrittsaufforderungen reichten die erzürnten Äußerungen.
Wissenschaftsminister Caspar Einem bequemte sich zu schrittweisen Klarstellungen, daß Personal- und Organisationsberater den Universitäten bei der Optimierung ihrer Abläufe beistehen würden. Ziel sei es, die Studienzeiten zu verkürzen, den Studierenden zu helfen und deren Familien zu entlasten. Dabei sollten sich Universitäten freiwillig melden oder mangels Freiwilliger zwangsbeglückt werden. Sieht man diese nicht unbedingt erheiternden öffentlichen Streitgespräche als Insider, so gibt es eine Reihe von Erklärungen für Einems Vorgangsweise; unter anderem: * Sicherung von Medienpräsenz. Durch geschicktes Ping-Pong-Spiel und dankenswerte Unterstützung einzelner Medien gab es fast zwei Wochen "Ein Solo für Einem". Für einen Minister, den man abservieren wollte, eine beachtliche PR-Leistung.
* In den kommenden Jahren können die Universitäten und Kunsthochschulen nicht mit Budgetzuwächsen rechnen. Sie haben keine publikumswirksame Priorität und keine Lobby. Somit gilt es, auf die Universitäten und Kunsthochschulen Druck auszuüben, indem man die Öffentlichkeit gegen sie und ihre augenfälligsten Exponenten, die Professoren, mobilisiert.
*** Aus betriebswirtschaftlicher Sicht kann man ein "Wissenschaftsministerium" als Holding ansehen, in der die einzelnen Universitäten zusammengefaßt sind. Diese sind ihrerseits Konzerne, die aus lauter "Kleinbetrieben" (Institute, Kliniken) bestehen. Den durch langsam aber deutlich schrumpfende Mittelzuteilung entstehenden Druck, müssen die Mittelverwalter, die Rektoren, auf die kleineren Einheiten weitergeben. Erleichtert wird ihnen die Verteilung des Mangels durch objektive oder objektivierbare Leistungskriterien für die Kleinbetriebe.
Mit der Festlegung solcher Kriterien und der Überwachung der Einhaltung von Zielvorgaben beschäftigt sich das sogenannte "Controlling". Es hat mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch als "Kontrolle" bezeichnet wird, nur teilweise zu tun. Im Englischen versteht man unter "control" "Beherrschung" beziehungsweise. "Überwachung". Die zweite Bedeutung paßt auf unseren obigen Aufgabenbereich, die erste sollte im Hinblick auf die Autonomie der Universitäten wohl nicht zum Tragen kommen.
Demgemäß wird jede Universität gut daran tun, ein eigenes "Controlling" einzurichten. Gegen ein "Controlling" auf übergeordneter, ministerialer Ebene, dem aber auch die Aktivitäten des Ministeriums und des Ministers unterworfen sind, kann angesichts der Ausgabensummen, um die es hier geht, wohl kaum etwas eingewendet werden. Dieses "Controlling" darf jedoch weder auf Universitäts- noch auf Ministeriumsebene "geheim" durchgeführt werden, sonst verfehlt es seine Zwecke der Überwachung. Sollte Einem das gemeint haben, müßte man ihm zustimmen.
Auf der "Holding"-, sprich Ministeriums-Ebene gilt es festzustellen, ob das Schiff auf Kurs ist und bleibt. (Der "Controller" kann auch als "Navigator" des Betriebes gesehen werden.) Die Qualitätskontrolle führt in der Wirtschaft der jeweilige Betrieb selbst durch.
Die "Prüfung" oder "Revision" erfolgt periodisch oder aperiodisch, sei es durch interne oder externe Prüfer. Es steht dem Minister frei, die Gebarung oder Abläufe an Universitäten durch von ihm bestellte fachkundige Prüfer seines Vertrauens prüfen zu lassen, aber bitte offen. Der Prüfer hat das Ist-Objekt - zum Beispiel den Ablauf der Prüfungsanmeldung - zu erfassen und einem Soll-Objekt - wie müßte eine optimale Prüfungsanmeldung ablaufen? - gegenüberzustellen. Die Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Objekt sind "Fehler", die es zu beseitigen gilt, wobei "Fehler" wertfrei zu sehen sind. Der Geprüfte hat eigenes Interesse am Ergebnis, da er "Fehler" abstellen kann.
*** Der Zeitpunkt des Einsatzes solcher "Berater" (Beratung und Prüfung sind zwei verschiedene Aufgaben) ist jedoch derzeit nicht günstig: In Österreich gibt es Universitäten, in denen Universitätsorganisationsgesetz 1993 (UOG) bereits gilt und solche, die im Umstellungsprozeß befindlich sind (für welche das UOG 1975 und dessen Institutionen und Abläufe gelten) und solche, die sich auf das UOG 1993 vorbereiten.
Daher ist zu fordern: * Jenen Universitäten, die gerade erstmals ihre Autonomie erproben, Zeit zur Gestaltung und eigenen Prüfung der internen Abläufe zu geben.
* Jenen Universitäten, die gerade ihre Strukturen und Abläufe auf das UOG 1993 umstellen, die Freiheit der autonomen Gestaltung und Erprobung zu überlassen.
*** Einige Fragen bleiben jedoch: * Was soll ein vom Minister entsandter Prüfer prüfen? Die gerade entwickelten, aber noch nicht erprobten Abläufe, die geplanten oder die zu planenden Abläufe oder der bisherige, nur mehr kurze Zeit geltende Zustand?
* Was sollen die Konsequenzen aus der Prüfung sein? Eine Verbesserung durch die Universität selbst, im rahmen ihrer Autonomie? Eine Anpassung der Rechtsvorschriften mangels Praktikabilität? Ein Prüfungs- und Beratungsauftrag ad infinitum? (Denn an jeder Universität gibt es Tausende von Abläufen, die erhoben, dargestellt, verbessert werden könnten, zumal sich Rechtsvorschriften laufend ändern.)
Insofern erscheint es daher verständlich, wenn sogar nach einer Abkühlungs- und Nachdenkpause die Aktion "Spitzel an die Universitäten" als überwiegend gelungener PR-Gag angesehen wird, der von den Betroffenen, wenn auch mit eher emotionalen Begründungen, abgelehnt wurde. Jeder Betrieb sollte seine Ziele und Handlungen immer wieder überprüfen, ob er nicht etwas besser machen könnte. Das gilt auch für Universitäten. Sie brauchen dazu keine Bevormundung. Auch über ihre Berater können sie selbst entscheiden. Das Ministerium soll sich auf seine Holdingfunktion beschränken. Auch das ist ein Lernprozeß.
Der Autor ist Vorstand des Institutes für Revisions-, Treuhand- und Rechnungswesen der Universität Innsbruck sowie Vorsitzender der Bundesprofessorenkonferenz.
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